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dem daran liegt, einen großartigen Charakter des ausgehenden 15ten und beginnenden 16ten Jahrhunderts kennen zu lernen (Frundsberg ward zu Mindelheim am 24. Sept. 1443 gebohren, und starb daselbst am 20. Oct. 1528), giebt der Verf. ein mit Lebendigkeit und Wärme geschriebenes Buch in die Hand, völlig geeignet, nicht blos ein Bild von dem im Vordergrunde stehenden Helden, sondern zugleich auch von „dem teutschen Kriegshandwerke zur Zeit der Reformation" zu vermitteln. Denn diesen doppelten Zweck bes hielt durchgehends der Verf. im Auge. Er sagt (S. VII): „Gegenwärtige Arbeit will nicht den Maasstab einer regelrechten Biographie auf sich angewendet wissen, weil sie noch ein anderes Ziel sich gesteckt hat: die Darstellung des teuts schen Kriegshandwerks zur Zeit der Reformation, das in seis ner geschichtlichen Entwickelung neben Frundsberg die Her vorhebung anderer Gestalten, wie des Brüderpaares von Ems, Schårtlins u. a. verlangte. In Beziehung auf den Haupthelden, den Bildner und Vertreter des nationalen Kriegsstandes, macht sie nur das eine Gesetz der Biographie für sich geltend: der innere Zusammenhalt der Begebenheiten wird mit dem fortschreitenden Antheile des Mannes ausführlicher gegeben, und erweitert sich allmählig zu einem vollständigen Bilde des politischen Lebens der ersten Mächte des damaligen christlichen Europa's.“

Der Verf. theilt sein Werk in vier Bücher, und jedes Buch in acht Capitel. Das erste Buch schildert die Entwickelung des teutschen Kriegswesens unter Maximilian 1; die Landsknechte; die Ausbildung dieser Waffenart unter Karl 5; die Hommes - d'armes, das Muster der neuen Reiterei, und die Geschüßkunst jener Zeit. Ref. darf seinen

Lesern versichern, daß sie in diesem Buche eine gründliche und möglichst erschöpfende Zusammenstellung des Kriegswesens jener Zeit -mit vielen Belegen aus gleichzeitigen und spå

tern Schriftstellern finden, wie wir sie, noch nicht so im Detail besaßen. Im zweiten Buche stellt der Verf. die teutschen Hauptleute und den Georg von Frundsberg bis zum Kriege von Pavia (1524) dar. Das dritte Buch ist ausschließlich dem Kriege von Pavia (1525) gewiðmet, bekannt durch die Gefangennehmung des Königs Franz 1 von Frankreich vor Pavia. Im vierten Buche endlich schildert der Verf. den Frundsberg im Bauernkriege, auf seinem Zuge nach Italien und bei der Eroberung Roms.

Schon diese Nomenclatur deutet an, daß in dem vorliegenden Werke einige der wichtigsten Ereignisse aus dem dritten Jahrzehnte des sechszehnten Jahrhunderts besprochen werden: der Kampf zwischen Karl 5 und Franz 1 über das Principat und den Besik in Oberitalien, beendigt durch die Gefangenschaft des lehtern; der teutsche Bauernkrieg, und der Zug der Spanier und Teutschen gegen Rom, um die Treulosigkeit des Papstes Clemens 7 zu züchtigen. In allen drei Kämpfen erscheint Frundsberg als eine der handelnden Hauptpersonen.

Bei dem Ansehen, in welchem Frundsberg bei den Kaifern` Maximilian 1 und Karl 5 durch seine Tapferkeit und seine männliche Würde stand, darf es nicht befremden, daß er, außer den genannten drei Hauptereignissen, auch an den übrigen gleichzeitigen Håndeln lebhaften Antheil nahm. Selbst der Kirchenverbesserung war er zugethän. Er war es, der` (S. 179) zu Worms, als Luther vor dem Reichstage erschien, und eben durch die Reihen der versammelten Stände

und Herren vor das Angesicht des Kaisers zu treten im Begriffe war, ihm auf die Schultern klopfte und sprach: „Mönchlein, Mönchlein; du gehest einen Gang, dergleichen ich und mancher Oberster auch in unsrer allerernstesten Schlachtordnung nicht gethan haben. Bist du auf rechter Meinung und deiner Sache gewiß; so fahre in Gottes Namen fort; er wird dich nicht verlassen."

Sehr ausführlich schildert der Verf. den Zug nach Ita= lien, die Schlacht bei Pavia und die Einzelnheiten bei der Gefangennehmung des ritterlichen Königs Franz (S. 330 ff.). Es ist ein Schlachtgemälde voll Wahrheit, und hoher Berfinnlichung. Ref. freut sich, daß der Verf. diesen italischen für die Geschichte Teutschlands, Spaniens und Frankreichs wichtigen Feldzug so ausführlich behandelte.

