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III. Miscellen.

Bemerkungen zu Förstemann I, 412.

Herr Förstemann, dem der unterzeichnete für seine mancherlei sprachlichen mittheilungen besten dank weifs, erlaube gegen einzelnes bescheidene einwendung!

Schande oder schanne ( das zum tragen zweier eimer dienende ausgehölte achselholz) ist er geneigt auf das poln. szalny (= wagschalen!) zurückzuführen wenn nicht das vorkommen des wortes im harze im wege stände! Allein es findet sich eine viel nähere erklärung in der vergleichung mit schindel (f. lat. scindula, von scindo), schiene, bernisch scheie, verschineln. Grundbegriff: ein durch spalten (scindere) entstandenes flaches, weder breites noch dickes stück holz von mässiger länge. Dass man auch von eisenschienen spricht, kommt von der ähnlichkeit in breite, dicke und länge. Mit schindeln werden bekanntlich häuser bekleidet, mit scheien werden wiesen und äcker eingefriedet; ein gebrochener arm dgl. wird eingeschienelt.

Auch schick (=ordnung) soll von dem poln. szyk (= acies dgl.) herkommen. Ich glaube es richtiger von schicken (=fügen, ordnen) herleiten, und schicken einerseits auf scindo (oxíso), andererseits (wegen k) auf seco zurückführen zu sollen. Vgl. sägen und sagen, welches in berner mundart umgekehrt gesprochen wird: sagen (-)= secare (scier), sägen (~~)= dicere, für welches letztere an "ow, sero (sermo, ordnen) zu erinnern ist. Weiter will ich in vergleichungen nicht eintreten. Es erhellet, dafs aus dem begriff des theilens, scheidens der des ordnens herkömmt divide et impera. Daher: geschickt wer zu scheiden und zu ordnen, somit die sache gut anzufangen weifs; vgl. gescheit, richtiger gescheid, bernisch gschyd (von schyden-holz spalten), So auch sagt der Berner: «er hat einen gut schick gemacht» = durch kluge berechnung oder durch glück einen günstigen handel dgl. geschlossen. Ferner bedeutet im kanton Bern ein gschickli ein klein landgut oder heimwesen, dessen grundbegriff ist einheitliches stück, kleines ganze.

vgl. qui bene distinguit, bene docet;

Anders verhält es sich mit schicken in der bedeutung «senden". Dieses leite ich von der wurzel ab, welche in ge-schehen

(geschichte) liegt

von scaihan bezeichnet ein werden, und schicken ist dessen causativ in besonderer richtung daher k. Vgl. wachen (so altbernisch: geschächen), wecken u. a.

Schluppen (= stumpfe) soll herkommen von slup (= säule), weil so ein schluppen oder stumpen (bern.) einer säule gleich sche. Vielleicht läge aber doch das bernische schlüüfen (serpo) näher, dessen wesentliche grundbedeutung ist: unscheinbare, langsame bewegung, welcher innere oder äufsere hindernisse entgegenstehen -gegens. des kräftigen, aufstrebenden. Daher sagt man bei uns von einem knaben, der noch nicht viel zu bedeuten hat: du bist nur noch ein schlüüfer «<e chlyna

schlüüffr."

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Bei schmôr (= betrunkenheit, rausch) wird an das poln. czmyr erinnert. Ich will den zusammenhang der poln. form mit der deutsch. keineswegs bestreiten, vielmehr ist gewifs, dafs slavische elemente sich überall, besonders auch in der schweiz, finden; aber dieses besagt nicht, dass nun das deutsche (in casu) vom slavischen stamme, sondern dafs germanisches und slavisches eine gemeinsame mutter haben, von welcher ich jetzt nicht weiter reden will. Genug, holld. bedeutet smor = rauch (vgl. rausch), und mhd. smoren welken. So nun sagt der Berner: die blume ist verschmuret; das gekochte (lange auf heifsem ofen gesessene zugedeckte) fleisch ist geschmuret-wovon weiter schmürzelen (karg thun, geizen, begriff des zusammenziehens) und schmürzen (= nach feuer riechen auch dann schmerzen = ein brennend gefühl verursachen). Wie nun die welke blume ihr licht, ihren glanz, ihre schönheit verloren, so der betrunkene mensch. Der rausch benebelt, macht trübc, dass man sich des lichtes nicht mehr freuen und bedienen kann, ungefähr wie im rauche.

