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Vaterland, in einem ungleich edlern Sinne, als im Mittelalter, verlangt, und Beides wird ihm, wenn es sich dieser Güter würdig zeigt, gegeben werden. Jeht ist die Zeit, wo sich unser inneres Leben sammeln und stärken soll, und deshalb soll jener flache Kosmopolitismus, wenn er in öffentlichen Angelegenheiten auftritt, zurechtgewiesen und zum Schweigen gebracht werden. Dieses sey besonders in Beziehung auf einen Gegenstand gesagt, welcher, in jeßiger Zeit, die allgemeine Aufmerksamkeit in Anspruch genommen hat, die Emancipation der Juden in Teutschland. Unsere Religion befiehlt uns, alle Menschen als Kinder eines Vaters im Himmel anzusehen, und man verbessere nach diesem Grundsahe das Loos der Juden unter uns, so weit es geschehen kann, aber man sehe dabei die unverleßlichen Pflichten gegen das Vaterland nicht aus den Augen. Die Grundlage des teutschen Staatsbürgerthums ist das christlich teutsche Nationalbewußtseyn, ein Element, welches dem Juden, als folchem, fremd ist, und, so lange er Jude ist, fremd bleibt. Wie kann also ein Jude ein teutscher Staatsbürger werden, oder nur als ein solcher gedacht werden? Wir glauben es gern, daß sich unter den Juden, wie unter allen andern Menschen, rechtliche Glieder befinden; aber darin können wir wahrhaftig keinen Grund finden, diese, als Volk betrachtet, doch verdorbene Menschenclasse als teutsche Bürger uns gleich zu stellen. Unmöglich haben diejenigen Männer, welche mit dieser unreiflichen Anforderung auftreten, bedacht, wohin es führen wird, wenn die Juden auf die innere Bildung des teutschen Lebens einen Einfluß gewinnen follten. Jeder Teutsche, dem das reine Ideal des christlich-teutschen Nationallebens das Höchste ist, kann nur mit Widerwillen hieran denken, und muß es als eine unverzeihliche Schuld gegen das Vaterland betrachten, wenn teutsche Staaten sich bereits dazu verstanden haben, oder noch dazu verstehen sollten, den Juden mit ihren übrigen Unterthanen gleiche bürgerliche Rechte zu gewähren.

Neueste Literatur der Geschichte und Staatskunst.

Die Ministerverantwortlichkeit in constitutio nellen Monarchieen. Monographie eines alten Geschäftsmannes. Leipzig, 1833, Köhler. XIV u. 280 S. gr. 8. (1 Thlr. 12 Gr.)

Einverstanden sind wohl alle Publicisten und Politiker darüber, theils daß in constitutionellen Staaten die Ministerverantwortlichkeit zu den Lebensfragen des constitutionellen Systems, theils aber auch zu den schwierigsten Aufgaben des constitutionellen Staatsrechts und der Politik gehöre. Besteht gleich die Thatsache dieser Vekantwortlichkeit in Großbritannien seit Jahrhunderten (man erinnere sich nur an die Stellung und die Schicksale der Minister unter Jacob 1 und Karl 1); so beruht sie doch in diesem Reiche, wie die Verfassung selbst, auf keiner förmlichen und bestimmten Gesetzgebung. Von England ging der Begriff dieser Verantwortlichkeit auf Frankreich und von da auf die übrigen constitutionellen Staaten über. Allein in der Wirklichkeit des constitutionellen Staatslebens findet sich nur ein einziges hochwichtiges Beispiel dafür: der Proceß gegen das Ministerium Polignac im December 1830.

Inwiefern nun diese Verantwortlichkeit in constitutionellen Staaten die lehte Schuhwehr gegen die Ausschreitun gen der Willkühr und Bureaukratie bleibt, obgleich in der edlen und rechtlichen Gesinnung der höchsten Staat3

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beamten die sicherste Gewähr gegen solche Ausschreitungen gesucht werden muß; insofern ist auch ein Werk, das diesen Gegenstand behandelt, von hohem Interesse, und nament lich in einer Zeit, wo der Anfang, Gang und die Entscheis dung des Processes gegen das Ministerium Polignac noch so nahe liegt. Nie hätte es aber zu diesem Extreme kom men können, wenn der, gegen die Willkühr und bureaukra tische Eigenmacht dieses Ministeriums, lang verhaltene Haß von diesem nur geahnet worden wäre. Denn dieser lang verschlossene Groll war es, welcher das Ministerium Po lignac von seiner Höhe an der Spike eines Staates von 32 Millionen Menschen in die Gefängnisse zu Ham schleus derte, seine Mitglieder mit dem bürgerlichen Tode belegte, und sie beinahe unter die Guillotine gebracht håtte *).

