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I. Abhandlungen.

Ueber die formen und bedeutungen des namens Mars in den italischen dialekten.

Die vorliegende untersuchung stellt als ihr ziel die erklärung weniger namensformen hin, bezweckt aber in der that nicht sowohl das nackte ergebnifs, als die begründung desselben aus der lautlehre und wortbildungslehre der italischen dialekte. Da diese aber weder erschöpfend erkannt noch allgemein anerkannt sind, so bedürfen sie einer sorgfältigen prüfung, und so mag die untersuchung selbst ihre ausführlichkeit rechtfertigen.

1) Verschiedene ableitungen des namens Mars.

Schon die alten leiteten die namen Mars und Mavors auf verschiedene weise ab. So erklärt Cicero (Nat. Deor. II, 28.): Iam qui magna verteret Mavors. Cedrenus (Corp. Byz. Nieb. t. Ι, p. 295, 21.): ὅτι τὸν Μάρτεμ οἱ Ρωμαῖοι μόρτεμ ἐκάλουν οἱονεὶ θάνατον, ἢ κινητὴν τῶν τεχνῶν, ἢ τὸν παρ ̓ ἀῤῥένων xai pórov zipauerov. Varro. (L. L. V, § 73 ed. O. Muell.) Mars ab eo, quod maribus in bello praeest, aut quod ab Sabinis acceptus, ibi est Mamers. Von neueren hat Heffter (religion der Griechen und Römer p. 434) die Varronische ableitung verworfen wegen des auslautenden t des stammes und leitet den namen des gottes her von martus, mors, marceo. Allein das t beweist nichts gegen Varros ableitung von mas; denn es könnte ja wie bei den substantivischen stämmen mor-t, for-t, ar-t, do-t, men-t, gen-t das t erst an eine wurzel mar herangetreten sein, und das ist ja II. 1.

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auch in martus und mors geschehen (Pott etym. forsch. p. 221). Da ferner bei der Heffterschen ableitung die formen Marmar, Marmor, Mavors, Mamers gar nicht in betracht gezogen sind, so fehlt der beweis für die behauptung, dafs Mars der vernichtende bedeute. Nach Hartung (religion der Römer II, 158) sind die formen Marmar, Mamers und Mavors desselben stammes wie lat. arma, griech. gos, sanskr. wârâyami (schütze) und Mars aus Mavors zusammengezogen. Diese ableitung aber erscheint aus mehreren gründen als unhaltbar. Denn erstens ist es ohne beispiel, dafs im lateinischen anlautendes m vor einem worte, wie arma, wegfiele und bei dem andern desselben stammes, wie Marmar, sich hielte. Das dafür angeführte beispiel mox neben ocius ist kein beispiel dafür. Denn lat. ocius, griech. oxú, skr. âçu hatte kein anlautendes m (Pott etym. forsch. II, 278). Wäre also m-ox wirklich mit ocius zusammenzubringen, dann wäre m ein präfix, das jedenfalls erst zu erklären wäre, damit diese verwandtschaft glaublich erscheinen könnte (Pott das. II, 338). Zweitens aber gehören lat. ar-ma (waffen) ar-mus (bug), griech. ao-w, goth. ar-ms (arm) zur sanskritwurzel ar, haben also weder mit wârâjami noch mit Foos etwas gemein, die von der sanskritwurzel war stammen (Pott I, 222. II, 593 u. 230. Vgl. Höfer: zur lautlehre p. 236 anm. 92). Ueberdies bleibt bei der Hartungschen ableitung das lautliche verhältnifs von Marmar, Mamers und Mavors zu einander ganz unerklärt.

Pott erklärt (I, 124) Mavors: qui mares vertit i. e. hostes fugat und Mars aus Mavors durch zusammenziehung entstanden, nimmt aber (I, 222) diese ableitung zurück und erklärt Mavors: Mavor-tis d. h der mannsschützende, indem er vor wie griech. FAons Fioros auf die sanskritwurzel war (bedecken) zurückführt. Auch bei Mamers schwankt Pott, ob mers durch assimilation des v zu m aus vors entstanden, oder wie lat. mor-ior auf die sanskritwurzel mar zurückzuführen sei, so dafs Ma-mers menschenmörder bezeichnete. Aber auch gegen diese zweifelhaft hingestellten ableitungen erheben sich bedenken. Die altlateinischen formen des namens: Marmar, Marmor, die sich im Arvalliede finden, und die davon gebildeten adjectiva: Mamurius, Mamuralia sind nämlich von Pott nicht in die betrachtung gezogen Mag sich nun auch der zweite bestandtheil in Marmar aus der wurzel mar oder war erklären lassen, so liegt es doch gewiss näher, so lange nicht gründe dagegen sprechen, Mar-mar für eine

reduplicirte wortform zu halten, als den beiden völlig gleichlautenden silben grundverschiedene abstammung beizulegen.

