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Urschrift Merkwürdiges und Interessantes darbietet, wollen wir hier wörtlich übersehen und dem Leser treu berichten; das andere übergehen wir, um Raum zu ersparen, mit Stillschweigen.

Johann Patreson Hain, welchem wir den ersten Bericht über die Drachenhöhle verdanken, sagt darin unter anderm (S. 257 des zten Jahrgangs):

„Jener Bauer, welcher die Drachenhöhlen `besucht, brachte dem Grafen Ladislaus das ganze Skelett eines jungen Drachen, welches sechs Ellen lang war. Er fand die Knochen dazu in der tiefsten und längsten Höhle, nicht weit von dem Karthäuserkloster, welches am Flusse Dunajez liegt; er sagte, daß daselbst eine große Menge von Knochen gefunden würden, aber sie wåren mit Steinmilch *) überzogen, welche beständig aus den Rißen der Höhle hervorquölle, und weswegen er die Knochen nicht gut herausgraben könne. Dieser Bauer verkaufte hin und wieder zerbrochene Knochen gegen die Epilepsie. Diejenigen, welche den Sommer über in den karpathischen Gebirgen ihre Schafe zur Weide treiben, versichern, daß es dort eine Höhle gebe, welche beinahe voll von Knochen sey. Alle Höhlen sind sehr tief und kalt. Man

*) Unter Steinmilch ist hier Tropfstein zu verstehen, von wel chem die Knochen beinahe aller bekannten Knochenhöhlen inkrustirt sind. Dieser quillt aber nicht aus den Felsenrizen hervor, sondern scheidet sich erst aus dem durch die Höhlenspaiten dringenden, mit kohlensaurem Kalke geschwängerten Wasser, vermöge der allmähligen Verdunstung desselben, ab,

sagt, daß das Thier bei Nacht herausginge, am Tage aber verborgen bliebe. Die Backenzähne sind oft sehr abgerieben, wie auch die Hundszähne; daraus geht hervor, daß sie oft zum Zerbeißen von Knochen gebraucht werden. Die Thiere rauben zur Nachtzeit Schafe, Ziez gen, welche hier den Sommer über bleiben, ferner Steins böcke *), Båren, wie auch alles, was in die Nähe ihrer Höhlen kommt. Man trägt sich hier mit der Fabel, daß einst ein Italiener an die Höhle gekommen sey und durch magische Künste einen Drachen herausgelockt, dann sich auf ihn gesezt habe und weit mit ihm durch die Luft gez ritten sey."

In demselben dritten Jahrgange der Miscellaneorum S. 366 u. f. giebt I. P. Hain eine Beschreibung der karpathischen Drachenhöhlen, aus welcher wir hier das Wesentlichste mittheilen wollen.

Ich überschicke hier," beginnt derselbe,,,eine genaue Beschreibung der Höhlen, in welchen die Drachen lebten, weil ich glaube, dadurch ihre Geschichte etwas mehr aufzuklären."

,,Die eine der Höhlen besuchte auf meine Bitten der Pater Wenzeslaus, jezt Rector des Gymnasiums zu

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*) Sollten damals noch Steinböcke (Capra ibex) in den Karpathen gelebt haben? Kaum läßt sich dieß vermuthen. Vielleicht ist hier unter Ibex die Gemse (Capra rupicapra) vers standen; diese kommt dort vor. Auch könnte der Ungarische Bock (Capra tatarica), welcher gleichfalls die dortigen Ges genden bewohnt, gemeint seyn. f. Oken's Naturgeschichte.

Warschau, welcher Alles meisterlich gezeichnet hat. Von einer andern gab mir ein gewisser Edelmann eine oberflächliche Beschreibung. Im Fall dieser etwas fehlen sollte, so kann ihr die Geschichte der ersten Höhle zur Ergánzung dienen; denn die eine ist der andern beinahe in jeder Hinsicht gleich. Solcher Knochenhöhlen giebt es in den karpathischen Gebirgen mehrere. Die erwähnten Beschreibungen lauten folgendermaßen :"

