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1. Abhandlungen.

Die aspiraten der indogermanischen sprachen.

Das bestreben, die vergleichende erforschung der indogermani

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schen sprachen immer vollständiger von dem gebiete der vermuthungen und versuche auf den sichern boden der klar erkannten wovon diese zeitschrift den bethatsachen zu bringen, führt so viele die sich mit diesen studien beschäfsten beweis liefert tigen, jetzt mehr und mehr auf die lautlehre hin. Die lautlehre kann aber vorerst nur in den engeren kreisen der einzelnen sprachen oder sprachfamilien, obwohl natürlich mit steter rücksicht auf die schwestersprachen, ausgeführt werden. Und so bin ich nach der besondern richtung meiner studien mit einer griechischen lautlehre beschäftigt. Indefs gibt es doch auch für die untersuchung der lautverhältnisse einer einzelnen sprache gewisse allgemeinere vorfragen, ohne deren beantwortung der besondern forschung innerhalb des engeren kreises die grundlage fehlt. Wenn wir von der einen seite zu einem klaren bilde des lautbestandes unserer sprachen vor ihrer trennung erst nach ausführung der lautlehren der einzelnen sprachen gelangen können, so schwebt andererseits doch die lautlehre der einzelnen sprachen in der luft, wenn nicht gewisse grundzüge über jenen zustand gewonnen sind. Auf den roh entworfenen fundamenten mag die einzelforschung dann ihre besondern gebäude aufführen und es einer spätern zeit überlassen, wieder mit bessernder hand zu jenen fundamenten zurückzukehren. Von solchen betrachtungen ausgehend unternahm ich als vorarbeit für die griechische lautlehre eine untersuchung

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über die aspiraten der indogermanischen sprachen, worin ich zur klarheit über das alter der aspiraten überhaupt und über die so verschiedenartigen umbildungen zu gelangen suchte, welche diese lante in den einzelnen sprachfamilien und sprachen unsres stammes erfahren haben. Ich verkenne nicht, dafs ich mich mit diesem versuch auch in solche gebiete wage, die, wie namentlich das zend und die keltischen sprachen, mir wenig vertraut sind. Ich fufse für diese ganz auf dem von andern zusammengetragenen material. Allein ganz übergehen konnte ich diese sprachen nicht ohne meinen zweck zu verfehlen, und in zweifelhafte einzelnheiten glaube ich mich nicht eingelassen zu haben. Die untersuchung ist überhaupt von der art, dafs ich öfters zu hypothesen und kühneren combinationen getrieben wurde. Allein diese wird unsere wissenschaft in fragen so allgemeiner art nicht entbehren können, und nur das darf, glaube ich, streng gefordert werden, dafs wir zwischen hypothesen und sichern schlüssen aus gegebenen thatsachen scharf unterscheiden. Ueberaus erwünscht wäre es mir, wenn ich namentlich durch das hier über die deutsche lautverschiebung gesagte eingehendere erörterungen hervorrufen sollte, da ich selbst, was ich hier gebe, für nichts anders halten kann als für andeutungen.

Die echten aspiraten sind doppellaute, welche aus einem charakterisirten stummlaute und dem hinzutretenden hauche bestehen; man hat daher mit recht gesagt, sie wären unter den consonanten was die diphthonge unter den vocalen sind. Beide arten von doppellauten gleichen sich auch darin, dafs sie wie alles zusammengesetzte - den meisten veränderungen ausgesetzt sind; bei beiden hatte der sprachgeist, der sich an der gestaltung und umwandlung der laute freut, ein reiches feld. An beiden lautarten ist die griechische sprache reich, die lateinische besonders arm; die entstehung beider ist für die deutschen sprachen ein gegenstand sehr schwieriger untersuchungen; beide fehlen der slawischen sprachfamilie fast ganz.

