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wenn er auch die behauptung des niedermachens verstärkt, den zusammenhang dieser niederlage mit dem zu verhütenden kampfe weniger sichtbar macht, da, indem die niederlage als schon geschehen dargestellt ist, sie ja auch einen anderen grund, als den kampf gehabt haben könnte. Das zweite von ew. wohlgeboren angeführte beispiel ist mir noch weniger klar. Welch ein infinitiv auch schlagen sein möchte, kann ich in den worten immer nicht mehr sehen, als dafs die velleität des schlagens hier in die vergangene zeit der währenden handlung gesetzt ist, und ich finde nicht, dafs, wenn der infinitiv nun auch eine vergangene zeit einer währenden handlung anzeigte, daraus der sinn hervorginge, dafs das schlagen mit dem wollen vorüber sei. Denn die phrase: sie hatten beschlossen, dass sie mich schlügen, wo beide verba im imperfectum stehen, scheint mir kein gröfseres licht über die sache zu geben, als die mit dem infinitiv.

Das sogenannte paulo post futurum der Griechen scheint mir kein gültiger einwurf gegen eine behauptung, die meiner überzeugung nach so streng und evident aus den allgemeinen begriffen folgt. Wie den sprachen formen fehlen, so können sie deren auch mehr haben, als nöthig ist. Dies ist umsomehr möglich, als wir die geschichte keiner sprache genau genug kennen, um zu wissen, ob nicht ursprünglich gewisse formen ganz anders gebraucht worden sind. Ich erinnere mich nicht, ob man wohl die stellen gesammelt hat, in welchen der infinitiv dieses tempus vorkommt, und deren wol nicht viele sein würden. Dies müfste auf jeden fall belehrend sein.

[Eigenhändige nachschrift des Verfassers.] Ew. wohlgeboren werden entschuldigen, dafs ich nicht mit eigner hand geschrieben habe. Die fremde ist leserlicher und ich wünschte mein concept zu behalten. Ich bitte Sie zu glauben, dafs ich es zu schätzen weifs, in Ihnen einen mann gefunden zu haben, der diese grammatischen gegenstände, die jetzt leicht mit dem namen philosophischer spitzfindigkeiten gebrandmarkt werden, gern einer neuen untersuchung unterwirft. Mein halten an Bernhardi müssen Sie mir verzeihen; ich bleibe gern bei dem bisherigen, bis es sich als nicht mehr zu vertheidigen erweist. Indem ich den forschungen ew. wohlgeboren zu ihrer genugthuung und zum allgemeinen nutzen der wissenschaft ungestörten und glücklichen fortgang wünsche, wiederhole ich Ihnen die versicherung meiner ausgezeichneten hochachtung. W. v. Humboldt.

Tegel, den 28. October 1826.

Walhen und Deutsche.

1) Walh.

Der alte name, welchen die Deutschen ihren keltischen und romanischen nachbarn gaben: Walh im althochdeutschen, Ve alh im angelsächsischen, womit auch das altnordische Valland, Neustria d. i. Italien oder Frankreich zusammenhängt, ist noch unerklärt. Mone hat zwar ganz richtig ausgeführt, dass er nicht mit Gallus, Gallia zusammenhängen könne — aber die beziehung, in welche er den namen mit Wilzen, Wolga u. s. w. bringt, macht die sache nur dunkler nicht heller. Die bedeutung des namens ist aber sehr einfach, denn es ist dasselbe wort in deutscher form, was längst als indisches wort in der form mlêcha bekannt ist, und ursprünglich wohl etwas «undeutliches", «nicht in richtigem umrisse sich zeigendes" bedeutet daher in der that: «ein undeutlich redender, ein nicht arisch lebender fremder, ein barbar*), ein sünder» bedeutet. Das stammwort ist: mlêcch oder mlêch «undeutlich reden, eine nicht arische sprache reden❞— welche bedeutung nach Yates auch mlaksch hat, zugleich mit der nebenbedeutung: vermischen, unter einander mischen.

Dafs die sanskritischen palatalen buchstaben im deutschen meist in gutturalen übergehen, ist so bekannt, das nur der über gang des vor 1 stehenden m in ein deutsches w nachgewiesen zu werden braucht. Wir haben hier drei unter diese analogie fallende sanskritische stämme zu beachten: mlai, mlêt oder mlêd und mlêw.

