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Die Bürger sahen sich hierdurch, noch mehr aber das durch, daß sie sich mit der Besaßung der Festung nicht vers tragen konnten, und wahrscheinlich auch dadurch, daß die Geistlichen dort oben auf jenem Berge als Gefangene in den Hånden der Soldaten sich ansahen, veranlaßt, auszus wandern, und zogen in die Ebene hinab, wo es fruchtbar ist und die Gewässer mehrer Flüsse zusammenfließen. Dieß geschah erst zur Zeit Richard's I. Manche Gerecht same blieben jedoch jenem alten Flecken auf dem Berge noch ankleben, namentlich das Recht, ein Mitglied ins Parliament zu senden. Selbst als die Festung später zerstört worden und völlig verschwunden war, schickte der Besiger des Grundes und Bodens im Namen dieses von einigen seiner Unterthanen bewohnten „,rotten borough" (verfallenen Fleckens) zwei Mitglieder, die er nach seinem Gefallen wählte, ins Parliament. Ich hätte gern in Salis= bury etwas Näheres über die Art und Weise dieser Wahl erfahren, allein man sagte mir nichts weiter als dieß, daß der Lord, wenn es nöthig war, die fünf oder sechs Hausbesizer, an deren Häusern noch dieses Recht klebte, den Tag vorher zusammenrief und ihnen bei Androhung seiner Ungnade und seines Zornes befahl, gewisse Herren zu wählen, die er ihnen bezeichnete. Oft auch gab er sich nicht einmal soviel Mühe. Er ließ wohl nur seinen ,,Steward" (Verwalter) heraufkommen und sprach zu ihm: Laß mir nächstens meinen Pferdestall neu an= streichen. Und dann sieh ja nach, daß die beiden Parliamentsmitglieder, welche ich haben will, richtig ge= wählt werden." Man erzählte mir auch, daß der Lord

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Camelford (ich glaube der Name ist richtig?), der Besißer und Herr von Oldfarum, einmal, als er gehört, daß man im Parliamente von den von ihm gesandten Mitglie= dern nicht sehr erbaut sei, erwidert habe,,,wenn das Parliament mit diesen, seinen Leuten nicht zufrieden sei, so wolle er ihm das nächste Mal zwei Schornsteinfeger ins Haus schicken, und er wolle dann sehen, ob sie mit diesen zufrieden sein würden." Diese Aeußerung soll erst vierzig Jahre alt sein. Das Merkwürdigste ist dabei, daß dieses berühmte oder vielmehr berüchtigte Old-Sarum nicht weniger als 400 Jahre hindurch in dem Zustande eines solchen,,rotten borough" blieb und daß also jenes alte Recht 400 Jahre hindurch, bis zu unseren reformirenden Zeiten hinab, unverán derlich an seinen Ruinen klebte. Denn schon zu Heinrich's VII. Zeiten war es,,omnino desertum" (völlig wüste), und schon vor beinahe 300 Jahren sagte Camden von diesem Orte, was man noch jest sagen kann, daß kaum hie und da noch ein Mauerrest oder ein Stück Befestigung auf dem Berge zu sehen sei.

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·Salisbury selbst scheint beinahe ganz so geblieben zu sein, wie die Bürger es damals bei ihrer Auswanderung unter Richard I. gründeten, und wie es nachher die wohlhabenden Bischöfe von Salisbury und die Herren vom Hofe, die in alten Zeiten hier oft in der Nachbarschaft residirten, spåter weiter bauten. Denn es ist eine von den wenigen englischen Städten, in denen man sich noch jest an dem Alterthümlichen und Originellen erlaben kann. Es gehört mit Chester und York in dieselbe Classe von Städten und mochte in früheren Zeiten in seiner Art sehr blühend gewesen sein, jezt aber hat es schon seit lange an

,,It is a very dull place."

