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ten, die lettere über Byzanz herübergekommen wäre, oder ob nur die verschiedene Zeit der Abfassung, erstere im 4. Jahrh., lettere im 10. Jahrh., den Unterschied bewirkt habe, wird wohl nicht zu entscheiden sein, so lange es nicht glückt (was Zacher beabsichtigt), den ur sprünglichen Tert des liber de preliis herzustellen (f. die späteren Bemerkungen über den Chronisten Eckehard). Erstere lateinische Bearbeitung scheint mehr nach Frankreich, lettere mehr nach Deutschland verbreitet worden zu sein und dort die Grundlage neuer Bearbeitungen gebildet zu haben. Eine neue Gestalt erhielt überdies die Sage noch in Frankreich zu Ende des 12. Jahrh. durch die lateinische Bearbeitung des Walther von Castiglione (Philipp Gaultier de Lille oder de Chatillon, Gualterus Castellionaeus), der sie dadurch, daß er den Curtius. zu Grunde legte, wieder dem geschichtlich Wahrschein= lichen näher brachte. Ihm folgte Ulrich von Eschenbach im 14. Jahrh. in seiner deutschen Alexandreis, deren. vier Handschriften zu Stuttgart, Wolfenbüttel, Heidelberg und Basel liegen.*) So viel über die Ausbildung der Aleranderfage. Welche Gestalten sie in späteren Jahrhunderten angenommen, liegt außer dem Kreise unsrer Betrachtung. Von einzelnen Episoden, namentlich in unserm Gedichte, z. B. von den Mädchenblumen, die eine indische Färbung trägt, ist die Quelle noch dunkel; wahrscheinlich sind es spätere Zusäße, vielleicht von dem räthselhaften Alberich, aus anderen, zur Zeit der Kreuzzüge beliebten Dichtungen aufgenommen. Was über die Werke des

*) E. Franz Pfeiffer in dem Serapeum. 1848. Nr. 22.

Pseudo-Kallisthenes, Julius Valerius u. f. w. in unsern Kreis gehört, findet weiter hinten seinen besonderen Plaz. Ueber die andern deutschen Bearbeitungen möge man die ausführliche Zusammenstellung vergleichen bei J. G. Th. Gräße: Lehrbuch einer allgemeinen Literärgeschichte II, 3, a. G. 435-456.

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Ich wende mich zu unserm Dichter selbst und seinem Gedichte.

Die Straßburger Handschrift war, bevor Diemer die Vorauer auffand, die einzige, Maßmann hat das Verdienst ste zuerst vollständig herausgegeben zu haben und zwar in 1) Denkmäler deutscher Sprache und Literatur. München 1828. 2) Bibliothek der deutschen Nationalliteratur III, 1. Quedlinburg 1837.

Die Handschrift, die früher in der Bibliothek des Molsheimischen Jesuitencollegiums war und noch 3 geistliche Gedichte enthält, ist, wie sie schon Maßmann beschreibt in der Einl. zur ersten Ausgabe, klein Folio, Pergament, 30 Blatt, zweispaltig mit je 50 Zeilen. Sie hat 4 Lagen, jede zu 4 Doppelblättern, jedoch die zweite Lage hat nur noch 3 Doppelblätter, es fehlt das äußerste Doppelblatt, also nach Bl. 8 und nach Bl. 14. Der leztere Defect trifft gerade unser Alexanderlied von V. 508-804. Die Zeilen sind unabgesezt, die Reime durch Punkte getrennt, die Anfangsbuchstaben der Absäge roth. V. 4753 ist ein größerer rother Anfangsbuchstabe, der die Höhe von 3 Zeilen einnimmt. Nach einer Randbemerkung auf Bl. 29a-b fiele die Handschrift ins Jahr 1187, wo Saladin das heilige Land eroberte. Ueber einzelne Eigenthümlichkeiten in der Schreib

Alexander-Lied. I.

II

weise wird in den Anmerkungen gesprochen werden. Als Verfasser hat man bis jezt noch ziemlich allgemein den Pfaffen Lamprecht festgehalten. Es gründet sich diese. Annahme außer den Andeutungen im Werke selbst hauptsächlich auf eine Stelle in dem Aleranderlied von Rudolf von Ems, wo er sagt: Ez hât ouch nach den alten siten Stumpflich, niht wol besniten Ein Lampreht getihtet, Von welsche in tiutsche berihtet. Jakob Grimm (Gött. Gelehrt. Anzeig. 1835. Nr. 66. S. 659) hat zuerst die Annahme wankend gemacht. Er sagt: „Es· ift an sich vollkommen auffallend, daß in Frankreich ein Clerc Lambert und in Deutschland ein Pfaffe Lamprecht zu gleicher Zeit einen Alerander sollte gedichtet haben. Man hätte vorerst auszumitteln, was Lambert an dem französischen Gedichte gethan hat, zu welcher Zeit er lebte und wie sich die Fabel in seiner Bearbeitung zum Inhalt des Deutschen verhält. Nach Lambert könnte ein verschollener Alberico von Vicenza welsch und nach ihm der ungenannte deutsche Dichter gearbeitet haben. Der Pfaffe Lamprecht wird zu Eingang, vermuthlich nach Alberico's Eingang, als erster Urheber der Dichtung ge= nannt; weiter unten sagt der namenlose, bescheidne Deutsche in erster Person: ich habe es ins Deutsche übertragen." Nach Grimm's Vorgang haben mehrere z. B. Gräße a. a. O., Vilmar in seiner Literaturgeschichte die Existenz des deutschen Lamprecht in Zweifel gestellt. Andre da= gegen, wie Gervinus in seiner Geschichte der poetischen Nationalliteratur der Deutschen, 3. Ausg. I. S. 276, Albert Schott in der Einleitung zu Gudrun S. XXI. Anm. und vor Allen Maßmann, halten entschieden fest

