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schäzenswerthen Aufschlüsse, welche Diemer über seine Handschrift gibt, als unsrer Aufgabe fern bei Seite laffend, hebe ich nur hervor, daß er den Zusammenhang unsrer Handschrift mit der Vorauer im Schwarzwald zu St. Blasien sucht. Dort war nämlich Hartmann, dessen Gedicht vom Glauben in beiden Handschriften steht, ehe er in die Steiermark kam, Stiftsprior (1094).

Das Gedicht von Alerander enthält dort, wie unsre Lesarten ausweisen, nur 1500 Verse und endet nach der Schlacht mit Darius. Auch diese ist ganz verstüm melt und kaum zu erkennen, so daß die lezten 50 Verse nur als Bruchstück zu betrachten sind. Der Schluß scheint mir ganz unmotivirt. Auch finden sich in dem Gedichte an nicht wenigen Stellen höchst ungeschickte Verstümmelungen und Zusammenziehungen. Ich kann daher Diemer's Ansicht, der hier die ursprüngliche Gestalt des Lamprecht'schen Gedichtes zu sehen glaubt, durchaus nicht beitreten, sondern muß vielmehr in dem Vorauer Gedichte die Hand eines höchst ungeschickten Schreibers erkennen, der zuleht, nachdem er schon an manchen Stellen seine Ungeduld in gewaltsamen Zusammenziehungen bekundet hat, einen willkürlichen Schluß macht und zu seiner Rechtfertigung noch einmal seine Gewährsmänner citirt. Ich glaube nicht, daß der Ursprung des Ge= dichtes in Oesterreich oder auch nur im Schwarzwald zu suchen sein wird; unsre Handschrift spricht entschieden für den Niederrhein und die Zeit ihrer Abfassung dürfte gegen 1180, keinesfalls später zu sehen sein. Die Vorauer mag ziemlich gleichzeitig, etwas später fallen und auch der französische Roman, wenigstens wie er uns vorliegt, ist später als Lamprecht, kann aber wohl,

besonders in der zweiten Hälfte, die gemeinschaftliche Quelle gehabt haben.

Daß die Lücke der Straßburger Handschrift durch die Vorauer ausgefüllt wird, trifft sich sehr glücklich. Freilich ist dadurch ein etwas ungleichartiges Element, besonders der Sprache nach, in das schöne Gedicht gekommen, jedoch habe ich geglaubt, es einflechten zu müssen, besonders da die Abweichungen zu Anfang nicht von so großer Bedeutung sind. Ich habe den Tert soviel als möglich beibehalten, hur hier und da für die Leser, wie ich ste vor Augen habe, in der Schreibweise unserm Gedichte genähert. Den genauen Lert findet man in den Lesarten.

Was den poetischen Werth unsres Gedichtes betrifft, so scheint es mir nach dem, was Gervinus a. a. O. darüber gesagt hat, unnöthig noch ein Wort hinzuzufügen. Gervinus ist zwar von einigen Seiten der Uebertreibung beschuldigt worden, jedoch möchte schwerlich etwas gegen seine geistreiche, feine Analyse einzuwenden sein. Das französische Gedicht kann nur dazu dienen, unserm deutschen Dichter die Krone zu sichern. Mag auch Manches dem Alberich zu Gute kommen, es bleibt immer noch sehr Vieles, was nur auf deutschem Boden gewurzelt sein kann, z. B. der einfache, an die deutsche Heldensage streifende Lon und die Beziehungen auf die Hauptgedichte derselben; der ernste, alles Unreine ausstoßende Sinn und die gewaltige Kraft der Schilderung. Unser Aleranderlied entfaltet die Sage in ihrer maßvollsten, knappesten und reinsten Gestalt; es wird eine der schönsten Zierden unserer mittelalterlichen Poeste

bleiben und ist als Denkmal der Uebergangszeit von unschäzbarem Werthe.

Von den Eigenthümlichkeiten der Sprache will ich eine Zusammenstellung geben, nachdem ich das Nothwendigste über die Auszüge des zweiten Bandes bemerkt habe.

Den Auszügen im zweiten Bande geht die vollstän= dige Uebersehung des Pseudo-Kallisthenes voraus; ich glaube mit derselben den Freunden der Literatur einen Dienst erwiesen zu haben, denn der griechische Text bietet selbst für den nicht Unkundigen sehr große Schwierigkeiten. Zuerst also habe ich nun von Pseudo-Kallisthenes zu sprechen, dann von Valerius, von dem liber de prelüs und Ekkehard's Chronicon und zulegt von dem französischen und englischen Gedichte. Wo, wie bei den orientalischen Dichtungen, die Bücher selbst mir Alles an die Hand geben mußten und ich auf eigne Forschung zu verzichten genöthigt war, sind die wenigen, jenen Werken entnommenen Bemerkungen in den Tert einge= schoben.