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dem Aufschwunge des Landes keinen Theil mehr genommen. Es hat schon seit langer Zeit 9000 friedlichen Bürgern, ohne diese Zahl zu überschreiten, ein Obdach gewährt und zwar zum Theil sogar nur ein Obdach von Stroh. Es ist Salisbury die einzige Stadt in England, in der ich mich erinnere eine ziemliche Partie mit Stroh gedeckter Häuser gesehen zu haben. Auf dem Strohe wuchs reichlich Moos, und auch die Ziegeldächer waren zum Theil mit Moos bes deckt. Kurz, ist das alte Sarum ein völlig verfaulter (rotten) Flecken, so ist das neue Sarum wenigstens schon beschimmelt und halb verfault. Die alten Häuser sind fast alle noch so antik gebaut, wie man dieß in wenigen englischen Städten sieht, in denen gewöhnlich vor der Masse der neuen Gebäude alles Antike verschwindets Einige diefer Gebäude sollen nicht weniger als 400 Jahre alt sein. Sonst residirten, wie gesagt, die englischen Könige zuweilen in der Nähe von Salisbury in dem Schlosse Clarendon, welches in einem großen, schönen Thierparke lag. Es giebt noch einige höchst alterthümliche Wirthshäuser, in denen die Ritter der englischen Heinriche abstiegen, um sich in der Nähe des Hofes zu befinden und an den Festlichkeiten besselben Theil zu nehmen. Auch liegt nicht weit von der Stadt, zwischen Wilten und Old- Sarum, einer der berühmtesten englischen Turnierplåße. Jezt ist aber daselbst Alles verfallen und ruinirt wie bei dem RottenBorough Old-Sarum.

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Salisbury bietet daher dem Reisenden eine recht angenehme Abwechselung, obgleich die Einwohner selbst beschei den genug sind, von ihrer Stadt zu sagen:,,It is a very

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Die Kathedrale von Salisbury.

dull place" (es ist ein sehr langweiliger Ort). Es regt und bewegt sich nichts bei uns. Wir besigen keine Sammlungen, keinen Handel, keine Manufacturen und haben dem Fremden nichts zu zeigen außer unserer Kirche.“

Diese ist dafür aber auch ein kleines gothisches Bijou. Sie ist zwar nicht so gewaltig und groß wie die mächtigen gothischen Bauten von Paris, Antwerpen, Edln, Straßburg, auch nicht so groß wie die von York, Minster, Westminster und anderen in England, aber sie ist erstlich vollkommen fertig wie die Kathedrale von Freiburg im Breisgau, und dann ist sie so äußerst zierlich und elegant gebaut, und man hat ihr eine so schöne Umgebung verschafft, daß der Genuß dieses Kunstwerkes ohne allen Zweifel einer der reinsten und ungetrübtesten ist, den irgend ein solches Gebäude gewährt. Man hat hier, was bei gothischen Gebäuden nur gar zu oft vorkommt, weder die sich einmischende Geschmacklosigkeit, noch Halbheit, unvollendete Arbeit, noch eine spätere Verunstaltung oder Vernachlässigung, noch auch eine unvor= theilhafte Situation zu bedauern. Es ist das zierlichste, bis zum lehten Stein vollendete und auf die anmuthigste Weise fituirte Spißbogen-Kathedrälchen, das ich kenne.

Ich sage,,Kathedrälchen“, wenn ich an Edin denke. Denn es ist immer noch ein großes Gebäude, und die Kirche von Salisbury hat einen der höchsten Thürme von England. Ich glaube, er ist nach dem von Ely der höchste im Lande. Die Kathedrale ist nach dem Plane einès Doppelkreuzes gebaut, d. h. das Hauptschiff hat vier Neben- oder Querarme oder „transepts," wie die Engländer sie nen

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nen. Eine rohe Zeichnung des Planes stellt sich nämlich

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In England sind, wie ich glaube,'' die gothischen Doppelkreuzkirchen häufiger als in irgend einem anderen Lande. 19

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Das Gebäude ist rund umher von schönem, weitem und freiem Wiesengrunde umgeben, der mit hohen Baus men besett ist. In der Mitte dieses Grundes liegt wie auf dem Lawn eines englischen Parkes die Kathe drale. Und selbst jest um Weihnachten noch bildete das Grün des Rasens zu dem Grau der alten Steine^einen lieblichen Contrast. Der Play ist regelmäßig geformt, und rund umher liegen die Wohngebäude des Bischofs im Garten versteckt, und dann die reinlichen und sauberen Häuser der Residenten, d. h. der Pråbendarien der Kirche.

Die Kirche soll so viele Thüren haben, als es Monate im Jahre giebt, also 12, so viele Fenster, als das Jahr Lage hat, also 365, und so viele Pfeiler, Säulen und Saulchen, als es Stunden enthält, also 8766.

Sie ist im reinsten und schönsten gothischen Style ge= baut. Doch hat jedes gothische Gebäude wieder so viel besonderes Schönes und Eigenes, daß man jedem wies der seinen eigenen Styl geben möchte. Was mir an dieser Salisburyer Kirche besonders auffiel, waren zuerst die

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