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Das Grimm'sche lautverschiebungsgesetz erhält nun nach dieser ansicht vorschreitender schwächung eine an stalt (s. 38.): «Nicht alle sprachen sind der aspiration au weise geneigt, und nie bewegen sich alle in einer richtu der aspiration. Sie entwickeln vielmehr darin ihren inn derspruch, dafs sie denselben grundlaut in verschiedenen aspiriren.» Das klingt nun ganz, als wenn sich die gegenseitig zum ärger lebten. Weil die eine hier aspir es die andere nicht; sondern thut es gerade da, wo di es unterlassen hat. Weil der Römer pro sagt, so sagt d fra; weil aber jener fer sagt, spricht er ber. Uebrigen der verf. mit ungemeiner eifersucht darüber, dafs jen nicht verletzt werde. So billigt er z. b. nicht, dafs G habere mit goth. zaban, haben, zusammenstellt. Um i falle das gesetz zu retten, construirt er ein paar «zwill zeln, worunter er den fall versteht, «wenn eine wurzel unter einem grundbegriffe entwickelt, sich aber von vo in zwei seiten spaltet und nun in dieser doppelgestalt mundarten fortwuchert.» Solche zwillingswurzeln h schon kennen gelernt in da geben und dha thun, legen beide nur zwei seiten oder auffassungen der ursprüngli zel ta sein sollen. So soll es auch eine doppelwurze ben mit dem grundbegriff des besitzes, der sich einerse capio näher als ergreifen, fassen bestimmt, und ander geschwächten habere als besitzen, haben, halten. M hänge unser haben zusammen, mit letzterm unser geben ist nichts als haben machen, also das factitivum zel.» Aber warum ist unser geben, giban ein facti Von diesen Zwillingswurzeln geschieden sind «gesch zeln", worunter der verf. den fall versteht «dafs eine von anfang an verschiedene bedeutungen ausdrückt", also gewöhnlich richtiger, wie uns scheint homony geb Als beispiel führt der verf. drei wurzeln pat auf. 1) S tàmi, ninzo, wozu auch unser fallen gehören soll, dess mal aus d erweicht sei; ferner lat. petere, einen anfalle schlecht mit diesem petere zusammengebracht, da es vielme bestürmen, bitten. Unser bidjan, bitten aber sei von standen wäre. Dieses pat bedeute nämlich sagen, gestehen einem andern pat zusammenhinge, woraus das latein. fateo bedürfnifs), bitten. Wenn nun aber fateor, wie es doch w

scheinlich ist, mit fari zusammenhängt, was soll oder welches recht hat die wurzel fat oder pat? Der verf. stellt noch ein pat auf für das lateinische potis, auch possidere. Wenn nun aber pos die präposition wäre, und potis, wie geschehen ist, mit skr. pati, nózis auf die wurzel på gebracht würde? Des verf. constructionen sind also doch zu luftig, um nicht lieber als auf sie zu bauen, anzuerkennen, dafs das lautverschiebungsgesetz gelegentlich eine ausnahme erleide. Will man sie meiden, so mufs man sie wenigstens in anderer weise wegzuschaffen suchen.

Der verf. ist überhaupt zuweilen sehr ängstlich. Er billigt nicht, dafs Bopp unser schlafen, goth. slêpan mit skr. swap verbindet, weil daneben im deutschen noch formen mit v sind, welche zur genannten sanskritwurzel gehörten. Unser wort soll mit dem lettischen sljepti zudecken, sl. slepu blind, zusammenhängen. Schlafen sollte dann wohl bedeuten: die augen bedecken? So passend und sogar poetisch die übertragung des verdeckt, verhüllt seins auf den blinden scheint, so wenig spricht uns dieselbe auf den schlafenden an; und sljepti dürfte eher zu xqúzro und zalónτw zu ziehen sein.

Wir kommen endlich zu den personalendungen. Wirkliche aufschlüsse über noch unerledigte punkte wird man wohl nicht mehr erwarten: im gegentheil ist für den verf. da noch dunkelheit, wo wir schönes licht haben. Die endung der 1. pl. mas ist ihm unerklärlich, obwohl er die vollere vedenform masi kennt. Hierin aber ich und du» sehen, das hiefse vielleicht die agglutination anerkennen. Der charakter der 2. sg. soll st sein; nach der besprochenen theorie, dafs die vollste wurzel die ursprüngliche sei. Wir müssen aber ein beispiel geben, wie der verf. die pronomina aus den personalendungen entstehen läfst. Nicht alle pronomina sind so entstanden, z. b. gleich nicht ego, aham. Dies sei vielmehr ein flectirtes verbum, ich sage. Diese erklärung des ego will der verf. Lassen zu verdanken haben. Aber z. b. unser ihr läfst der verf. nach seiner zerschneidungstheorie entstehen (s. 66.). Nämlich die Altfranken hätten gèbamês in mês gèbam, dann in mer geben zerschnitten, und ebenso gèbatês in tîs gèbat. Die übrigen deutschen stämme «aber haben die form gèbatês, gèbeter so zerschnitten, dafs neben gèbet die endung blofs er, ier lautete, und daher stammt unser deutsches pronomen ir, ibr»!