,,An der Grenze von Ungarn und Polen, drei Meilen von den karpathischen Gebirgen und eine Meile vom obgenannten Flusse Dunajez, nicht weit von dem Karthauserkloster, welches an demselben liegt, ist die Höhle, welche vorzugsweise die Drachenhöhle genannt wird. Hier hat die Natur unzähligen Drachen ihre Grabstätte ange= wiesen. Um zu ihr zu gelangen, muß man das Dorf Reichwald passiren; ihr Eingang ist oval und von Mannshöhe. Als wir in die Höhle hinunterstiegen, begrüßten uns unzählige Heere von Fledermåusen, die beim Anblicke des Lichtes, welches wir mit hineinnahmen, aus ihren Schlupfwinkeln getrieben waren. Als wir weiter vordrangen, eröffnete sich zur Rechten eine große Höhle; zur Linken gen Morgen entdeckten wir eine neue, jedoch schmale Deffnung. Als wir uns zuerst hieher wandten, sahen wir, daß die ganze Höhle aus lauter ungeheuer hohen und Staunen erregenden Gewölben zusammengesegt sey, und zwar so künstlich, daß kaum die Hand des geschicktesten Künstlers etwas würde hinzufügen können. Das ganze Gewölbe war mit einer schneeweißen gipsarti=

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Nun

gen Rinde bedeckt, welche sehr zart und feucht war; aus dieser tröpfelte beständig das klarste Wasser in den untern Theil der Höhle herab, welches sich an mehreren Orten in Becken sammelte und so die reinsten Wasserbehälter darbot, deren Inhalt wir auch kosteten und durchaus keinen widrigen Geschmack an ihm wahrnahmen. ftiegen wir über einen ungeheuren Haufen sehr großer Steine, welcher beinahe den ganzen untern Theil der Höhle einnahm; wegen jener`schlüpfrigen und feuchten weißen Materie aber, womit sie alle bedeckt waren, mußten wir mit der größten Vorsicht zu Werke gehen, damit wir nicht durch Ausgleiten in den Abgrund hinunterstürzten. Kaum waren wir hinüber, siehe, da stellte sich dem erstaunten Auge ein herrlicher und überraschender Unblick dar, es erhob sich nämlich zur Linken gleichsam ein königs licher Thron; lange waren wir in Ungewißheit, ob wir ein Werk menschlicher Kunst, oder ein Meisterstück der schaffenden Natur bewunderten. Auf einer geräumigen Fläche erhebt sich nämlich stufenweise cin erhabener Ort, dessen steinerne Grundfläche das Ansehen eines wogenden Meeres hat; auf dieser ruhen vier gewundene *) Sáulen von verschiedener Höhe und Dicke. Dieser Ort, obs gleich ihn jene weiße Materie auch über und über bedeckt, ist doch bei weitem trockner, als die übrigen Theile der Höhle. Jene Säulen haben das Ansehen, als bestånden fie aus grauem Alabaster, den sie jedoch an Hårte bei

*) oder vielmehr geringelte.

weitem übertreffen. Auf der abhängigen Fläche, welche jenen Thron berührt, sprengten unsere Führer mit Hacken und andern eisernen Instrumenten solche weiße Masse los; hierdurch kamen Knochen von verschiedener Größe, welche gleichsam noch mit ihrem Fett durchdrungen zu seyn schienen, zum Vorschein; sie waren noch sehr gut erhalten und nicht zerbrechlich; einige der größern nahmen wir aus Neugierde mit; unter diesen hatte ich ein Heiligenbein, welches die Gestalt eines großen Sattels hatte. Nun verließen wir diesen erhabenen Ort und fanden in der Felsenwand noch eine Deffnung, und über derselben einige dicke Stücken Fichtenholz, an welchen sich, vermöge angebundener Seile, Neugierige in den Schlund herabzuLassen pflegen, auf welche Art sie auch wieder ihren Rückweg nehmen. Dieser Schlund soll sehr tief seyn und zu einer andern Höhle, welche mit einem ähnlichen Loche versehen ist, führen; durch dieses lassen sie sich wieder herab und kommen so an den Fuß des Berges, wo się einen ziemlich bedeutenden Fluß antreffen, und, wenn ich nicht irre, nach einem langen Wegé einen engen Ausgang finden. Nun begaben wir uns noch in eine andere Höhle, in welche wir durch eine sehr, enge Deffnung hinabstiegen. Ihr inwendiger Raum war noch weit größer, als bei der vorigen; man vermißte hier aber durchaus jene gipsartige Materie. Durch das Gewölbe drang eine Menge Feuchtigkeit hervor, aus welcher sich eine beträchtliche Quelle bildete. Zur Seite bemerkten wir die Eingånge

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