Eine solche reduplication nimmt auch Mommsen (die unteritalischen dialekte p. 276) an, denkt sich aber Mar-mar als das reduplicirte Mart, und dieses wieder zusammengezogen aus Mavort, das aus einem unerklärten M und avortere zusammengesetzt sein soll. Gegen diese ansicht mufs eingewandt werden: Erstens ist die ableitung Mavort von M(?) + avort eine unbegründete vermuthung, solange die bedeutung des m nicht erklärt ist. Zweitens kann Mar-mar nicht entstanden sein aus M-a-vort + M-avort, denn dass ein doppelt zusammengesetztes wort noch reduplicirt würde, ist unerhört im lateinischen, das wie die verwandten sprachen nur einfache stämme reduplicirt. Drittens, auch wenn man Mart nicht als compositum fasst, kann Mar-mar schwerlich aus Mart-Mart entstanden sein, wie dies weiter unten nachgewiesen werden wird. Dafs endlich auch die von C. Schmidt (Berliner jahrb. no. 35. 1834) aufgestellte ableitung unhaltbar ist, nach der Ma-vors aus skr. mahâ (grofs) und war (schützen) zusammengesetzt sein und «grofser schützer» bedeuten soll, beweist das erster in Marmar. Denn dafs und wie Mavors aus Marmar, Marmor entstanden sei, wird weiterhin dargethan werden.

2) Die lateinischen formen Marspater, Marspiter,

Maspiter.

Es liegt nahe aus dem bisher gesagten zu folgern, dass man bei der erklärung der vorliegenden namensformen nicht von Ma-. vors oder Mamers ausgehen könne. Die für den zweck dieser untersuchung zunächst in betracht kommenden formen sind demnach: Marspater, Marspiter, Maspiter. Unter diesen ist natürlich Marspater ebenso wenig eine eigentliche organische wortcomposition wie Neptunuspater, Saturnuspater, Januspater, Dispater, da das erste wort derselben das nominativzeichen s gewahrt hat, und im zweiten das a nicht zu i geschwächt ist, wie dies z. b. in Jupiter, Diespiter, Opiter und bekanntlich auch sonst in lateinischen compositen geschieht und durch das zurücktreten des tones veranlafst scheint. Die beiden wörter mars und pater sind also nur zusammengeschrieben, weil man sie oft und unmittelbar nacheinander sprach wie jusjurandum, respublica, ususfructus, me diusfidius u. a.

Die form Marspiter ist vielleicht überhaupt nur ein schreib

fehler*); da sie sich nun aber einmal vorfindet, so fragt sich, wie sie zu erklären ist. Ist das s nominativzeichen, dann hat diese form in der abschwächung des a zu i ein wesentliches merkmal einer ächten zusammensetzung und im widerspruch damit einen nominativ als erstes glied derselben. Für eine solche zwitterbildung giebt es im lateinischen kein beispiel. Denn dass in Diespiter das s nicht nominativzeichen ist, zeigt der accusativ Diespitrem (Macrob. Sat. I, 15) und der genitiv Diespitris (Priscian VI. Putsch. p. 695), da man doch wie usumfructum, reipublicae auch Diempitrem Dieipitris erwarten sollte. Pott erklärt daher (II, 210) das dies in Diespiter aus skr. diwas in dem compositum diwaspati (tages-herr). Noch weniger beweist Ju-piter für Mars-piter. Noch in neuester zeit ist nämlich (Weifsenborn lat. schulgramm. p. 15 anm. 3) Juppiter für die richtige schreibart erklärt, die aus Jus-piter durch assimilation des s zu p entstanden sein soll. Allein die grofse menge von lateinischen wortbildungen, die sp, st, sc im anlaut oder inlaut haben, zeigt, wie wenig s vor einer tenuis noch einer assimilation bedurfte. Ja das s hält sich in der zusammensetzung vor p, c, t sogar stets, wo es z. b. vor f assimilirt wird, z. b. diffido, differo, diffugio u. a., hingegen displiceo, disputo, distuli, discerno. Also kann auch Juppiter nicht gegen alle analogie aus Juspiter entstanden sein. Ebenso wenig ist es durch assimilation des v zu p aus Jov-piter zu erklären, die auch ohne beispiel wäre; sondern wie ju-cundus aus jov-cundus, nuper aus nov-per so ward Ju-piter aus Jov-piter, indem das v sich in folge des herantretenden consonanten zu seinem vocal u erweichte und als vertreter des so entstandenen diphthongen ou nur u geschrieben ward. In ganz analoger weise ward aus Avpiter Au-piter und ebenso erging es den stämmen nav, av nach abfall ihres ableitungsvocals i in den compositis nau-fragium, auspex, au-gur. Indem nun o bekanntlich oft im lateinischen als vertreter des diphthongen au auftritt, wird aus Aupiter Opiter.