Nach alle dem, denke ich, haben nicht wir den verf. widerlegt, sondern er hat es selbst gethan. Dafs er trotzdem seine

ansicht nicht aufgiebt, kommt daher, dafs er trotz des entgegengesetzten scheins doch kein gewicht auf eine ansicht legt. Er meint (s. VIII.): «In der grammatik tröstet bei allem antagonismus der meinungen, dafs facta, welche bei einer ansicht der sache räthselhaft sind, es meistens auch bei jeder andern bleiben. » Wir schweigen zu diesem trost des verf. ebenso wie zu seiner aufforderung, andere möchten ihre ansicht gleich unverhohlen wie er die seinige zu tage legen. Von den arbeiten unserer jüngeren sprachforscher, wie Kuhn, Curtius kennt der verf. nichts. Sie mögen sich trösten; denn, es mufs hier schliefslich als curiosum bemerkt werden, auch der name Wilhelm v. Humboldt ist dem verf. völlig fremd geblieben.

Paris, im october 1852.

Dr. H. Steinthal.

Homerisches glossarium. Von L. Döderlein.

Erster band. Erlangen 1850.

(Fortsetzung von band II. s. 63 ff.)

In diesem zweiten artikel werden wir an ausgehobenen beispielen resultate prüfen, welche Döderleins glossarium für die innere erkenntnifs der griechischen wortbildung bietet und endlich nur wenige einzelne deutungen noch besonders besprechen.

Gehen wir vom verbum aus. Was schon beim flüchtigen durchgehen dieses buches in die augen springt, ist, dafs D. eine menge von sogen. verba intensiva mit dem ausgange - als heischeformen annimmt, theils um minder einfache verbalthemata, wie die mit verdoppelter liquida im auslaute oder mit inlauten.dem diphthongen vor einfacher liquida, theils um gewisse formen in der conjugation nicht nur die mit -au im perfectum, mit -69 im aor. I. pass., die adiect. verbalia auf -oros, die futura mit kurzem vocale vor der endung oo, sondern selbst aor. II. wie φυγεῖν u. s. f. aufzuhellen, theils endlich um über einzelne scheinbare verbalableitungen und zusammensetzungen rationellen aufschlafs geben zu können. So setzt er für απόλλω ein αἰολίζω, für γελάσω ein γελάζω, für μαινάς ein μαινάζω, für πηγεσίμαλλος ein πηγάζω voraus. Aber statt dieser formen auf - So können nach der meinung des verfassers (A. 16 u. s. f.) nicht nur, worü