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Schrâgen fleischerschragen soll, schon nach Trendelenburg, von dem poln. szragi (= zwei säulen, die ein querholz tragen! also ein galgen!) kommen. F. bemerkt, dafs das wort in Danzig verschwunden sei, aber noch in Pommern vorkomme. Ich kann ihm melden, dafs es im kanton Bern noch bestens florirt, und zwar in uneigentlicher wie in eigentlicher weise. Nur ruht der schragen auf vier beinen, und dient zur schafschur, oder zum schlachten von schafen, kälbern und schweinen. Uneigentlich sagt man: auf dem schragen liegen (unedel) = krank liegen, machtlos, kraftlos sein. Was nun das etymon betrifft, so möchte man vielleicht am ehesten an schräg denken;

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aber gewifs richtiger wird es zurückgeführt auf strecken, welches in berner volksmundart lautet: schrecken wie von strecken kömmt z. b. stracks, so von schrecken schragen = ein hölzernes gestell, auf welchem das >>schmalvieh" ausge

streckt wird.

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Auch schubchen (durch umstellung der laute schub und busch (!) — federbüschelchen an hühnern u. s. w.) soll vom poln. czub (= federbusch) herstammen. Allein tschûp (= haupthaar) ist auch in Bern bekannt «einen bim tschuup näh« = bei den haaren packen. T vor sch kann nicht befremden, da es bei uns häufig vorkömmt, z. b. tschûdern schaudern, tscheebes käppi (chapeau), ein tscheeg geschecktes thier u. a. Schup scheint mit Huppi (frz. la huppe, conf. wiede hopf), haube, haupt (caput) verwandtschwerlich mit schaub, schübel

=

=

wohl aber mit schuppen schopf; vergl. tschopen, tschöpli (-~) = weibliches oberkleid, von capia. Das bern. schopf = schuppen und das deutsche schopf = caput.

fäls

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Pudel =

=

gefäls auch im bern. oberland = 1) milchgewelche bedeutung sich jedoch verloren zu haben scheint, sie kömmt noch vor «in milch pudla [nicht: pûdla, puudla] milch essen oder trinken; 2) bauch «er hat e grossa pudl.» Dieses pudl nun scheint einfach diminutiv von pud und dieses gleich pot (=topf) zu sein wie la hotte und bern. hutte (art von korb oder gefäfs aus flechtwerk, das auf dem rücken getragen wird.)

Petschaft

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in Bern sagt man büttschaft scheint allerdings (mit Schwenk) auf das böhm. petschati (= drücken) zurückgeführt werden zu müssen; aber woher die endung aft oder schaft? Non liquet.

Bern, im August 1852.

δίαιτα. ripa

Zyro.

Zu den interessantesten etymologien gehören unzweifelhaft diejenigen, wo sich in, wenn gleich dem ursprung nach verwandten, doch durch geschichtliche entwickelung einander sehr entfremdeten sprachen übereinstimmungen zeigen, welche weder mit dem regelmässigen bau der einen noch der andern in vollständiger harmonie stehn, sondern zu den anomalien, oder wenig

stens auf den ersten anblick ganz individuell scheinenden eigenthümlichkeiten, zu rechnen sind. Ein beispiel der art bot die s. 222. gegebene etymologie von caecus dar; zwei andre sind die in der überschrift rubricirten wörter.

