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Wir finden im ganzen Stück das Streben, die Trojaner in den ihnen gebührenden Platz wieder einzusetzen, die Griechen aber zu verspotten und den Nimbus von ihnen zu reissen, den die homerische Muse um sie gezogen hat. Da aber Shakspere das Ganze in das Gewand einer Farce kleidete, so konnte es auch nicht in seinem Plane liegen, einen der Trojaner zu einem vorzüglichen Helden zu machen oder ihres Volkes glänzende Thaten hervorzuheben; mit Spott und Sarkasmus würzt er selbst die ernstesten Berathungen der Trojaner. So sagt, um nur ein Beispiel anzuführen, Hector II. 2:

Paris, and Troilus, you have both said well;
And on the cause and question now in hand
Have gloz'd, but superficially; not much
Unlike young men, whom Aristotle thought
Unfit to hear moral philosophy.

Wer müsste nicht herzlich lachen bei diesem Anachronismus, den Shakspere gewiss nicht unabsichtlich gemacht hat. Dergleichen Dinge kommen häufiger bei ihm vor, aber, wenn wir uns nicht täuschen, nicht aus Unwissenheit, sondern mit einem bestimmten Zweck. Der Anachronismus muss derart sein, dass die Zuhörer die Absicht gleich merken: also wird auch wol hier die Erwähnung von Aristoteles' Moralphilosophie im Munde des ernsten Hector gegenüber den Liebhabern der Helena und der Cressida ihren Zweck haben, und dieser kann kein anderer sein, als einen komischen Eindruck hervorzubringen, d. h. die ernste Angelegenheit, ob Helena auszuliefern sei oder nicht, ob man von dem gewaltigen Kriege abzustehen oder ihn fortzusetzen habe, in's Lächerliche zu ziehen.

Wir haben im Vorigen allerdings nur in schwachen Umrissen und in einer das schwierige Thema gewiss nicht erschöpfenden Weise die Grundidee, von welcher geleitet Shakspere dieses merkwürdige Stück schrieb, nachzuweisen versucht; Eines aber glauben wir sicher dargethan zu haben, dass bawds, pimps and Winchester geese" gewiss am allerwenigsten die spectators sind, who best may understand to value the beauties of this

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satirical farce." Vielmehr möchten wir aus den Worten des der ersten Ausgabe vorangeschickten Vorwortes: „Eternal reader, you have here a new play, never staled with the stage, never clapper-clawed with the palms of the vulgar,... not sullied with the smoky breath of the multitude" wie Tieck vermuthen, dass dies Drama zuerst im Palaste irgend eines vornehmen Herrn, für den der Dichter es geschrieben habe, aufgeführt worden sei, vielleicht vor dem Könige selbst. Nur ein Publicum, welches mit den Sagen des trojanischen Krieges wohl bekannt war, konnte Genuss an diesem Stücke finden, dann aber auch sich so an den witzigen Anspielungen und beissenden Sarkasmen ergötzen, dass ihm die Empfehlung nicht allzu übertrieben erscheinen musste, mit welcher die ersten Herausgeber dasselbe in die Welt schickten: „Amongst all (Shakspere's comedies) there is none more witty than this: and had I time I would comment upon it, though I know it needs not (for so much as will make you think your testern well bestowed), but for so much worth as even poor I know to be stuffed in it. It deserves such a labour, as well as the best comedy in Terence or Plautus." Dr. Arthur Kortegarn.

Zur Einleitung in die Geschichte der neuhochdeutschen Grammatik. Von G. Th. Dithmar. Programm des Gymn. zu Marburg. 1861.