Mlai bedeutet nach Yates: to fade, to be faint, to yawn - wie Bopp angiebt: flaccescere, marcescere, languescere, fatigari. Yates führt auch noch die damit zusammenhängenden wörter: mlâna, faded, foul, weary, und mlâni, fading, weariness, filth, slander an die grundbedeutung scheint also: schwach werden; seinen glanz, seine kraft verlieren; die weitere: ein hässliches, schmutziges ansehen bekommen; schlecht, schmutzig, verleumdet, matt, müde werden.

Trümmer dieses stammes finden wir wieder in den althochdeutschen wörtern: wali, tepidus, welh (aus: wali-ah ent

*) das wort barbarus hängt ja wohl auch mit balbus und balbutire zusammen? Das indische barbara oder varvara klingt wohl nur zufällig an barbarus an. [Vgl. I. 381 wo beide wörter besprochen sind. A. K.]

standen), lepidus, marcidus, labefactus; welhên, marcescere; wullôn nauseare und wullôth, nausea. Dafs hier zwischen w und I ein vocal getreten ist, und die ältere form dieser wörter mit wl anlautete, wie der sanskritische stamm mit ml wird deutlich durch die angelsächsischen correspondirenden ausdrücke, welche auch die zusammenhänge der bedeutungen recht deutlich machen: vlä-c, remissus, tepidus; vla- cian, remissum esse, tepidum esse; vlä-cta, vlä-tta, vlæ-ta, deformatio, nausea; vlæ-tan, deformare, foedare; vlâ-tian nauseare (aufser diesen aus vläc = ahd. welh entstandenen wörtern hat die angelsächsische sprache auch veallorian, arescere). Gerade wie das althochdeutsche schiebt auch das altnordische zwischen w und 1 den vocal, denn dem angelsächsischen vläc entspricht altnordisch volgr und dem angelsächsischen vlætan (aus vlä-ctan entstanden) entspricht velkia, contaminare.

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In diesen wörtern, deren verwandtschaft auf der hand liegt, auch von Bopp durch die zusammenstellung von mlai und wel. ken bereits erkannt war, entspricht also deutsches wl oder wal ganz deutlich sanskritischem ml. In den slawischen sprachen ist dies ml in bl übergegangen, denn es gehören hieher: russ. bléknut', verwelken und blewát', sich erbrechen; lausitzisches blec und blować, sich erbrechen und błoto, koth; slowenisches bljovati, sich erbrechen und bloja oder blato, koth; poln. błahy, schwach, gering, schlecht; bluć, speien, sich erbrechen und blóto, koth welche slawische wörter erst in dem rechten zusammenhange ihrer bedeutungen erscheinen, wenn man die verwandten lithauischen hinzunimmt: blogas, schwach, gering, schlecht, von krankheit angegriffen; blogti, schwach werden; blukti, schwach werden, welk werden, verwelken; blukszti, schwach, welk werden; verwelken; blusti, niedergeschlagen, traurig werden.

Wir führen diese slawische parallele an, weil sie uns für den folgenden stamm mlêt oder mlêd als wegweiser dienen mufs. Die bedeutung dieses wortes ist nach Yates: to be mad; nach Bopp: mente captum esse, insanire; nach Westergaard: insanire, delirare. Wir stellen hier der bedeutung wegen das slowenische blesti, irre reden, phantasieren voran, womit weiter im slowenischen blazen, der wahnsinn, frevel, blôd, der irthum, das irsein, das versehen, die unzucht und bloditi, irre sein, fehlen, sich herumtreiben, unzüchtig leben zusammenhängen. Der

zusammenhang dieser wörter weiter mit russ. blash', abgeschmacktes zeug; blazen, der narr, hanswurst, blashit, muthwillig, wild sein und bludit', irren, herumschweifen; mit poln. blazen, der narr, błąd, der irthum und błądzic, irren; mit litthauischem bloznas, der thor, schalk, schelm; blúda, die thorheit und bluditi herumschwärmen, irren, thorheiten begehen, ist klar. Deutsch gehört zu diesem stamme: wild d. h. in der irre gehend, nicht gezähmt, unvernünftig und wald, die weglosigkeit, die irre. Schon gothisch begegnet vilpeis, ayolos im gegensatze gedacht von domesticus, cultus, domatus das altnordische zeigt die ursprüngliche bedeutung noch am klarsten auf: villiz, errare; villa, in errorem inducere; villr, errans, rudis, sylvestris. Weniger geschwächt tritt der vocal auf in wald (ags. veald, altn. vaullr, völlr).