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Dafs diarra zu dem sanskr. verbum jîv «leben» gehöre und einer auf griechischem boden durch verstümmeluog von (= 68) zu 8 aus dem regelrechten reflex desselben entstandenen nebenform d entstamme, ist schon von Pott wenn gleich zweifelnd bemerkt (etym. forsch. I, 265, vergl. mein gr. wl. I, 684). Eine genauere erläuterung dieser bildung wird jeden zweifel heben. An jiv wird alle sonstige analogie gegen im sanskrit das mit tanlautende primäre suffix tu in mehreren bildungen durch â geknüpft jivâtu und aus dem durch secundäres, wandlung eines i der ersten silbe in ai bedingendes, ka gebildeten jaivâtṛka dürfen wir unbedenklich auf ein thema jîvâtṛ schliefsen, in welchem auch das ebenfalls mit t anlautende primäre suff. tr durch â angeknüpft ist. Wie dieses â zu deuten sei, wollen wir hier nicht untersuchen, da es für unsern nächsten zweck völlig indifferent ist. Nach diesen analogieen liegt schon an und für sich die vermuthung nah, dafs auch das gleichfalls mit t beginnende primäre abstractsuffix ti einst an dieses verbum durch å geknüpft sei, also jîvâti gelautet habe; sie erhält aber eine unzweifelhafte bestätigung durch das zendische jyâiti «das leben"; denn dafs dieses einem skr. jivâti entspreche, ist wie man auch über die phonetischen umwandlungen entscheiden möge — unbestreitbar; das â ist durch die assimilirende kraft des i in der folgenden silbe, nach einem im zend durchgreifenden gesetz, zu âi geworden; die umwandlung von jîv zu jy betreffend, so scheint mir, dem für das sanskrit (in den Gött. gel. anz. 1852. s. 114.) nachgewiesenen übergang analog, zunächst v in y übergegangen zu sein; dafür spricht mit höchster wahrscheinlichkeit das shiyâti des altpersischen der keilinschriften, welches Holzmann, wie mir scheint, mit recht jenem zendwort gleich gesetzt hat. Die lautverwandtschaft von i und y endlich bewirkt die einbufse des ersteren. Dem diesem jyâiti zu grunde liegenden jîvâti entspräche im griech. zunächst digari oder, ohne F, diari. Die erwähnte im zend durchgreifende assimilation erscheint in grösserem oder geringerem umfang auch in den übrigen indogermanischen sprachen, insbesondere im griechischen; durch sie würde daizi entstehn. Nun ist es bekannt, dafs im griechischen an

femininalthemen gerne a tritt, augenscheinlich in folge davon, dafs die ungeheure masse der feminina auf a bewirkte, dass die sprache sich gewöhnte, in diesem vocal das eigentliche charakteristicum des femininum zu erblicken; so wird skr. patnî im griechischen πότνια, pivari Πιερία; wenn aber das i auf die oben angegebene weise in die frühere silbe hinüber assimilirend wirkte, fällt es au seiner ursprünglichen stelle aus, z. b. πίειρα für πιερια ebenfalls = pîvarî; so mufste dann auch diαizi, wenn dieses a hinzutrat, díaura statt diairia werden.

Beiläufig erlaube ich mir eine bemerkung bezüglich der bedeutung. Sehr mit unrecht habe ich díaura in der bedeutung «spruch, amt des diairnens von díaira «leben» u. s. w. in meinem gr. wl. trennen zu müssen geglaubt. Die übergänge sind <«<leben, lebensweise, lebensbrauch, gewohnheit im juristischen sinn, der der rechtsgewohnheit entsprechende spruch, amt des den der rechtsgewohnheit entsprechenden spruch findenden.»

Ein noch interessanteres beispiel der wiederkehr anomaler eigenheiten in chronologisch und geographisch weit von einander getrennten sprachen ist ripa. Im skr. heifst ap «wasser", welches in den starken casus âp wird. Als hinteres glied einer zusammensetzung wird es apá (oxytonirt). Sobald sein vorderes glied aber eine präposition aufser auf a, â ist, wird es, mit schwächung des wahrscheinlich organischeren â zu î, durch einwirkung des accentes auf der folgenden silbe (vergl. s. 226), zu îpa (sanskritgramm. § 624), z. b. antarîpa «zwischen wasser = insel» (vgl. lat. interamnus). Im lateinischen wechselt nun bekanntlich das d in der präposition ad mit r, z. b. in dem schon von Pott aus ad und unda gedeuteten arundo. Dieses mit ap zusammengesetzt, würde also nach jener im skr. herrschenden eigenthümlichkeit arîpa «am wasser = ufer" werden. Der abfall von a, wodurch ripa entstand, bedarf natürlich keiner bemerkung. Beiläufig mache ich darauf aufmerksam, dafs wenn in dieser bildung, wie im skf. unzweifelhaft, das î durch einfluss der accentuirung herbeigeführt ist, was mir kaum zu bezweifeln scheint, auch dem latein. ein noch erkennbarer sprachzustand vorherging, in welchem seine accentuation der des sanskrits und des gemeingriechischen im allgemeinen homogen war.

Th. Benfey.

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