Das vorliegende Programm versucht die Entstehung des Neuhochdeutschen vor Luther nachzuweisen. Ohne wesentliche neue Momente beizubringen, gibt es doch eine klare Uebersicht, geht davon aus, dass der Sachsenspiegel und die kaiserliche und die kursächsische Canzleisprache fast ganz schon das Neuhochdeutsche in der Gestalt erscheinen lassen, wie es Luther gebrauchte, erklärt richtig den Einfluss der Canzleisprache auf ganz Deutschland, zeigt genauer das Wesen der obersächsischen Sprache in Beziehung auf Vocale und Consonanten, und hat ein Hauptverdienst in den zahlreichen mitgetheilten meissnischen, herzoglich und kurfürstlich sächsischen Urkunden aus dem 14., 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts. Als Anhang ist die Literatur der neuhochdeutschen Grammatik vor Gottsched mitgetheilt, die aber nicht auf Vollständigkeit Anspruch macht.

Hölscher.

Miscelle n.

Ueber grammatische „Versregeln.“

Unter den kleinen Kreuzen des grammatischen Elementarunterrichts nehmen bekanntlich die Präpositionen eine recht fühlbare Stelle ein. Die Bemühungen, diesen trockenen und drückenden Gegenstand durch den Zauber der poetischen Form der Jugend anziehender und leichter zu machen, sind deshalb gewiss recht anerkennenswerth; aber wenn das Produkt an sich ein so mangelhaftes ist, wie die herkömmlichen versus memoriales der deutschen Präpositionen, so muss seine Anwendung doch Bedenken erregen. Mit Recht hat Fr. A. Wagler in dieser Zeitschrift 1861 S. 69 ff. die grossen Mängel derselben im Ausdrucke, ja selbst im Inhalte, die wohl schon Vielen verdriesslich gewesen sind, öffentlich gerügt. Wenn er aber gleichwohl das Princip so weit festhält, dass er mit einer stilistischen Verbesserung helfen zu können meint, so kann ich ihm nicht beistimmen. Nicht als ob ich überhaupt gegen jede „Versregel" wäre. Rhythmus und Reim sind allerdings vortreffliche Stützen für das Gedächtniss. Aber von dem Reime eines Gedichtes gilt dies doch nur insofern, als zwischen den beiden durch den Gleichklang markirten Worten eine gewisse Ideenassociation stattfindet, welche durch jenen Klang zugleich sinnlich sich einprägt. Davon kann aber in solchen Versen, wie:

1) Schreib mit, nach, nächst, nebst, sammt, bei, seit, von, zu, zuwider,

Entgegen, ausser, aus stets mit dem Dativ nieder.

2) Bei durch, für, ohne, um, auch sonder, gegen, wider,
Schreib stets den Accusativ und nie den Dativ nieder.

keine Rede sein, ja der gleiche Reim dieser zwei Strophen dient nur zur
Verwirrung. Die erste Regel lässt Wagler unangetastet, die zweite
ändert er, gibt aber den durchschlagenden Rhythmus auf. Allein weder der
Reim noch der Rhythmus sind das Erste und Wesentlichste für das Ge-
dächtniss; der Haupthalt bei allem Auswendiglernen wofern dasselbe nicht
eine ausschliesslich mechanische Thätigkeit sein soll liegt in dem inneren
Zusammenhange der Gedanken, der Ideen association. Von einer sol-
chen scheint nun auf den ersten Blick keine Rede sein zu können bei einer
Aufzählung einzelner Wörter; allein etwas Entsprechendes lässt sich doch
entdecken. Es zeigen sich nämlich gewisse Gruppen, zu welchen die
Wörter ihrer Bedeutung nach zusammentreten, sei es als Synonyma (wenn
auch in weiterem Sinne des Wortes), sei es als
Opposita. Solche begriff-
liche Kategorien sind für die Uebersicht und Behaltbarkeit einer Reihe oder

