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des Einzelnen nichts ist, als ein Theil eines unermeßlichen Ganzen, und daß es mithin nur verstanden, erweitert, veredelt wird im Zusammenhange des Ganzen, und in der Anerkenntniß und Benußung dieses Zusammenhanges. Weil nun das Verlangen, das Leben zu erweitern und zu erhöhen, ein unauslöschliches ist; so ist auch der Fortgang vom Besondern zum Allgemeinen wc. ein nothwendiger und unaufhaltbarer. Dies führt mich auf einen Standpunct; welcher ein erklärendes Licht auf den ganzen Gang der Cultur im Kirchlichen, Politischen, in dem Handel, den Wissenschaften 2c. zu werfen scheint. Denn es scheint das Wesen der Cultur ganz und gar zu seyn, vom Einzelnen zum Ganzen zu führen, vom Isoliren zum Verknüpfen, die Gefete des ganzen Zusammenhanges der Dinge zu erforschen, und ihnen gemåß alles Einzelne zu bestimmen und zu vergesellschaften.

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Die Cultur hat sich in Europa concentrirt, dieser westlichen Erdzunge des alten Continents; denn Nordamerika können wir nur als die Tochter des jüngern Europa ansehen. Alle, von der Cultur berührte, kirchliche Vereine sehen wir in ihrem Innern wesentlich verändert, und in einer gewissen Auflösung, entweder ihres Wesens, oder doch ihrer Formen, begriffen. Was zunächst den Katholicismus betrifft; so steht er nirgends mehr fest, sondern wankt an allen Orten. Selbst die ihm getreuesten Lånder, Spanien und Portugal, haben ihre innern Krämpfe, welche den Fall des katholischen Kirchenthums vorbereiten, so kräftig es auch noch äußerlich fortzuleben scheint. Das Wesen des Katholicismus ist das Priesterthum, oder die Hierarchie, unter dem unfehlbaren Bischoffe von Rom. Wo nun aber, wie in Spanien und

Portugal, eine Constitution ins Leben zu treten nur versucht; da ist das Priesterthum in seiner Grundfeste schon erschüttert. Denn der Charakter desselben ist das Isoliren, indem es auf dem Glauben an eine inspirirte, sich selbst ers gänzende, über alles Andere in göttlicher Auctorität unbedingt gebietende, heilige Gesellschaft beruht; der Charakter des verfassungsmåßigen Zustandes aber ist das Gemeinschaftliche, das Zusammenwirken der ganzen Gesellschaft in Haupt und Gliedern. Das letzte Streben des Priesterthums geht auf die isolirten Interessen der Priesterkaste und der übernatürlichen Lehren, auf denen ihr Ansehen ruht; das Streben der Verfassung sind die Interessen Aller, und die Verbindung derselben mit den Interessen anderer Staaten. Constitution und Priesterthum sind also Dinge, die sich eigent lich ausschließen. Weil nun der Charakter des Katholicismus das Priesterthum ist; so ist er gefährdet, wenn sich in einem Lande das Verlangen nach einer Constitution regt. Dies giebt sich auch dadurch an den Tag, daß das Priesterthum in Spanien und Portugal zu einer Partei - der apostolischen Partei geworden ist, während es vor

mals das Ganze beherrschte. In gleicher Beziehung ist der Katholicismus in seiner Wiege, in Italien, gefährdet, und nirgends thut sich sein Verfall mehr kund, als im Kirchenstaate selbst, weil es sich nirgends so, wie hier, herausstellen konnte, wie das Priesterthum sein Standesinteresse vom Nationalinteresse isolirt. Das Verlangen der Legationen, den Papst zu einem conftitutionellen Monarchen zu machen, kann vom Priesterthume nur als Wahnsinn und Empörung gegen Gott angesehen werden; es spricht aber die Unverträglichkeit der Hierarchie mit dem Zustande der Zeit aus,

und weiset auf den rechten Punct hin, nämlich daß die Besonderheit des Priesterthums der Allgemeinheit des Staatslebens weichen müsse und werde. Denn in jedem Lande steht die katholische Kirche vermittelst des Priesterthums als ein Besonderes, Isolirtes, von dem Staatsleben Getrenntes da. Die Erweiterung und Vollendung des Nationallebens fordert aber, Kirche und Staat zu vereinigen. In Franks reich ward das Priesterthum durch die Revolution zerstört. Unter der Restauration wieder hergestellt, konnte es doch keine Wurzel in der Nation finden, weil es sich, seiner Natur gemåß, von ihr isolirte, und jeht sehen wir es begriffen in der Umgestaltung zu einer französischen Nationalkirche, wodurch es mit dem Nationalleben zusammenschmelzen soll. - Dieselbe Tendenz zeigt sich im katholischen Teutschlande. Immer lockerer wird, wenn auch nicht in der Theorie, doch in der Praxis, das Band mit dem italienischen Priesterthume, und immer mehr regt sich der Gedanke einer teutschkatholischen Nationalkirche und einer Verschmelzung des Priesterthums mit dem allgemeinen Nationalleben. Dasselbe zeigt sich in den, aus den spanischen Kolonieen entstandenen, katholischen Staaten Amerika's.