Eben so hat die Schilderung des Frundsbergs im Bauernkriege die Zustimmung des Ref. Allein die politische Ansicht, welche der Verf. (S. 354 ff.) von dem Bauernkriege selbst aufstellt, kann Ref. nicht theilen, Ref. weiß, was in Zeiten großer Bewegung bei Individuen und einzelnen Volksclaffen auf die Rechnung einer allgemei= nen Aufregung zu bringen ist; er will sogar zugeben, daß ein großer Theil der damals aufgestandenen Bauern sehr gedrückt ward, und die meisten derselben, eines höhern Zweckes unbewußt, von ihren leidenschaftlichen Anführern fast blindlings mit fortgerissen wurden; allein die Unterdrückung diefes Krieges, welcher mit allgemeinen Verheerungen und mit unerfüllbaren Forderungen eröffnet worden war, hålt Ref. -für ein glückliches Ereigniß jener Zeit, und selbst für höchst folgenreich für die Kirchenverbesserung. Jedes Zeitalter, wo in kirchlicher oder politischer Hinsicht eine neue Ordnung der

Dinge beginnt, kennt, außer den Månnern, welche im Vordergrunde der Begebenheiten stehen und mit deutlichem Bewußtseyn wissen, was sie wollen, und wie weit zu gehen ist (Ref. meint namentlich Luthern zur Zeit des Bauernkrieges), eine Masse von kirchlichen oder politischen Ultra's und Demagogen, welche, durch ihr leidenschaftliches Aufwogen und Hinstreben zu einem Extreme, die gute Sache selbst verdächtigen. Dahin rechnet Ref. in jenem Zeitalter die unbesonnene Bilderstürmerei Bodenstein's, die abgeschmackten Meinungen der Storchiten, den Einfluß der meisten Prådicanten auf die untern Volksclassen, und später das ,,neue Zion“ der Wiedertäufer zu Münster, wo, im Namen der Religion, die größten Unthaten begangen wurden. Nur in der Besonnenheit und dem richtigen Tacte vieler gleich zeitigen Fürsten (Ref. erinnert beiläufig an Friedrich den Weisen, an Johann den Beständigen von Sachsen und an Philipp den Großmüthigen von Hessen) ist die Ursache zu suchen, daß diese Fürsten, durch solche drohende Gährungen und Bewegungen, welche einen ernsten politischen Charakter mit nicht zu berechnenden Folgen annahmen, der Sache der Kirchenverbesserung nicht selbst entfremdet wurden, daß sie vielmehr dieser treu blieben, während sie die aufgestandenen Massen des Pöbels besiegten. Es bleibe übrigens dahin gestellt, ob nicht damals einige Concessionen zur rechten Zeit rathsam gewesen waren; allein nachdem der Bauernaufstand durch Mittelteutschland, die Rheinländer und bis nach Thüringen sich fortgewälzt hatte, und alle innere Ordnung und Sicherheit gefährdet und theilweise verschwunden war, war gewiß der Sieg bei Frankenhausen (1525) und Thomas Múnzers Hinrichtung das einzige Rettungsmittel für Teutsch

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land. Mit Enragirten dieser Art ist auf dem Kampfplake weder zu unterhandeln, noch nachzugeben; es gilt entweder dem Siege des Extrems, oder dem Siege der rechten Mitte.

Bei dieser Ansicht von dem Bauernkriege kann daher Ref. folgende Stelle des Verfs. (S. 354) nicht unterschreiben, und überläßt es andern Kennern der Geschichte, ob sie für die Ansicht des Verfs., oder des Ref. sich erklären wollen. Der Verf. sagt: „Die grauenvollen Ereignisse in Teutschland, welche das Jahr 1525 bezeichnen, ist man herkömmlich gewöhnt unter der Benennung Bauernkrieg zu um=" fassen, da fast ausschließlich die Bewohner des offenen Lan= des mit ihrem wohlfeilen Blute eine weitverzweigte, unglückliche Unternehmung büßen mußten. Mitleidsloser, als die Opfer damals zu vielen Tausenden hingeschlachtet wurden, hat die Nachwelt und die Geschichte ihr Andenken beurtheilt, und, weil sie unterlag, eine Sache als Frevel und Aberwiß beschmåht, die, wenn ein großartiger Verstand die Flammenideen (der Bauern? Ref.) in einen Brennpunct ver einiget und ein freundliches Geschick dem Aufstreben einer sich selbst bewußt gewordenen Nation (Bodenstein, Storch, Münzer, Jan von Leyden, Knipperdolling? Ref.) gelächelt håtte, von der posaunenden Klio gewiß den erhabensten Thaten, dem kühnsten Aufschwunge des Geistes beigesellt worden wåre. (Gewiß so wenig, als der Kampf der Helioten und die Episode des Spartacus! Ref.) Aber kaum ein Zeugniß ist übrig geblieben, was jene Männer gedacht und gewollt. (Wir haben ja die 12 Artikel vom J. 1524. Ref.) Den armen Bauern war der Nacken gebrochen oder gebeugt; unter den schlichten Söhnen des Mühsals erstand kein Geschichtsschreiber; (aus dem einfachen Grunde, weil sie nicht einmal schreiben, geschweige geschichtlich denken konnten; Ref.) ihre` Pfarrherren, gezähmt, noch nach Jahren wegen ihrer Theils nahme an jener Bewegung verfolgt (sie würden auch im 19ten Jahrhunderte mit Recht abgesetzt werden; Ref.), fie wagten, nimmer einem schönen (?) Traume das Wort zu reden,

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