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mit der beweisführung von Charitius nicht einverstanden erklären kann, so unternehme ich eine nochmalige untersuchung des gedichtes.

Vor allem muss ich Charitius den vorwurf machen, dass er die abhandlung Dietrich's 'Commentatio de Cynewulfi poetae aetate' vollständig übersehen hat. Dies zeigt sich aus der stelle s. 266, wo er sagt: 'Rieger nimmt nun, was vor ihm schon Dietrich (Haupt's Zs. IX, 213) und kürzlich B. ten Brink (Geschichte der engl. Literatur I, 73) ohne angabe von gründen behaupteten, diese beiden Gûðlâclegenden für Cynewulf in anspruch'. Allerdings spricht Dietrich a. a. o,, ohne gründe anzugeben, die ansicht aus, dass er Guðlâc dem Cynewulf zuschreiben möchte; doch er fügt hinzu, dass er später die stützpunkte hierfür folgen lassen werde. Und dies hat er in der eben genannten schrift getan. Da Charitius die schrift nicht kannte, so erklärt es sich auch, wie er auf derselben seite über Rieger sagen konnte: 'Nebenbei behauptet er in einer anmerkung s. 325 und 326 (Zacher's Zs. I), dass auch die beiden zusammengeschobenen legenden vom hl. Gûdlâc nur einem verfasser zuzuteilen seien und begründet diese ansicht durch zwei in beiden stücken vorkommende versanklänge'. Rieger will mit diesen beiden stellen allein nichts beweisen, sondern durch sie nur die belege Dietrich's (Commentatio de Cynewulfi poetae etc.) vermehren, den von diesem gelehrten geführten beweis also verstärken.

Doch verschiebe ich eine weitere kritik der arbeit von Charitius auf die geeigneten stellen in meiner eigenen untersuchung. Bevor ich aber an diese selbst herantrete, habe ich zu der frage nach der authenticität der übrigen, Cynewulf zugeschriebenen werke stellung zu nehmen.

Von vornherein steht fest, dass die drei werke: Crist, Juliana und Elene von Cynewulf gedichtet sind, denn in denselben hat er uns seinen namen in runenenzeichen überliefert, sich dadurch also als verfasser zu erkennen gegeben. In dem programm Quae de se ipso Cynewulfus poeta Anglosaxonicus tradiderit, Halle 1857' hat Leo den nachweis geführt, dass in dem ersten der im Cod. Exon. enthaltenen 89 rätsel der name Cynewulf ausgedrückt werde und dasselbe somit von diesem verfasst sei. Eine untersuchung der übrigen rätsel unternahm Dietrich und bewies in Haupt's Zs. XII, 448 ff. mit schlagen

den gründen, dass rätsel 1-60 diesen dichter zum verfasser haben; dass auch die rätsel 61-89 von Cynewulf herrühren, vermochte er nicht mit derselben strenge zu erweisen, doch machte er auf zahlreiche übereinstimmungen zwischen beiden gruppen aufmerksam, die solches als höchst wahrscheinlich hinstellen. Ein anderes werk, welches Dietrich diesem dichter zuschreibt, ist das gedicht vom hl. kreuz. Seiner ansicht, die er in der abhandlung 'Disputatio de Cruce Ruthwellensi etc., Marburg 1865 dargelegt hat, trat Wülcker Anglia I, 501 entgegen. Die beweisstellen, die Dietrich a. a. o. anführt, hat B. ten Brink im Anz. f. d. Altertum 1879 s. 64 vermehrt, besonders aber die einwürfe Wülcker's widerlegt.

Fritzsche, der in seinem aufsatze 'Das angelsächsische gedicht Andreas und Cynewulf' Anglia II, 441 ff. die vision vom kreuz beiläufig erwähnt, setzt das gedicht später als Cynewulf. Da er jedoch diese ansicht nicht näher begründet, auch keine kenntniss von dem erwähnten artikel ten Brink's verrät, vermag er meinen glauben an Cynewulf's autorschaft dieser dichtung nicht zu erschüttern.

SO

Wider war es Dietrich, der in dem schon genannten programme 'Commentatio etc.' Cynewulf als verfasser des Phönix, des Andreas und des sogenannten Physiologus hinstellte. Das letztgenannte gedicht anlangend, entbehrt Dietrich's annahme jedes zwingenden beweises. In bezug auf den Phönix hat in jüngster zeit Gäbler (Anglia III, 484 ff.), dem die beweisführung Dietrich's nicht genügte, die frage vom neuen untersucht und das resultat Dietrich's über jeden zweifel erhoben.