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Steht uns nun die correspondenz von deutschem wal, wil und sanskritischem ml schon durch zwei beispiele fest, so werden wir auch keine mühe haben in dem sanskritischem mlêw den stamm unsres althochdeutschen wola oder wela, was als substantiv: opulentia, felicitas und als adverbium: satis, bene bedeutet zu erkennen. Yates giebt als bedeutung von mlêw an: to serve, to please; Westergaard: colere, ministrare — und ganz der früher von uns beobachteten analogie gemäss haben wir im slawischen: russ. blago, das heil; blagaja, der reichthum; slow. blag adverb. wohl; adj. edel, gut; blags, der reichthum; poln. błogo adv. wohl, glücklich, selig; błogi adj. glücklich, selig. Diesem slowenischen blag correspondirt sowohl buchstäblich als dem sinne nach deutsches adjectiv welag, wolag, walag d. i. dives und das adverb oder vielmehr die interjection welago, welche bedeutet: euge! gerade wie bulgarisches blozê! - Die grundbedeutung von wola, wela, welag und welago ist offenbar: dienstsam, förderlich, angenehm. Im bulgarischen hat blago eine ganz enge bedeutung in bezeichnung von etwas angenehmen, förderlichen angenommen; es bezeichnet das fleischessen im gegensatz des fastenspeise - essens und der accent nur unterscheidet die factitiva bláže, rühmen, glücklich preisen und blaże, fleischspeisen essen.

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Nach diesen so vollkommen einschlagenden vergleichungen zweifelt wohl niemand mehr, dafs althochdeutsches Walh, angelsächsisches Vealh dem sanskritischen mlêch entspricht*).

*) zusammenhängend mit griechischem βληχάομας, βληχή, βλάξ, lateinischem balare, blaterare, und vielleicht balbus.

Indessen beschauen wir doch auch noch die slawische parallele da begegnet uns also zunächst russisch: blekotschat', stammeln, stammelnd reden; polnisch: blekot, der stammler, blekotać, stammeln; slowenisch: blekotati stammeln, bleknuti, meckern; blejati blöcken. Dazu litthauisch: blauti, blöcken; bluwanti, brüllen.

Einen störenden einwand könnte noch das polnische (auch in anderen slawischen dialekten sich findende) włoch, der Italiener, und slowenische Vlah, der Wallache, bilden, denn dafs dies dem deutschen Walh verwandt ist, ist deutlich indessen schon die beschränkte, enge bedeutung, in welcher das wort blofs auf einzelne länder angewandt wird, dürfte für die spätere, fremde einschleppung dieses wortes zeugen. In urverwandter form dürften wir nicht włoch, sondern müssten blek finden in der später entlehnten, aus dem deutschen Walh übertragenen form Włoch findet sich dagegen dies deutsche Walh bis auf die im slawischen so häufige consonantenversetzung vollkommen wieder. - Demnach stimmt überall deutsches wal, wil, wël zu sanskr. ml und Walh bedeutet wirklich ursprünglich dasselbe wie mlêch d. i. peregrinus, barbarus, einer der unverständlich spricht und nicht nach reiner, bestimmter, heiliger sitte lebt. Das ungarische o la fz (italienisch aus wlafz, wlah entstanden) u. s. w. ist offenbar erst wieder von den Slaven an die Magyaren gelangt, und ebenfalls nicht urgemein sondern neu übertragen.

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2) Deutsch.

Das gothische piuda, geus (nahe verwandt mit þiup bonum und þiupia, benedico); althochdeutsche diota, gens; altnordische þýði gens; angelsächsische þeód, gens, ist, wie aus dem wechsel des letzten consonanten in piup hervorgeht, eine bildung von einem stamme piuan oder pivan. Sonstigen analogien gemäss haben wir dafür einen sanskritischen stamm zu suchen: tu und dieser existirt. Yates giebt seine bedeutung an: to go, to thrive, to become full, to hurt Westergaard: ire, crescere, eligere, implere, lædere. Bopp giebt nur die bedeutung crescere an, wohl weil sich für sie allein belege in schriftstellern finden. Letzterer bringt das wort auch mit zendischem tav (posse, fieri posse) in verbindung. Vielleicht gehört noch das sanskritische wort tôka, proles, a child, offspring und sicher tavishî oder tavisha die kraft, strength (zendisch: tèvishî, l'energie),

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