Wir lassen jetzt die diphthonge bei seite und beschäftigen uns nur mit den aspiraten. Die vergleichende grammatik lehrt, dafs im allgemeinen der sanskritischen media aspirata oder dem weichen hauchlaut die aspiraten der verwandten sprachen entsprecheu, ohne dafs sie daraus bisher ausdrücklich den schlufs gezogen hätte, jene weichen hauchlaute gh, dh, bh seien die älte

sten und ursprünglich einzigen hauchlaute und was ihnen in den verwandten sprachen entspräche, sei aus ihnen hervorgegangen. Die frage der priorität wurde hier wie in vielen andern fällen - und das war für den anfang ganz natürlich — unentschieden gelassen. So ganz einfach ist auch die entscheidung nicht, denn die thatsächliche übereinstimmung eines griechischen %, 0, 9 mit skr. gh, dh, bh liefse sich wohl erklären, ohne dafs wir jene griechischen lante aus den sanskritischen hervorgehen liefsen. Es sind namentlich zwei andere erklärungen denkbar. Erstlich nämlich könnte man behaupten, der griechischen tenuis aspirata gebühre als dem kräftigeren laute die priorität, die sanskritische media aspirata sei daraus abgeschwächt; eine annahme, welcher das vorhandensein wirklicher, von jenen verschiedener tenues aspiratae im sanskrit nicht widerspräche; denn das könnten nachwüchse aus einer viel späteren zeit sein. Zweitens aber könnte man glauben, die aspiraten wären alle erst in der zeit nach der sprachtrennung entstanden, und jene völker welche wie die Slawen und Letten gar keine ursprünglichen aspiraten besäfsen hätten den ältesten sprachzustand bewahrt. Die erste meinung ist meines wissens bisher nicht, die zweite neuerdings zweifelnd von Förstemann in dieser zeitschrift jahrg. I. s. 169., entschiedener von Schleicher in seiner formenlehre der kirchenslawischen sprache s. 92ff. ausgesprochen. Versuchen wir zur gewissheit zu gelangen. Als grundsatz dürfen wir dabei wohl den hinstellen, dafs jene annahme den vorzug verdient, aus welcher sich auf die einfachste und ungezwungenste weise die thatsächlichen erscheinungen erklären lassen.

J. Grimm in seiner geschichte der deutschen sprache s. 420 sagt: «reihenweise scheint die anlautende media vieler zendischer, persischer, litthauischer, slawischer und keltischer wörter mit der gothischen einzustimmen." Man könnte diese thatsache, auch abgesehen vom anlaut, dahin erweitern, dafs in den erwähnten sprachen im allgemeinen an der stelle der indischen gehauchten media die hauchlose media sich findet. Der satz, wenn auch in dieser allgemeinen fassung gerade noch nicht ausgesprochen, ist eigentlich anerkannt und bedarf keines beweises mehr; es werden daher hier einige wenige beispiele genügen:

skr. bhrâtar zend. brâtar, goth. brôthar, kirchenslaw.

altpers.

bratr", lit. brolis, irisch brathair;

skr. w. dharsh altp. darsh, goth. ga-dars, lit. drasus, irisch dasachd (fierceness, Bopp glossar);

skr. rudhira-salts. rod, kirchenslaw. r"djeti (erröthen), lit. raud-a (röthe), welsch ruaid;

skr. gharma-szend. garema, goth. [g]varmja, kirchensl. grjeti (calefacere), ir. garaim;