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an ihm. Lesterer hat schon in dem ersten Abdruck nähere Begründung versprochen, sle aber leider noch nicht gege= ben. Es ist sehr schwer, sich darüber zu entscheiden. In unsrer Handschrift ist nur die Stelle im Eingang (v. 4 ff. und 13 ff.) in Betracht zu ziehen. Nach dieser ließe sich allerdings Grimms Ansicht rechtfertigen, so daß Lamprechts Gedicht von Alberich übertragen worden wäre und ein ungenannter deutscher Dichter aus Alberich ge= schöpft hätte. Aber dreierlei scheint mir dagegen zu sprechen. Es wäre doch auffallend, wenn schon Rudolf von Ems durch die Einleitung unsres Gedichtes irre geführt worden wäre, da er das Gedicht selbst kannte und wohl auch mit der Ausdrucksweise jener Zeit vertraut war. Auch finde ich es ungewöhnlich, daß der deutsche Dichter fich nicht begnügen soll, nur seinen unmittelbaren Ge= währsmann anzuführen. Ferner scheint mir der Gang von Nordfrankreich, wo Lambert dichtete, nach dem Süden, was eigentlich ein Rückgang wäre, unwahrscheinlich, da doch, wie es auch Herbort anführt (S. unsre Anm. zu v. 15), die Gedichte gewöhnlich vom Griechischen ins Lateinische, von da ins Wälsche und dann ins Deutsche übertragen wurden. Sodann nennt die Vorauer Handschrift, von der ich später sprechen will, am Schluß: sus saget uns maister albrich unde der gute pfaffte lampret, den Lamprecht nach Alberich. Endlich hat das französische Gedicht, das zum Theil wenigstens dem Lambert li Tors zugeschrieben wird, gar zu wenig mit unserm deutschen Gedichte gemein und wenn auch das, was Alexandre de Bernay später beigemischt hat, vielleicht viel beigetragen hätte zu dieser Unähnlichkeit, wie denn wirk

lich der zweite Theil des Gedichtes, der dem Lambert zugeschrieben wird (S. Bd. II. S. 326 ff.), einen gleichartigeren Gang verfolgt, so trägt, wie mir scheint, doch das Ganze ein so entschieden andres Gepräge, daß man schwer einsehen kann, wie das deutsche Gedicht oder die wälsche Quelle daraus entstanden sein sollte, besonders, da der deutsche Dichter versichert, sich genau an seinen Gewährsmann gehalten zu haben. Ich fühle jedoch wohl, wie unsicher alle diese Gründe sind, so lange wir von dem Alberich (Aubry) von Besançon nichts weiter wissen, als daß ihn unser Dichter und Stricker in seinem Daniel von Blumenthal als ihre Quelle nennen. Uebrigens wird, mag man sich für die eine oder andre Ansicht entscheiden, dem deutschen Dichter der Ruhm nicht entzogen werden, den ersten Plag unter den Alexanderdichtern, fo weit sie bekannt sind, errungen zu haben.

Was die zweite Handschrift des Gedichtes betrifft, so haben wir ste jezt in der Prachtausgabe des glücklichen Finders, Herrn Jos. Diemer, vor uns. Er hatte schon geraume Zeit vor dem Drucke die Gefälligkeit, mir daraus eine sorgfältige Abschrift des Aleranderliedes zu gewähren, wofür ich ihm nochmals herzlichen Dank sage. Sein Werk heißt: Deutsche Gedichte des XI. und XII. Jahrhunderts c. von Joseph Diemer, Wien 1849. Diemer hat die Handschrift im Stift Vorau in der nördlichen Steiermark gefunden. Dieses Stift, gegründet 1163 vom Markgrafen Ottokar VII, ist, wie Diemer in der Einleitung auseinander segt, noch jezt eine Zierde des Landes, bestzt viele Handschriften des 11. und 12. Jahrh. und hat eine vortreffliche Bibliothek. Die sehr

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