*) Bei Varro steht an drei stellen: L. L. VIII, § 26. IX, § 46. X, § 65 Maspiter; an einer: L L. VIII, § 33 Marspiter; bei Priscian findet sich nur Maspiter an zwei stellen: XII, p. 1284 bei Putsch. Bei Gellius N. A. V, 12, 5 Marspiter, doch ist hier auf die zuverlässigkeit der handschriften nicht eben viel zu bauen, da die texte der römischen grammatiker überhaupt sehr verdorben sind. Doch hat auch eine auf dem palatinischen hügel gefundene inschrift Marspiter. Orelli. Corp. Inscr. 1350.

Man vergleiche lava-tum, lau- tum, lo-tum. Ich kann daher in der schreibart Juppiter nur eine unorganische, mifsbräuchliche verdoppelung des p sehen, und mufs in den compositis Ju-piter, O-piter den ersten bestandtheil für den stamm ohne flexionsendung halten, sowie in Dies-piter das s jedenfalls nicht für das nominativzeichen. Ist dem so, dann erscheint es bedenklich in Marspiter gegen alle regel lateinischer wortcomposition das s als nominativzeichen anzusehen. Es fragt sich also, ob sich dasselbe anders erklären läfst.

Man könnte Mars für den blofsen stamm Mart ansehen, so dafs das t wegen des folgenden consonanten p in Marspiter zu s herabgesunken wäre. Allein dagegen spricht, dafs die auf rt auslautenden nominalstämme im lateinischen ihr auslautendes t in der zusammensetzung gegen zerstörung durch den anlautenden consonanten des zweiten wortes mittelst eines bindevocals i schützen z. b. part-i-ceps, art-i-fex, sort-i-legus, mort-i-ferus. Danach müfste man auch ein compositum Mart-i-piter erwarten. Marspiter aus Martpiter zu erklären ist also ebenso mifslich als das s als nominativzeichen zu fassen. Weiterhin wird sich ein anderes auskunftsmittel darbieten; doch mufs zuvor die form Maspiter in die untersuchung gezogen werden.

Es fragt sich, was ist Maspiter für eine zusammensetzung. Ist Maspiter aus Marspiter entstanden, oder umgekehrt? Man könnte geneigt sein, für die erste annahme zu entscheiden, denn dass r vor s unter umständen schwand, beweisen advosem für advorsum, prosa für prorsa (pro-vorsa), retrosum für retrorsum (retro-vorsum), susum für sursum (sub-vorsum). So könnte ja auch Mas aus Mars geworden sein. Dagegen spricht jedoch zweierlei: 1) dafs aus dem simplex Mars nicht Mas wurde, dafür sprechen die nominative aller auf rt auslautenden stämme, die nach abfall des t vor dem nominativzeichen s ihr r stets gewahrt haben, z. b. ars, pars, sors, fors, mors; 2) dann müfste also in dem compositum Maspiter das an rs herangetretene p den vernichtenden einflufs auf das r geübt haben. Doch das ist nicht glaublich, da sich sonst in der composition das r vor s mit folgender tenuis stels hält, wie in perscribo, perstringo, perspicio, während doch das, beispiel pejero neben perjurium zeigt, dafs das r von per zerstörende einflüsse durch einen folgenden consonanten erleiden kann. Ich muss daher in advosem, prosa, retrosum, susum es vielmehr der stellung des rs zwischen zwei vocalen zuschreiben, dafs das

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