Eintheilung von weit grösserem Werthe, als die ausschliesslich äusseren Mittel der Versform. Wenn man das sachlich Zusammengehörige auseinanderreisst, um einen Rhythmus oder Reim herauszubringen, so erkauft man einen geringen Vortheil durch einen weit grösseren Schaden. Man sollte deshalb eine nach rationellen Principien aufzustellende Ordnung unter allen Umständen festhalten und erst an zweiter Stelle zusehen, ob es möglich ist, ihr auch, ohne Beeinträchtigung ihres Wesens, irgend eine zugleich sinnlich fassbare Form zu geben. Dabei wird es aber am gerathensten sein, nur das eigentliche mit dem Gedächtniss zu haltende Material in eine solche Form zu bringen, alle übrigen Worte aber von derselben fern zu halten; denn diese gerade führen zu den Trivialitäten. Ferner sollte man ein solches pädagogisches Mittel nicht in Fällen abnutzen, in denen es werthlos ist, wie bei den Präpositionen mit dem Genitiv, die dasselbe nach Wagler's richtigem Rathe entbehren können. Nach diesen Principien habe ich mir die deutschen Präpositionen folgendermassen geordnet:

1. Den Accusativ regieren: Durch, um,

ohne,

Für, gegen, wider,

(Solche Sachen wie sonder gehören in Anmerkungen.)

2. Den Dativ regieren: Bei, mit, nach, von, aus, Nebst, sammt, nächst, seit, ausser, zu,

entgegen,

3. Den Accusativ oder Dativ regieren,

zuwider,

und zwar den Accusativ auf die Frage Wohin?
den Dativ auf die Fragen Wo? oder Wann?

Auf, an, in, neben, zwischen,
Vor, hinter, über, unter.

So weit es möglich ist, sind hier die Präpositionen, welche ähnliche Verhältnissbegriffe (z. B. Bei, mit Von, aus) oder Gegensätze (z. B. Vor, hinter) bezeichnen, zusammengestellt; alsdann correspondiren öfter ähnliche Paare (z. B. An, in Neben, zwischen); die zweite Zeile von Nr. 2 ist der ersten Zeile inhaltlich parallel u. s. w. Noch besser gelungen ist vielleicht die Zusammenstellung der lateinischen Präpositionen c. Acc., wie ich sie in meiner lateinischen Grammatik (Latein. Lern-, Lese- und Uebungsbuch. Göttingen, Vandenhoeck und Ruprecht, 1861) S. 110 gegeben habe:

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In anderen Fällen, wo kein rationelles Princip der Aufzählung zu_entdecken ist, wird man sich freilich mit den äusserlichen Mitteln der Form begnügen müssen. In dieser Weise habe ich auch mit um den von 60 Vielen erstrebten Lorbeer in der Poesie der lateinischen Genusregeln gerungen und habe z. B. bei den Ausnahmen auf is ausser dem Reim noch mit den Mitteln der Alliteration und Assonanz dem Gedächtnisse einen so vortrefflichen Anhalt für die Reihenfolge der Wörter geboten, dass ich sicher hoffe, im ganzen heiligen Römischen Reiche deutscher Nation wenn

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Mittheilung eines Liedes aus dem Regensburger Liedercodex durch Carl Woldemar Neumann.

Es warb ains edelmans kindt,
Vmb ain edle Herzogin.
Sy heten ain ander lieb,
Das sy for grosse Hut

Komen zu ein ander nie.

Dy Junkfraw dy bas edle,
Dy nam jr ain abgang,
Gar haimlich fur dy porten,

Da sy den Wachter vand.

Gut bachter schleuss mir auf das thor.

Ich wil dich vil reicher machen,

Vil reicher dan den tag.

Junkfraw jr seit edel,

Darzu gar hoch geporen,

So forcht Ich doch so sere,

Des eurs vaters zoren,

So küm Ich Heint Her wider ein,

Dy beil so entschlefft mein vater,
Vnd dy mueter mein.

Der bachter der was arme,

Dem was des goldes not,
Auf schloss er dy porten,

Er lyss sy in das Hag,

Zu ainen Prundlein das bas kalt,
Darob ain grüne linden,

Darauff sass fraw nachtigall.

Dy nachtt dy was so vinster,
Der mon gab lutzel schein,
Dy Junkfrau dy bas edel,
Dy chniet auf ain stain,

Nu banet mir laider nymat pey
Dan dy frau nachtigall,

Des clain balt fogelein.

Daz erhortt ain tberg,
Der jn dem bald was,

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