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Ländern, die des Helden Fuß betreten, in allen Reichen, die aus seinem Weltreich hervorgegangen, von Aegypten bis Baktra hin, durch alle Städte seines Namens, die er gegründet hatte, mußte sein Andenken im Munde des Volkes leben, und in vielen Zungen mochte sein Løb gepriesen werden. So wurden seine Thaten auf den Flügeln des Gesanges über die ganze Erde hingetragen; in jeder Landesgegend durch einheimischen Zusaß erweitert und vermehrt und ebenso mit den Jahrhunderten wachsend und sich ausbreitend, bis die Sage endlich nach Konstantin in die byzantinische Zeit gelangte. Byzanz, das sich seit seinem Ursprunge eifersüchtig mit Rom in den Gegensatz gestellt, nahm in dieser Gesinnung die Alerandermäre, die aus dem Lichtpunkte einheimischer Größe und Herrlichkeit ausgestrahlt, mit Liebe auf und pflegte ste mit Sorgfalt und Emsigkeit. Da der Eroberer zuerst den Orient mit seinen Wundern den Europäern aufge= schlossen, so fügten diese Wunder sich von selbst der Erinnerung seiner Thaten bei; der Kreis seiner Züge umschloß die ganze Erde; die Seltsamkeiten aller Zonen. flochten sich in diese Aventuren ein. Der allmählich erwachende romantische Geist, vom Christenthum eingeführt, prägte ihnen seinen eigenthümlichen Charakter auf und so bildete sich die bunte, farbenreiche Arabeske aus mit ihren verschlungenen Laubgewinden und den seltsamen Thier und Menschengestalten, vergleichbar jener Mosaik in der Sophienkirche. Auf dem Wege, in dem die byzantinische Bildung zu den Abendländern eingedrungen, war auch dieses Werk bald dahin gelangt und unter dem Namen: Gesta Alexandri magni ins Lateinische

übertragen und durch ganz Europa hin verbreitet, war es schnell mit dem Geiste befreundet, der die Völker in den Kreuzzügen zu demselben wunderreichen Orient hingetrieben. So wurde es selbst Gährungsstoff in der gährenden Ideenmasse, durch Rückwirkung wieder gezeitigt und gereift, und von der romantischen Dichtung des Mittelalters aufgenommen und schnell angeeignet, bald wieder in vielen Formen und Gestalten in allen Sprachen ausgeschieden und zu einem eignen Dichtungskreise abgeschlossen."

Ursprung und Gang der Alexandersage, wie sie in den Gedichten des Orients und Occidents uns entgegentritt, liegt nun um Vieles klarer vor uns, als sle Görres bei Abfaffung seines Werkes durchschauen konnte; Hauptquellen sind uns in den lezten Jahren eröffnet worden, die uns den Zusammenhang erkennen lassen, und was noch durch die vielfachen, oft sehr willkürlichen und ungeschickten ueberarbeitungen entstellt erscheint, wird hoffentlich durch Zacher's umfassende Untersuchungen über das Werk des Pseudo-Kallisthenes und seine Recensionen wieder aufgeklärt werden. Ich kann, meinem ausgesprochenen Plane gemäß, daher nur im Allgemeinen Ursprung und Gang der Sage darstellen. Aegypten ist das Mutterland derselben. Den Kern, um den alle die einzelnen Sagen wie Krystalle angeschossen sind, bildet die Sage vom ägyptischen König Nectanebus, der, fliehend vor Darius Ochus nach Macedonien, der Vater Aleranders wurde. Diese Umgestaltung der von Alexander wenigstens begünstigten Sage, daß er der Sohn des libyschen Gottes sei, ist ein Werk ägyptischer Nationals

