Page images
PDF
EPUB

der stil, welchen die allit. metra zeigen, sei aller wahrscheinlichkeit nach zur zeit ihrer abfassung als die reinste und korrekteste form der sprache betrachtet worden. Fast möchte man glauben, Conybeare habe selbst keinen festen glauben zu der richtigkeit dieser annalime gehabt, durch welche er den stil der allit. mętra in ein günstiges licht zu stellen bemüht war; vielleicht hat ihn nur das bedürfniss zu ihr getrieben, Ælfred's dichtung zu rechtfertigen. Wie leicht seine ansicht zu der unseren hätte umschlagen können, beweist ein satz, den wir in seiner zurückweisung der behauptung Hickes' (s. 164) und Wanley's finden, dass ursprünglich die diktion der poesie einfach gewesen, und dass sie erst allmählich zu der fülle von umschreibungen gekommen sei, welche dem 'Dänischsächsischen' zugeschrieben wurde:

'When an author, from the nature of his subject, (as Alfred in his version of the moral and philosophical poetry of Boethius) or from his incapacity for anything better, writes in a style little elevated above the ordinary tenour of prose, they select him as one of the springheads of the "pure well of Saxon undefiled".' 1

Aus welchem grunde nahm dann Elfred eine poetische überarbeitung desselben stoffes vor, den er in prosa bearbeitet hatte, wenn ihn eine reifliche erwägung zu dem ergebnisse kommen liess, dass er den stil wählen musste, der sich dem prosaischen näherte, der sich also nicht zu einer poetischen übertragung eignete, und den auch Conybeare in eine linie stellen musste mit dem stile, der zustande kommt, wenn einer zu dichten beginnt, der keine fähigkeit dazu besitzt? Sein philosophisches genie hätte dann Ælfred zu dem ergebnisse geführt, es sei nicht geraten, eine umsetzung in verse vorzunehmen, oder es wäre vielmehr gar kein grund einzusehen, wie der plan zu einer solchen hätte entstehen können.

Dass auch nach Wright's beurteilung der alte standpunkt nicht verlassen wurde, bezeugt ausser dem urteile Tupper's (s. 150) dasjenige, welches Fox fällt, der an Sharon Turner und Rawlinson anknüpfend deren fehler aufnimmt und, wie nicht anders zu erwarten, das urteil abgibt, die allit. metra seien ein denkmal königlichen fleisses und ein treffliches beispiel angelsächsischer poesie.

1 Illustrations s. 185.

2 Anmerkung 66.

Durch die untersuchung, welche wir angestellt haben, sind wir in jeder hinsicht auf schwierigkeiten gestossen, Aelfred als verfasser der allit. metra beizubehalten. Wir bedürfen gar nicht der wenigen stellen. an denen sich irrtümer zeigten. Mit voller sicherheit waren deren nur zwei (metrum 26, IV 3) gegen Alfred's autorschaft anzuführen, allein über dieselben. vermögen wir bei aller mühe, die wir uns geben, sie zu überbrücken, nicht hinwegzukommen. ten Brink sagt zwar in seiner kurzen besprechung der allit. metra: 'die missverständnisse der englischen prosa, die man dem dichter zur last gelegt hat, lösen sich bei genauerer prüfung in einer weise auf, die auf den dichter sogar ein günstigeres licht wirft, als auf den prosaiker', allein so lange er diese günstige auflösung nicht gegeben, lässt sich mit der behauptung nichts anfangen. Wenn hieran ten Brink die worte schliesst, dies sei 'ein resultat das billige erwartung übertrifft, wenn man bedenkt, dass Alfred einen teil der mit Asser's hilfe angefertigten übersetzung höchst wahrscheinlich ohne solche beihilfe in rhythmische form brachte', so fragt man sich vergeblich, was Asser hierbei hätte helfen sollen. Der verfasser der allit. metra, also nach ten Brink Elfred, nahm ja nur die prosaübersetzung zur hand, und was in dieser stand, was er damals geschrieben hatte, musste Elfred doch verständlich sein auch ohne Asser's hilfe. Selbst wenn man die letztere sich noch weiter erstrecken liesse, als über eine beseitigung der schwierigkeiten des lateinischen textes bei der ersten lektüre des Boetius worauf nichts hinweist gar - wenn man annähme, Alfred sei durch Asser's belehrung in den stand gesetzt worden, einen teil der erläuterungen auf den verschiedensten gebieten zu geben, durch welche er wesentlich das verständniss von Boetius' schrift seinem volke ermöglichte, so wäre doch nicht abzusehen, wie Alfred bei seiner poetischen umsetzung dazu hätte kommen sollen, seine worte falsch aufzufassen oder etwas irrtümlich darzustellen, was er in der prosaischen bearbeitung richtig gegeben hatte.

[ocr errors]

-

Abgesehen von jenen zwei stellen fanden wir und dies ist das wesentliche die verschiedenheit der auffassung durch die widergabe des gesammten werkes bezeugt, durch den pedantischen geist, den wir in den vorgenommenen prosaischen erweiterungen erkennen, und für die weder alliteration (s. 155 f.)