Eine Prüfung des historischen Werthes ter Alexanderbücher und ihrer Uebereinstimmung mit den Historikern hätte ich gerne angestellt; der Anfang dazu war auch an der Hand des vortrefflichen Werkes von Sainte-Croix bereits gemacht; aber mein praktischer Beruf ließ mir nicht die Aussicht, bald zu einem befriedigenden Punkte zu gelangen; auch stehen mir die vollständigen Mate= rialien nicht zu Gebote. Hoffentlich wird Zacher die Muße finden, auch diesen Theil der Aufgabe zu um= faffen.

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Der Roman des Pseudo-Kallisthenes und die Webersehung des Julius Valerius.

Nach dem, was oben gesagt worden, ist dieser Roman der Vater aller der Fabeln, die sich an Alexanders Person anknüpften, wenigstens hat er zuerst alle Sagen in ein Ganzes verschmolzen, die von den Lebzeiten des Eroberers selbst an nach den Bedürfnissen und Zwecken der verschiedenen Völker ausgedacht und mit Lokalfarben versehen wurden.

Wenn ich jezt über dieses Werk spreche, wird nachden öfteren Andeutungen über die Grenzen dieser Arbeit Niemand eine gelehrte Abhandlung erwarten; ich stelle nur in gedrängter Kürze zusammen, was Sainte-Croix, Berger de Xivrey und zulegt Müller in seiner Ausgabe als Resultate ihrer genauen Forschungen gegeben haben; und verweise im Uebrigen besonders auf Müller Introd. p. XV-XXVII. Was den vermeintlichen Autor angeht, so wird der Name Kallisthenes in der Handschrift B. (Nr. 1685 der Parif. Biblioth.) und bei Tzezes in den von Müller angeführten Stellen (Hist. I, 323; III, 885 und 550) genannt. Die armenische Ueberseßung (f. Bd. II. S. 608) nennt offenbar irriger Weise Aristoteles. Nach Müllers Vermuthung hatte die Handschr. A. (No. 1711 der Paris. Bibl.), in der das Blatt vor dem Beginn der Geschichte fehlt, auf diesem das Bildniß des Königs Ptolemäus, welches durch einige Verse auf der sorbergebensen Seite (Οὗτος βασιλεὺς ὁ Πτολεμαῖος, ὦ Eéve, cet.) erläutert wird. Daraus schließt er, der Schrei

ber der Handschr. möge den Ptolemäus als Autor des Werkes betrachtet haben. Und allerdings wäre dieser Name geeigneter, als irgend ein andrer; die Annahme fände zugleich Unterstüßung in dem, was Berger (S. 193) aus der gelehrten Abhandlung über Julius Valerius in der biblioth. univ. VIII. p. 335. anführt. Dort spricht Herr Favre (so nennt Berger den nicht unters zeichneten Kritiker; Pauly nennt ihn in seiner Realencyclopädie unter Kallisthenes S. 14. Friedländer) von einer hebräischen Alexandergeschichte, welche mehrere Rabbiner als eine Uebersehung des griechischen Werkes des Ptolemäus Lagi betrachten. Immerhin bleiben das aber nur Vermuthungen. Aesopus, der in der Ueber. schrift des Valerius als Autor des Griechischen bezeichnet wird, bedarf kaum noch erwähnt zu werden, seit man weiß, daß die Fabeln des Aesop öfter zusammengebunden erscheinen mit den Alerandergeschichten. Auf ähnliche Weise ist der Irrthum, den Isaak Voß begeht, indem er das Werk dem Simon Seth (der im elften Jahrh. unter den Komnenen lebte) zuschreibt, längst aufgeklärt. In seiner Leydner Handschr. (Nr. 93) nämlich war der Stephanites d. h. die griechische Uebersezung der Fa beln Bidpai's von Simon Seth dem Alerander vorge= bunden. Was aber endlich den Historiker Kallist he= nes von Olynth selbst betrifft, so ist es klar, daß er nicht der Verfasser des Romans sein kann.

Er, der durch seine Mutter Hero mit Aristoteles verwandt (S. Westermannus: de Callisthene Olynthio et Pseudo-Callisthene I. p. 3) und von ihm erzogen war, begleitete den Alexander, der ihn liebte, auf seinen Zü

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