skr. dirgha-s goth. lang, kirchensl. dl"g", lit. ilga-s. Ich bemerke noch, dafs diese übereinstimmung in bezug auf das zend und, jedoch weniger, in bezug auf das altpersische modificationen erleidet, indem sich dort allerdings, von der hysterogenen spirans f abgesehen, zuweilen an der stelle der sanskritischen media aspirata ebenfalls media aspirata zeigt (Bopp vergl. gr. s. 36 ff.), was aber für unsere untersuchung wenig austrägt, zumal das auftreten der aspirata hier wie in den keltischen sprachen theilweise von cigenthümlichen gesetzen der lautverbindung abhängig ist. Das slawische ch ist ein spirant, der skr. sh entspricht und völlig bei seite gelassen werden kann. Ebenso wenig kümmern uns hier die mancherlei besondern veränderungen, z. b. in zischlaute, welche die erwähnten laute in den einzelnen sprachen erlitten haben. Wir halten uns an die thatsache im ganzen und da ist es klar, dafs diese der annahme ursprünglicher tenues aspiratae wenig günstig ist. Wäre der laut eine tenuis aspirata gewesen, warum sollte sich dafür in fünf, oder wenn wir slawisch und litauisch als eine zählen, in vier familien eine media finden. Das griechische allein mit seinem %, 9, 9 kann offenbar gegen dies übergewicht nicht aufkommen, es muss zurückstehen, zumal doch eben auch die sanskritische media aspirata eine media keine tenuis ist. Dazu kommt nun aber auch das lateinische. Wenigstens im inlaut schliefst sich das der nördlichen schwestersprachen in der regel an; so steht longu-s auf einer stufe mit goth. lang, slaw. dl"g", lit. ilga-s, das b in candela-bru-m ist dasselbe wie das von altp. bar, goth. baira, slaw. bero, irisch beirim, für das dh des skr. madhja-s haben wir das d von mediu-s wie im goth. midja, serb. medju, lit. widus. Ganz besonders lehrreich aber ist das verhältnifs von mihi zu tibi; die beiden endungen vermitteln sich nur durch bhi, das wir im skr. tubhjam finden und ein mibhi können wir mit gleicher sicherheit wie skr. mabhjam annehmen, folglich auch ein tibhi, woraus dann durch verlust des hauches tibi ward. Endlich findet sich im griechischen selbst bisweilen die media an der stelle der skr.

media aspirata, nämlich im inlaut, wo die sprache weicher zu sein pflegt, so in yov, ego, skr. aham statt agham gegenüber, wo freilich goth. ik auf ein hohes alter der blofsen media hinweist, in péyas, magnu-s, skr. mahat st. maghat, wo ebenfalls das gothische mikils eine störung hervorbringt, öfter in der labialen klasse z. b. in λαμβάνω (neben λάφυρον) neben skr. labh, in ouẞoo-s wenn dies, wie lat. imber, richtig mit skr. abhra-m verglichen wird. Durch diese zusammenstellungen möchte vor der hand das gewonnen sein, dafs wir den engen zusammenhang der ursprünglichen aspiraten mit den hauchlosen mediis erkennen und den gedanken an ursprüngliche tenues aspiratae aufgeben.

So

Aber wenn man eben die zeugen nur zählen wollte, könnte man nur jene thatsachen, dafs drei sprachfamilien durchgängig, eine wenigstens überwiegend im inlaut, eine bisweilen im inlaut die media statt der media aspirata haben, für das hohe alter dieses zustandes anführen, man könnte diesen zustand eben als den ursprünglichen betrachten und die entstehung der aspiraten in die zeit nach der sprachtrennung verlegen. Sehen wir zu, wohin wir mit dieser annahme kämen. Wir hätten dann ursprünglich blofs g und k, d und t, b und p. Das klingt glaubhaft. Scheint es doch, als ob auch sonst in den sprachen durch spaltung und verfeinerung gewisser einfacher laute allmählich eine gröfsere mannigfaltigkeit sich gebildet habe. Unstreitig ist das zum beispiel mit den palatalen consonanten und mancherlei zischlauten der fall. Diese haben sich sicherlich erst nach der sprachtrennung innerhalb der einzelnen sprachfamilien gebildet. Wollten wir nun ein gleiches von den aspiraten behaupten, so müfsten wir annehmen, dafs jener unterschied, welcher in historischer zeit zwischen w. dhâ und dâ, zwischen ghan und jan (statt gan), vadh und vad, labh und lab (lamb) stattfindet, ein späterer sei, dafs das lateinische b von candela-brum ama-bam wider die allgemeine analogie, dafs einfacher inlaut eher als einfacher anlaut sich verändert älter sei als nicht blofs die spirans f in fero, fui, sondern auch die echte aspirata von gr. géow, skr. bharâmi. Es wäre zufall, dafs gerade in denselben wörtern die Inder nnd die Griechen eine aspiration hätten eintreten lassen und zwar so häufig. Denn eine zählung sicherer fälle, die ich aber nicht für vollständig halten darf, liefert das ergebnifs, dafs griech. 7 in 14 wurzeln und 12 fertigen wörtern sanskritischem h oder gh, & in in 9 wurzeln und 4 fertigen wörtern, aufserdem in mehreren

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