Geschichte der englischen literatur I 101.

noch etwaige ungeeigentheit des stoffes (s. 158 f.) eine erklärung liefern können. Wenn wir sehen, dass in Elfred's übersetzungen ein verschiedenes verfahren beobachtet ist, so kann dies gar nicht dafür geltend gemacht werden, dass uns aus der prosaischen und poetischen bearbeitung des Boetius von demselben verfasser verschiedene züge entgegentreten; denn wir haben hier denselben stoff vor uns. Eine verschiedenheit verlangen wir allerdings, aber welcher art dieselbe sein müsste, haben wir bei der prüfung von ten Brink's behauptung gesehen, dass möglichst enger anschluss nur zu erwarten sei (s. 153 f.). Was Elfred zum dichter befähigte, alles was die poesie seiner prosa erzeugte, wäre in seiner poetischen übertragung nicht hervorgetreten; sein verständniss für den inhalt sollte in seiner dichtung in einer ausdeutung seiner worte von sehr zweifelhaftem werte bestehen und nicht, wie in der prosa, durch anschauliche weiterführung der gedanken bezeugt werden.

Nehmen wir einen anderen als verfasser der allit. metra an, so werden der zweck des werkes und das in ihm beobachtete verfahren verständlich, findet alles aufs beste seine erklärung. Wir brauchen dem unbekannten verfasser der allit. metra gar nicht alle die fehler aufzubürden, welche Elfred als autor der sogenannten poetischen fassung übernehmen müsste. Jener behandelte den stoff zum ersten male, dem er allerdings nicht gewachsen war; er vermochte nicht, dem, was ihm in Alfred's prosa geboten war, etwas neues hinzuzufügen, seine tätigkeit, sein interesse war völlig in anspruch genommen, wenn er das ihm vorliegende zu verarbeiten suchte, und so sehen wir deutlich, wie er hinter dem gedankenlaufe Alfred's zurückbleibt, wie er bei dem redlichen bestreben, den inhalt uns klarer und in schönerer form zu bieten, verunglückt. Doch auch einen moralischen vorwurf müssen wir gegen ihn erheben, und hierdurch wird eine früher (s. 135) offen gelassene frage beantwortet. Um seinem werke eine empfehlung auf den weg zu geben, stellte er es allerdings ungeschickt genug durch das vorwort in versen unter Ælfred's autorschaft. Dieses war also das ursprüngliche, und auf grund desselben finden. wir in dem prosaischen vorworte die angabe, welche Alfred die allit. metra zuschreibt. Das verhältniss ist also umgekehrt, als Wright und Conybeare annahmen. Darüber, wer der verfasser der allit. metra gewesen sei, haben wir nicht den ge

ringsten anhalt, etwas zu sagen, aus seinem werke können wir es nicht erschliessen; vielleicht war es ein mönch, der Elfred's bearbeitung des Boetius abzuschreiben hatte.

Wenn es je erlaubt ist, aus der verschiedenheit des geistes, der aus zwei werken spricht, einen schluss auf die verschiedenheit ihrer verfasser zu ziehen, wenn wir uns getrauen, einen schriftsteller aus seinem werke zu erkennen, so müssen wir Elfred die allit. metra absprechen, dürfen wir ihm nur noch die prosaische bearbeitung zuweisen, durch welche er uns ein gutes stück seines geistes hinterlassen, durch die er der sprache seines volkes den gleichen dienst geleistet hat, wie Lessing der deutschen durch seinen Laokoon. Lessing müssen wir es danken, dass er den Laokoon nicht französisch schrieb, wie er ursprünglich beabsichtigte, da er die deutsche sprache noch nicht für befähigt hielt, seine gedanken vollkommen zum ausdrucke zu bringen. Wie er durch dies werk das deutsche dazu erst geschickt machte, so ermöglichte es Elfred, dass das Angelsächsische in den stand gesetzt wurde, die gedanken des römischen philosophen widerzugeben. Um Elfred's Boetius die gerechte beurteilung widerfahren zu lassen, muss man nicht nur in berücksichtigung ziehen, für wen er schrieb, dass er, um seinen Angelsachsen das volle verständniss zu eröffnen, zu erweiterungen und erläuterungen greifen musste, welche sich Boetius ersparen konnte, sondern man muss vor allem auch der schwierigkeiten gedenken, welche in der angelsächsischen sprache selbst lagen. Es ist allerdings nicht zu verkennen, dass Alfred's bearbeitung hinter dem lateinischen werke zurücksteht, aber dies kann seinem verdienste nichts abbrechen; ebenso sicher ist es, dass er durch die art, wie er Boetius' schrift widergab, den zweck, sein volk durch sie zu bilden, besser erreichte, als es durch eine genaue übersetzung geschehen wäre. Auch für uns ist eine so selbständige übertragung von weit höherem werte, da in ihr der geist des grossen englischen königs lebt, da sie uns einen einblick in sein wissen und in seine neigungen gewährt. Zu all dem vermöchten die allit. metra nichts neues hinzuzufügen, wir brauchen es also nicht zu bedauern, dass wir uns gezwungen sehen, Alfred dieselben abzusprechen.

Lazarus: Leben der seele, 2. auflage III 149.

170

LEICHT, DIE ALLITER. METRA DES BOETIUS.

INHALT.

Einleitung

Entstehungszeit der prosaischen und poetischen bearbeitung
Verhältniss der alliterierenden metra zum lateinischen werke und

zur prosaübersetzung

Aus welchem grunde sind einige stücke nicht versifiziert
Das allit. vorwort und die historische einleitung

Beispiele für das in den allit. metren beobachtete verfahren.
Betrachtung der einzelnen metra..

Scite

126

12、

131

131

134

136

139

153

156

157

160

163

167

A. LEICHT.

Ursache des genauen anschlusses in den allit. metren
Einfluss der poetischen form auf die widergabe des inhaltes
Brauchbarkeit des inhaltes der metra zur übertragung in ags. verse
Die verskunst der allit. metra. .

Ueber die beurteilung, welche die poetische bearbeitung gefunden
Schluss

LEIPZIG.

« PreviousContinue »