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ber kein zweifel ist, einzelne solche auf -σow, sondern nicht minder häufig die auf -o eintreten, ja sogar einigemal formen auf do sich entwickeln, indem in die blosse media übergehe. Was zunächst diesen wechsel betrifft, so müssen wir bestimmt läug. nen, dass alle oder auch nur der grössere theil der v. v. auf -∞ diejenigen auf voraussetzen. Wie uns die vergleichende. sprachforschung (namentlich Benfey und Curtius) gelehrt hat, bilden diese formen auf -o eine ganz eigene und selbständige art, welche offenbar auf einer innigen zusammensetzung der wurzel oder des themas mit einer zweiten wurzel, nämlich mit der w. de, wovon zívnu, beruht. Wir machten oben und sonst mehrmals darauf aufmerksam, dafs ursprünglich einfachere wurzelgestalten schon sehr frühe sich aufs neue kräftigten und gleichsam versinnlichten durch composition mit frischen bedeutsamen elementen, die eine nicht besonders modificirte thätigkeit bezeichnen: und niemand wird heute noch läugnen wollen, dafs skr. çudh und cubh beide aus der w. çu für çvi entstanden oder dass yudh, wozu voμírn gehört, nur ein durch dh verstärktes yu sei. Zuletzt hat sehr scharfsinnig, aber leider, weil das der nächste zweck so erheischte, zu kurz und fragmentarisch Ben. fey in seiner sanskritgramm. s. 141 über solche neuen bildungen gesprochen. Im griechischen ist dieser zusatz -- oft unmittelbar an die wurzel getreten und aufs engste mit ihr verwachsen, oft bildete der conjugationsvocal ein recht geschicktes band. Wir möchten unter diese klasse auch wörter wie latein. fundo, goth. giuta rechnen, weiter gebildet aus hu, xv: für tendo nimmt Dö. derlein allerdings eine heischeform tevio an; aber dazu zwingt nichts. Vergl. auch Potts etym. forsch. II, 567 ff. Dass v. v. auf -660 oft solchen auf Coo gleichstehen, ist unläugbar, aber ein durchgang durch letztere formen nicht ohne weiteres zu statuiren, und überhaupt theilt sich die masse der v. v. auf -660 in mehrere zweige, die sorgfältige sichtung erfordern. Zum beweise, dafs -- oft unmittelbar in die media & übergehe, werden in dem buche mehrfache beispiele angeführt, und auch in Lobeck's reichem rhematicon finden wir darüber winke und andeutungen; aber jedenfalls sind nicht alle diese beispiele treffend und andere werden durch analogieen auf einem weiteren sprachgebiete mindestens sehr zweifelhaft. So sollen μéλde aus άμaλíčev und éoder aus pései entstanden sein: das skr. nun schon, dem eine bildung auf -Cew in dieser gestalt völlig fremd ist, bietet ein mṛd

II. 4.

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in der bedeutung terere, fricare, und dieser w. entsprechen so genau als möglich slav. mlad, ags. meltan, und ahd. melzan zeigt sich in malz. Nicht so leicht ist allerdings die erklärung von odo neben Co. Ahrens in seiner jüngst erschienenen auf feine und tiefe forschung gegründeten griechischen formenlehre nimmt hier ein poder und ausfall des o an; aber die lösung der frage ist darum unbestimmt, weil ein unmittelbarer übergang von gutturalen in dentalen nicht unerhört ist, od also auch aus Fegy entstehen konnte. Die eigentliche wurzel von gear ist eben unzweifelhaft egy skr. vrj, woher ûrj «die stärke"; und oro ist nicht, wie der verf. meint, erst aus žaι abgeleitet. Jedenfalls durfte D. dieses verbum go und ihm ähnliche als ¿ée «färben", xoášɛiv u. s. f. nicht auf eine liste mit seinen intensiven setzen: wie denn überhaupt von ihm nirgends mit rechter schärfe geschieden ist zwischen den denominativen auf - Coo und denen, welche unmittelbar aus der wurzel mit den endungen -άo u. s. w. entsprungen oder das , oo, wie ¿¿šo, vís∞, пqάooo u. s. w. durch einen ganz eigenthümlichen procefs sich entwickeln liefsen. Die annahme von v. v. intens. auf Co zur erläuterung von v. v., deren themaauslaut eine doppelte liquida oder die im stamme einen diphthongen at, & u. s. f. zeigen, ist völlig unnöthig und unwahrscheinlich, indem sich solche formen aufs einfachste durch versetzung oder assimilation eines der wurzel ursprünglich nachschlagenden i, j, erklären lassen, eines i, das ganz ähnliche funktionen hat als und ebensowohl denominativa als unmittelbar abgeleitete neue verbalstämme bildete. Wurde dieses i consonans, so wird es zugleich damit ein im ausgebildeten griechischen vermiedener laut, wird darum in seiner eigentlichen gestalt verdrängt und irgendwie am gleichen orte oder durch verschiebung ersetzt. Ueber sämmtliche verschiedene arten dieses ersatzes zu sprechen haben wir nicht nöthig, da aufser andern Schleicher in seinen sprachvergleichenden untersuchungen I, s. 36 ff. dieselben sehr einlässlich behandelt hat. Namentlich häufig ist nun der fall, dafs sich j einer liquida assimilirt oder dieselbe überschlägt und einen diphthongen bewirkt: so entstehen dann formen wie αἰόλλω, αἰκάλλω, τείνω, κτείνω, βαίνω, φαίνω, σκαίρω u. a. Ueber dieses i oder j, welches sich unmittelbar an verbalwurzeln anschliefst oder denominativa bildet, vergl. aufser Bopps vergleichender grammatik s. 1057. auch Benfey's behandlung in seiner sanskritgrammatik s. 105. Nur inso

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