Eine solche schaudervolle Erfahrung aus der Mitzeit mußte nothwendig das Nachdenken auf den hochwichtigen Gegenstand richten, welchen die vorliegende Schrift behan: delt. Der Verf., der sich einen,,alten Geschäftsmann" nennt, las alles, was auf diesen Gegenstand in der neuern Literatur sich bezieht; allein er fand blos Bruchstücke und kein Ganzes. Er versuchte daher, als der Erste, den Gegen*) Rec. machte auf seinen Reisen mehrere Erfahrungen eines ähne lichen Hasses. So traf er vor nicht langer Zeit in einem Gasthause des südlichen Teutschlands mit einem, an sich besonnenen und ruhigen, Manne zusammen, der Mitglied einer zweiten stån 'dischen Kammer war, und mit ihm vor der table d'hote auf und nieder ging. Das Gespräch kam auf einen abgetretenen Minister. Mit ganz veränderten - fast nicht mehr kenntlichen Gesichtszügen erklärte der Fremde dem Rec.: „Den habe ich auch mit gestürzt!" Dem Rec. war eine solche Spur von Erbitterung bis dahin nicht vorgekommen!

Jahrb. 6r Jahrg. X.

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stand theoretisch zu begründen, und sodann ihn practisch, d. h. aus den Gefeßgebungen der neuern constitutionellen Staaten, nachzuweisen. „Ich strebte dahin,“ sagt er im Vorworte, dem Ganzen und seinen Theilen eine historische Unterlage, theils durch Anführung der geschichtlichen Erfahrungen bei einzelnen Säßen, theils aber und vorzüglich durch die, der theoretischen Abhandlung des Gegenstandes nachgesezte, Darstellung dessen zu geben, was in den einzelnen constitutionellen ́Monarchieen Europa's darüber bestimmt ist. Dabei beabsichtigte ich zugleich, die geschichtliche Entstehung und Fortbildung des Instituts im Allgemeinen sowohl, als in den einzelnen Staaten Europa's insbesondere, so wie die Fortpflanzung desselben von einem Staate in den andern darzulegen.”

Sein Werk zerfällt daher in zwei Haupttheile, von welchen Ref. den ersten den theoretischen, den zweiten den practischen nennen möchte. Denn in dem ersten stellt er die, freilich theilweise nur aus der Erfahrung abzuleitende, staatsrechtliche Theorie dieser Verantwortlichkeit auf, worauf er in dem zweiten eine Vergleichung der einzelnen Verfassungen der europäischen constitutionellen Monarchieen mit den aufgestellten Grundsätzen, und zugleich einen Commentar der auf diesen Gegenstand sich beziehenden Stellen dieser Verfassungen versucht.

Bei der Wichtigkeit des Gegenstandes, und bei dem Reichthume des Stoffes, der in diesem gelehrten Werke verarbeitet worden ist, kann eine kurze Anzeige desselben, wie sie für die Jahrbücher" sich eignet, der schweren Aufgabe keinesweges genügen; allzin versichern darf Ref., daß das vorliegende Werk, als der erste Versuch, eine der

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schwierigsten staatsrechtlich- politischen Aufgaben zu lösen, alle gerechte Forderungen erfüllt, die man an dasselbe machen kann, weil bis jetzt noch nirgends dieser Gegenstand so ums schließend und erschöpfend behandelt ward, als hier. Viel leicht wird aber eben dieses Werk die Veranlassung, daß mehrere staatsrechtliche Schriftsteller denselben Gegenstand be arbeiten, und ihm vielleicht noch andere Seiten abgewinnen, als der Verfasser. Immer, aber werden sie auf dem hier gelegten Grunde fortbauen müssen, weil die reichhaltige Literatur in diesem Werke es verbürgt, daß dem Verf. bei seiner Arbeit höchstens nur Einzelnes entgangen seyn dürfte.

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Der Verf. geht, um den rechtlichen Begriff der Ministerverantwortlichkeit auszumitteln, von der Unverantwort: lichkeit und Unantastbarkeit des Monarchen aus, weil die Geschichte aller Zeiten lehrt, daß, sobald eine Nation es versucht, den König selbst über seine Handlungen zur Rechenschaft zu ziehen, die blutigsten Revolutionen die Folge einer solchen Maasregel waren. Um nun- sagt der Verf. S. 6 f. dies einerseits abzuwenden; andererseits ‘jene Unantastbarkeit des Monarchen nicht in eine Berechtigung zur Verlehung der Constitution und zum Despotismus ausarten zu lassen; dritterseits die Kraft der, dem Monarchen übertragenen, höchsten Gewalt nicht zu lähmen, bleibt nur das Mittel: daß in der, vom Monarchen eidlich zu versichern= den, Verfassung ihm zur Pflicht gemacht werde, sich bei allen Regierungshandlungen der Mitwirkung und Zustimmung derjenigen Staatsbeamten zu bedienen, die er selbst für die tüchtigsten in dieser Hinsicht erachtet, und die, vermöge ihrer Stellung, stets um ihn sind; daß aber auch diese Staatsbeamten, die Minister, für die mit ihrer Zu

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