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245

Daß sie willig ihm zu Dienste kämen.
Der sechste wußte ihm viel zu nügen;
Er lehrt' ihn zu Gerichte sizen

Und lehrt ihn, wie er das erdächte,
Daß er von dem Unrechten

Scheiden möchte das Rechte,

250 Wie er nach Landrecht schlichten könnte
Die Sache aller, denen er es gönnte.
Durch diese und manche andre Lehr'
Wuchs dem Kind Alexander sehr
Verstand und Kühnheit und Gewalt..
255 Nun war er erst zwölf Jahre alt.
Also ftät war er gemuth,

Er wollte nicht um alles Gut
Der Erde jemals wen belügen,
Noch irgend einen je betrügen,
260 Und nicht um Liebe noch um Leid
Kränken je die Wahrheit.

Das fühlte wohl ein Meister sein,
Den stieß er über einen Stein
Hinab, so daß den Hals er brach,
265 Weil er zu ihm eine Lüge sprach.

270

Nun sprechen Manche die Lügenmäre,
Daß dieser Mann sein Vater wäre.
Gar schwer ich daran glauben mag,
Da er den Hals entzwei ihm brach.

Von Philippus Gestüte will ich euch nun sagen, In dieses ward ein Roß getragen; Fürwahr das Roß war wunderbar, Zornmüthig und streitsüchtig gar, Stark gebaut und schnell von Füßen, 275 Das sollet ihr in Wahrheit wissen. Nicht zu ermessen war die Kraft Und seine Macht war zauberhaft; Die Leute biß und schlug es tedt, Es brachte Schrecken genug und Noth.

Alerander.

2

280 ime was sîn munt,

daz, wil ih û tûn kunt,

alseime esele getân.

di nasen waren ime wîte ûf getâu.
sîne ôren wâren ime lanc,

285 daz houbit magir unde slanc.
sine ougen waren ime allirvare
glich eineme fliegindin are.

Sîn hals was ime lockechte ih wêne iz, wêre lewin geslehte. 290 ûf den goffen hâtiz, rindis hár. an den sîten liebarten mâl: sô sarrazîn ioh cristin man

nie nihein bezzer ros gwan.

Daz, ros wart mit ŷsîne gebunden,

295 alse daz dâ tobit z'allen ftunden.

iz wart vor den kuninc Philippum geleit, unde alser vernam sîne gelegenheit, Bûcivâl hîz, erz namen,

daz dûhte si gût allesamen.

300 Dô hîz man manigen starkin man
das selbe ros leiten dan

unde in einen marstal betûn,
daz man dâ vor mohte gerûn.
zô ime ne torste nieman gân,

305 wan der alsô hête getân,

daz, ime verteilet wart daz leben,
den môse man deme rosse geben.

Deme kuninge wart ein bote dô gesant

von deme, der daz ros hêt erkant;

310 unde hiz iz sint baz bewarn,

wande man solde daran irvarn,

weme nâh sînem libe

sin kunincriche solde blibe.

unde enbôt ime dâ bî,

315 iz solde rechte derre sî,

280 Diesem Roffe war sein Mund,

Das will ich euch nun machen kund,
Ganz dem des Esels gleich gethan.
Die Nasen waren weit ihm aufgethan;
Ihm waren seine Ohren lang

285 Und mager war sein Haupt und schlank.
Die Augen ihm aller Farben waren
Gleich denen eines fliegenden Aaren.

Sein Hals, von Locken dicht behaart,
War wie von eines Löwen Art.
290 An den Schenkeln hatte es Rinderhaar,
Die Seite leopardenfleckig war:
So Sarazen wie Christenmann
Noch nie ein beffer Roß gewann.

Mit Ketten ward das Roß gebunden,
295 Weil's tobete zu allen Stunden.
Vor König Philipp ward's geführt,
Und da er seine Art erspürt,
Bucephalus ließ ers benamen,
Das deuchte allen gut zusammen.

300

Da hieß man manchen starken Mann
Leiten dieses Roß von dann
Und in den Marstall schließen ein,
Daß man vor ihm möcht' sicher sein.
Es wagte Niemand ihm zu nahn;
305 Nur wer so schlimme That gethan,
Daß er nach Recht verwirkt das Leben,
Den konnte man dem Rosse geben.

Drauf ward dem König ein Bote gesandt
Von dem, der des Roffes Werth erkannt;
310 Der hieß es künftig besser wahren,
Denn an ihm würde man erfahren,
Wer nach seinem Sterben
Einst sein Königreich sollt' erben.
Und ließ ihm sagen noch dabei,
315 Daß der allein der rechte sei,

der iz allir erist beschrite;

wandiz noh diu nehein man ne gerite. Unde alse Alexander heim quam,

di scrift er harte wol vernam,

320 wîs was er z'ummâzen;

sîne meistere hêter verlâzen. dannoh ne hêter nit vernomen, wi iz umbe daz, ros was comen. eines tages dô der jungelinc 325 in der pälenze ginc, dô volgetime Vestiân,

der was ein edele junc man.
daz ros hôrter dô weien
unde tubillichen schrien.
330 vil starke er dô dâchte,
waz daz wesen mohte,
mit allen sînen sinne,

wes wêre di freisliche stimme.
Zô Vestiâne er dô sprah:

335 „nu sage mir, waz daz sîn mach;
daz, mir schillit in mîne ôren
unde ne lâzt mich nith gehören.
iz, gebârit freisliche;

sîn stimme di is gelîche

340 einem freislichem tiere."

dô antworte ime schiere

Ptolomeus unde sprah:

„ih sage dir, waz, daz, wesen mach;

iz ist ein ros freislich.

345 ime ne wart nie nehein gelîch

in alle criechische lant.

Bûcivâl ist iz genant.

dîn vater hâtiz în getân.

iz ne dorfte bezzer nie gegân

350 under neheiner stûte.

iz ne hât nieman in hûte,

Der es zuallererst beschritten,

Da noch kein Mann es je geritten.
Als heim nun Alexander kam,

Die Botschaft er gar wohl vernahm, 320 Weise war er über Maßen;

Die Meister hatte er verlassen.

Noch hatte er damals nicht vernommen,
Wie's mit dem Roffe war gekommen.
Eines Tages da der Jüngling
325 3m königlichen Schlosse ging,
Da folgete ihm Vestian,

Der war ein junger Edelmann.
Das Roß da hörete im Grimme

Er schrei'n und wiehern mit tobender Stimme.

330 Gar ernstlich er da dachte,

Was wohl solches Toben machte,

Und trug zu wiffen groß Verlangen,
Von wem die Schreckensstimm' ergangen.
Zu Vestiane er da sprach:

335 Nun sage mir, was das sein mag;

"

Mir schallt ins Ohr ein wild Geschrei,
Und doch hör' ich nicht, was das sei.
Gar zu schrecklich es erdröhnet;

Die Stimme, wie fte mir ertönet,
340 Gleich wie von grimmigem Thiere schallt."
Da gab ihm Antwort alsobald

Ptolomeus und er sprach:

„Ich sage dir, was das sein mag;

Ein Roß ist's, das man nicht kann binden.

345 Diesem gleich ist keins zu finden Ringsum im ganzen Griechenland. Bucival ist es genannt.

Dein Vater hat es eingeschlossen. Ein beffres dürfte nie entsproffen 350 In irgend einem Marstall sein. Kein Wärter wagt's zu hüten sein,

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