Dagegen hat Fritzsche Anglia II, 441 ff. den Andreas einem anderen dichter, einem nachahmer oder schüler Cynewulf's, zugeschrieben. Seine untersuchung aber beschäftigt sich zu wenig mit den phrasen und wortverbindungen. Was sie über den wortschatz bringt, ist höchst unvollständig; denn weshalb werden. neben den wörtern, die sich im Andreas und nicht bei Cynewulf finden, nicht auch solche angeführt, die Cynewulf und Andreas eigentümlich sind, aber sonst nicht vorkommen? Da mir neben den übereinstimmungen, die schon Dietrich a. a. o. verzeichnet hat, noch verschiedene andere aufgestossen sind, die gelegentlich in meiner arbeit bemerkt werden sollen, und die Fritzsche nicht berücksichtigt hat, so kann ich mich mit dem von ihm erreichten resultate nicht einverstanden erklären.

Andererseits bin ich aber auch von der beweisführung Dietrich's nicht gänzlich überzeugt, so dass Andreas mir nur als ein wahrscheinlich von Cynewulf herrührendes gedicht gilt.

Als weitere werke Cynewulf's werden das Reimlied und die Höllenfahrt Christi bezeichnet. Neben Dietrich, der in Haupt's Zs. IX, 213 diese beiden, jedoch ohne weitere gründe anzugeben, unserm dichter zuschreibt, vertritt diese ansicht noch Grein. Germania X, 305 sagt er: 'Dass das ags. Reimlied den dichter Cynewulf zum verfasser hat, setzt die überaus nahe verwantschaft des inhalts mit dem des epilogs zu Cynewulf's Elene ausser zweifel', und in der einleitung zu seiner Angelsächs. grammatik (zum drucke befördert von Wülcker 1880) s. 12 glaubt er, dass es von Cynewulf im hohen alter gedichtet und wol sein eigentlicher schwanengesang sei. Wenn auch der inhalt des Reimliedes grosse übereinstimmung mit dem des epilogs zur Elene zeigt, so müssen wir es doch schon der form wegen, wie es ganz richtig von Rieger a. a. o. s. 321 und ten Brink, Literaturgesch. s. 108 f. geschehen ist, später als Cynewulf setzen. Wäre es von ihm verfasst, so würden wir sicherlich in seinen übrigen, wenigstens in seinen späteren, werken eine grössere anwendung des reimes im vergleich zum Reimliede, das sich fast nur in reimen bewegt, finden müssen als es tatsächlich der fall ist. Dagegen möchte ich, wenn auch nicht als sicher, da noch eine genauere untersuchung fehlt, so doch als wahrscheinlich von Cynewulf verfasst das gedicht über die höllenfahrt Christi hinstellen, über das Grein a. a. o. s. 13 richtig bemerkt: 'Es behandelt die im Christ nur vorübergehend angedeutete ankunft des himmelskönigs in der unterwelt am auferstehungsmorgen. Vielleicht bildete dieses lied ursprünglich einen integrierenden teil des Crist (vor v. 558)'.

Schliesslich hält noch Rieger in Zacher's Zs. I, 322 ff. für erzeugnisse unseres dichters: Wanderer, Seefahrer, Bî monna cræftum, Bi monna wyrdum und Versus Gnomici des Cod. Exon. (Grein II, 339--345). Seine beweisführung hat jedoch nichts überzeugendes, obwol Grein und Sweet seine ansicht teilen. Beide gelehrte, Grein a. a. o. s. 13 und Sweet im 'Sketch of the History of Anglo-Saxon Poetry' (bei Warton The History of English Poetry 1871 II, 16), fügen der liste noch einige andere gedichte hinzu, wie Bi Dômes Dage, Bi Monna Môde, Ruine, Reden der Seele an den Leichnam, Wunder der Schöpfung.

Doch unterlassen es beide, für ihre behauptungen gründe anzuführen.

Somit sehe ich als sichere werke Cynewulf's an: Rätsel 1-60, Juliana, Crist, Elene, Kreuz und Phönix: als wahrscheinlich von ihm verfasste betrachte ich: Rätsel 61-89, Andreas und Höllenfahrt.

Im meiner untersuchung werde ich zur vergleichung in erster linie jedoch nur die drei von vornherein sicheren werke, Juliana, Crist und Elene, erst in zweiter oder dritter die übrigen eben genannten heranziehen.

Die gesichtspunkte, von denen unsere betrachtung ausgeht, sind folgende: I. metrik, II. wortschatz und phraseologie III. charakteristische stellen, IV. composition und verhältniss zur quelle.

Wie schon Fritzsche a. a. o. s. 461 der früheren ansicht gegenüber bemerkt hat, zeigt das altengl. gedicht bereits von v. 501 ab eine benutzung der lat. vorlage. Damit zerfällt der altengl. Gûðlâc zunächst in zwei teile: 1. v. 1–500, 2. v. 501 bis schluss. Der letztere lässt wider eine teilung zu; denn es ist deutlich erkennbar, dass mit v. 790 eine erzählung, schilderung zu ende geführt wird und dass mit dem folgenden verse eine neue beginnt. Es ergeben sich daher drei abschnitte: 1. G I = v. 1–500, 2. G II = v. 501-790, 3. G III = v. 791 bis schluss.