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Was den Protestantismus betrifft; so hat er das isolirende Princip des Katholicismus, nämlich das Priesterthum, gleich Anfangs vernichtet, und Kirche und Staat in jedem Lande vereinigt, und damit das Volksleben zur Einheit gebracht. Wenn dermalen in der Verfassung der protestantischen Kirche Veränderungen begehrt werden; so sind zwei Forderungen wohl zu unterscheiden. Die eine geht dar auf, daß das Kirchenwesen eben so, wie das Staatswesen, : nicht von der individuellen Gewalt des Monarchen allein

abhängen, sondern von dem Monarchen und den Nationalständen zugleich bestimmt werden soll; also, daß das `kirchliche Leben, als die eine Seite des allgemeinen Volkslebens, eben so von der Gesammtheit der Nation in Haupt und Gliedern bestimmt werden soll, wie das politische Leben. Diese Forderung geht also gegen die Isolirung des Staatsund Kirchenlebens. Die andere Forderung aber, die besonders in Sachsen laut ist erhoben worden, verlangt für die Kirche eine ganz eigene Repråsentation, eine eigene Kirchenregierung, die nur im Monarchen selbst eine Anknüpfung an den Staat findet, also einen Kirchenstaat im politischen, Staate. Sie will die Kirche zu etwas Besonderem machen, und darum findet sie, außer beim geistlichen Stande selbst, nur wenig Anklang. Sie folgt dem Princip der Isolirung, während der Fortschritt des menschlichen Geschlechts auf dem Princip beruht, vom Besondern und Isolirten zu dem Algemeinen zu gehen. Man muß daher diese Forderung als eine Verirrung von der rechten Bahn ansehen.

Auch der Mahomedanismus, inwieweit er unter dem. Einflusse der europäischen Cultur steht, hat sich nicht in seiner Integrität erhalten können. Der Lehrsatz des mahomedanischen Papstthums, daß der Sultan das Oberhaupt aller rechtgläubigen Mahomedaner sey, ist zwar theoretisch nicht angegriffen, aber practisch stark erschüttert worden. Denn nicht nur haben die Staaten auf der Nordküste Afrika's diesen Grundsak zum Theile ganz ignorirt, wie Fez und Marokko, zum Theile aber nur gelten lassen, wie viel sie eben wollten, wie die Raubstaaten; sondern es hat sich auch in Aegypten eine, vom Sultane factisch unabhängige, Macht auf der Grundlage der arabischen Volksstämme erhoben,

welche in der Wirklichkeit die Oberhoheit des Sultans auf die Beherrschung des türkischen Volksstammes eingeschränkt hat. Die gänzliche Unwirksamkeit des, vom Sultane und den Ulema's gegen Mehemed Ali und Ibrahim ausgesprochenen, kirchlichen Bannes zeigt mehr, als alles, daß das mahomedanische Papstthum långst in Verfall gekommen ist, und nicht mehr zu retten steht, eben so, wie die gånzliche Kraftlosigkeit des, von den römischen Påpsten geschleuderten, Bannes gegen Luther und dessen Anhänger den Fall des christlichen Papstthums verkündigte.

Die Einheit des Papstthums in der christlichen und mahomedanischen Welt, ist aber nicht, wie es scheinen könnte, eine zum Allgemeinen führende, sondern sie ist eine isolirende. Indem sie die Welt in Gläubige und Ungläubige theilt, und die lehtern von dem Himmel nicht nur, sondern auch von dem Anspruche auf irdisches Leben und gesellschaft= liche Liebe ausschließt, und gegen dieselben einen ewigen Krieg proclamirt, zerreißt sie das allgemeine Band menschlicher Vergesellschaftung, welches die Cultur knüpfen will, und isolirt die Völker durch Haß, Vorurtheil und Parteigeist. Zugleich aber erscheint sie doch in den Kreisen der ihr zugehörigen Völker als etwas Besonderes, Fremdartiges, den Nationalintereffen der einzelnen Völker Widerstrebendes und von ihnen sich Isolirendes. So steht die katholische Geistlichkeit als eine, vom Nationalinteresse getrennte, Corporation in den katholischen Staaten, und so streitet die geistliche Macht des Sultans mit dem Nationalinteresse der maho medanischen Bevölkerung am Nil, am Euphrat, am indischen Meere. Der Gedanke, Einen Menschen zum geistlichen Oberhaupte aller wahren Kinder Gottes und aller, Gott

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