eitelkeit, die sich darin geftel, den großen Eroberer von den einheimischen Königen abzuleiten. Alle die ausführlichen Schilderungen von seiner Geburt, von seinem Triumphzuge durch Aegypten, von der Erbauung Alerandria's und was sich daran anschließt, müssen dort entsprungen sein und zwar, wie aus den späteren Bemerkungen über das Werk des Pseudo-Kallisthenes hervorgehen wird, schon zur Zeit der Ptolemäer. Auch die Grundzüge der poetischen Ausschmückung seiner Fahrten nach Persien, in deren Darstellung ja auch der ägyptische Gott verwebt ist (f. Lampr. V. 6244 ff. beson= ders 6276 ff.), sind wohl in Aegypten dazu gekommen und rühren schon aus der Zeit der Ptolemäer. Die nächsten Erweiterungen erhielt die Sage um den Beginn unsrer Zeitrechnung von jüdischen Schriftstellern, die natürlich nur an die sie zunächst berührenden Erzählungen ihre schmückende Hand anlegten. Ebenso mögen die Christen in Arabien und Armenien, die sich wohl im Ganzen an die ägyptische Tradition hielten, manche Züge hinzugefügt haben und ihnen und den Talmudisten wird wohl der Zug nach dem Paradiese in seiner Grundlage zugeschrieben werden können. Den wichtigsten Zuwachs aber empfing ste im byzantinischen Kaiserreiche zur Zeit, als dieses sich eifersüchtig dem zerfallenden abendländischen Reiche gegenüber stellte. Alles, was in den Alexanderbüchern von seinen Zügen durch Italien nach Rom und der gutwilligen Unterwerfung der Römer erzählt wird, ist byzantinischen Ursprungs. Die Sage wurde hier um so lieber gepflegt, da sie ja in die Heimat des Helden zurückgekehrt war, wo das

Andenken an ihn in noch hellerem, natürlicherem Glanze ftrahlte. Zur Zeit der Auflösung des römischen Kaiserreiches sahen die Griechen noch mit Stolz auf Alerander, der den Ruhm des griechischen Namens bis an das Ende der Welt getragen hatte. Daher schmückten ste seine Geschichte mit Wundern aus, die gerade in jener Zeit dem Geschmack angemessen waren, und wohl mögen gerade seine Züge nach Persien und Indien den Geschmack daran hervorgerufen haben, da sie dort Aehnliches hören konnten von den Helden von Iran und Turan, die man vielleicht als die Modelle zu manchen Darstellungen in der Alerandersage betrachten kann. Es wäre auch in der That zu verwundern, wenn der Zug nach dem Paropamisus und den waldreichen Flußthälern von Vorderindien durch den Anblick einer reich geschmückten erotischen Natur nicht Eindrücke zurückgelassen hätte, deren Lebendigkeit sich nach Jahrhunderten noch in den Werken hochbegabter Schriftsteller offenbarte. Und noch jezt ist dieses Gefühl nicht erloschen. Die Griechen sezen immer noch ihren Alerander allen andern Eroberern entgegen. Ich erinnere mich, sagt Berger de Xivrey S. 168 seines im zweiten Bande ausführlicher besprochenen Werkes, eines armen Griechen, der als Flüchtling in Frankreich lebte und nur sagte: Mit all euren Siegen, seid ihr bis nach Indien vorgedrungen? Nur zwei Menschen in Europa haben dies an der Spize einer Armee unternommen und diese waren grie= chische Fürsten, Bacchus und Alerander." Vom byzantinischen Reiche aus, wo sich die Thaten des macedonischen Helden noch bis auf die neueste Zeit im Munde

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des Volkes erhalten haben, wanderte die Sage in entgegengesetter Richtung nach Osten und Westen und berührte die Enden der beiden Erdtheile (die Aufwerfung des Walles gegen die Völker von Gog und Magog identificirt sich mit der Erbauung der chinesischen Mauer). Wohl mag die Erinnerung von Aleranders Thaten nie im persischen und indischen Orient erloschen sein; jedoch ist es unverkennbar, daß der griechische Roman zur Blüthezeit der Chalifenherrschaft in Persien aufgenommen und in die einheimischen epischen Dichtungen verwoben worden ist. Dort wurde aber alles ausgeschieden, was ägyptische Lokalfärbung hatte und an dessen Stelle wurden die Sagen von Alexanders oder, wie sie ihn nannten, Eskander Dulkarnein's Abstammung aus dem persischen Königshause und seinen wunderbaren Zügen im Westen bis nach Gibraltar und den britischen Infeln aufgenommen. Von dort empfing die Sage zur Zeit der Kreuzzüge alle die märchenhaften Zusäße, die wir zum Theil in den Märchen der 1001 Nacht finden, wie sie auch die meisten mittelalterlichen Gedichte durchwandern. Zunächst geschah dies in Italien, das ja in ununterbrochenem Verkehr mit Byzanz und dem Orient gestanden. Nach Italien war die Sage ebenfalls vom byzantinischen Reiche her eingedrungen. Sie entfaltete sich dort in zwei sehr abweichenden Recensionen, in der des Julius Valerius oder der Gesta Alexandri Magni und in der des liber Alexandri de preliis. Ob man aus der Verschiedenheit beider auf einen verschiedenen Weg, auf dem sie nach Italien gewardert sind, schließen könne, so daß etwa die erstere unmittelbar von Aegyp

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