I. Metrik.

Charitius entnimmt die gesichtspunkte für seine metrische untersuchung dem aufsatze von Horn (Paul und Braune, Beiträge V, 164 ff.), Ueber die metrik des Heliand. Er stellt zunächst die halbverse mit nur einem stabwort zusammen, wobei er die fälle, wo dasselbe von einem compositum (doppelstabwort), und die, wo es von einem simplex gebildet wird, unter

'Der verfasser sagt s. 172: 'Das ganze gebäude der alliteration durchdringt das gesetz, den ersten stab (d. h. hebung, er nimmt vier stäbe für den vers an) der langzeile alliteriren zn lassen', und fügt hinzu, dass Rieger dies in seiner 'Alt- und angelsächsischen verskunst' gezeigt habe. Mir ist es nicht möglich gewesen, bei Rieger diese ansicht, geschweige denn den beweis für dieselbe zu entdecken; im gegenteil sagt er a. a. o. s. 4: im ersten halbverse kann die erste hebung ohne die zweite und die zweite ohne die erste alliterieren.

scheidet, da er nicht glaube, dass sie in ihrer bedeutung im verse mit den nichtcomponierten wörtern gleichzustellen seien'. Die nichtcomposita teilt er wider in a) einsilbige, b) mehrsilbige. Eine nachprüfung der berechnung des Charitius vorzunehmen darf ich mir wol ersparen, da der aufsatz von Horn, auf den sich jener bezieht, voll von unklarheiten, widersprüchen und willkürlichen annahmen ist. Es ergibt sich nach ihm für die folgenden dichtungen GA (= GI + G II), G B (= G III), Juliana, Crist und Elene folgendes resultat:

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In der anwendung der composita als doppelstabwörter im ersten hv. stehen die fünf gedichte einander ziemlich gleich; während aber G B, Juliana, Crist, Elene im zweiten hv. eine geringere anzahl von compositis haben als im ersten, hat GA eine grössere. Dann weist GA im 2. hv. 4,43 % nichtcomponierter stabwörter auf, während die übrigen nur zwischen 1 und 2o haben. Im 1. hv. hat GA 24,15 % nichtcomp. stabwörter, Juliana 17,96%, Crist 15,4%, Elene 13,1 % und G B nur 6,04 %. Hier steht GB den übrigen bedeutend nach, ebenso verwendet es zweisilbige 2,84 %, dagegen GA 16,3%, Juliana 12,06 %, Crist 10,9%, Elene 8,7%. Das endresultat ist, dass zwischen G A und G B der grösste abstand liegt, Juliana, Crist und Elene treten zwischen beide. An zweiter stelle untersucht Charitius, wie viel halbverse in den genannten fünf dichtungen aus einem stabwort einer stabformel (d. h. einem durch determinierenden zusatz erweiterten stabwort) bestehen. Fast immer steht in solcher verbindung die stabformel am schlusse der halbzeile. Nur diesen fall berücksichtigt Ch. in der tabelle (s. 280 ff.), welche die resultate seiner untersuchung in ansatzzahlen auf 1000 verse ausdrückt. Ich begnüge mich damit, die summe dieser zahlen für die einzelnen gedichte anzugeben: GA 21,52; Juliana 28,77; Elene 40,18; Crist 58,17; GB 60,38. Auch hier sind GA und GB am weitesten von einander entfernt, während die übrigen gedichte in der mitte stehen. Charitius legt grosses gewicht auf die tatsache, dass im GA die stabformeln fehlen, die aus einem adjectiv oder particip mit zusatz bestehen. Ich sehe nicht ein, wie gerade diese für Cynewulf bezeichnend sein sollen, da sie in den sicheren werken nicht besonders zahlreich vorkommen, so in Juliana 3 auf 731, im Crist 15 auf 1694, in Elene 7 auf 1321, dagegen § in GB auf 563 versen. Im ganzen aber berechtigen die von Charitius beobachteten erscheinungen nicht zu der folgerung, die er daraus herleiten möchte. Zwängen sie uns nämlich wirklich dazu, GA Cynewulf abzusprechen, so würden sie uns consequenter weise auch dazu nötigen, GB gleichfalls für das werk eines anderen dichters zu erklären. Denn in den meisten fällen ist der abstand zwischen GA und Juliana nicht grösser, als der zwischen GB und Elene oder Crist, ja in cinem falle, bei den hv. mit nichtcomp. zweisilbigen stabwörtern, steht GB weiter ab von Crist und Elene als GA von Juliana. In der anzahl der ersten hv., in denen die stabformel aus einem adjectiv oder particip mit determinierendem zusatze, und in der der zweiten hv., in denen der zweite teil der stabformel aus einem verb besteht,

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