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gen, fiel aber wegen unvorsichtiger Reden, vor denen ihn Aristoteles dringend gewarnt hatte, in Ungnade und starb schon im J. 328 eines gewaltsamen Todes. Er soll sogar eine Zeit lang in einem eisernen Käfig dem Heere nachgeführt und zulezt von Löwen zerrissen worden sein (S. bei Müller in der Einleitung zu seinen Frag= menten). Er wird unter die 10 klassischen Geschicht= schreiber der Griechen gerechnet und Polybius nennt ihn wegen seiner Beredtsamkeit zusammen mit Platon und Xenophon. Seine Schrift über Alerander, deren äußerst spärliche Fragmente Müller zusammengestellt hat, war wohl eine Fortsehung der Hellenika, die für sein bestes Werk gehalten wurden und von dem Frieden des Antalċidas (389) bis zur Geburt Aleranders reichten. Sein Mitschüler Theophraft hat ihm zu Ehren die Abhandlung über die Traurigkeit Kallisthenes betitelt und Cicero führt in seinen Tuskulanen (V, 25) das auf ihn sich beziehende Sprüchwort an: Vitam regit fortuna, non sapientia (Vgl. Sainte-Croix p. 163 ff.). Gerade das große Ansehen, das Kallisthenes als Geschichtschreiber genoß, macht uns erklärlich, wie man seinen Namen dem Roman vorsehen konnte. Er war der Vorläufer der Geschichtschreiber Alexanders und man nahm seinen Namen gleichsam als Collectivnamen für die Alerandergeschichten, deren Verfasser man nicht wußte oder als unberühmte vielleicht auch nicht nennen wollte. Ist es doch ähnlich mit dem Namen Turpins für die Sagen Karls des Großen und Rolands gegangen. Und um so mehr konnte man der romanartigen Lebensbeschreibung seinen Namen vorseßen, da er (Vgl. Sainte-Croix a. a. D. S. 34 u. 37;

und Müller Fragmente S. 26. ff.) selbst schon die Züge seines Helden mit dem Schimmer des Wunders zu umhüllen bemüht ist und z. B. die Märe von den Vögeln, welche dem König den Weg zum Hammonium zeigen, mit ihm ruhen und die Verirrten zurechtweisen, erzählt (Plut. Alex. 27) und ihm bei Gaugamela die Worte in den Mund legt: "Wenn ich wirklich der Sohn Jupiters bin, so würdige die Griechen Deiner Hülfe und Deines Schußes (Plut. Aler. 33).

Den wirklichen Autor ausfindig zu machen, wird wohl kaum gelingen; jedoch sprechen alle Untersuchungen dafür, daß wir ihn unter den Alexandrinern zu suchen haben (Ueber dies Alles s. die ausführliche Untersu= chung Müllers a. a. D. XVIII. ff.). Unter den bis jet aufgefundenen und geprüften Handschriften des Werkes ist die der königl. Biblioth. zu Paris (A. Nr. 1711) die älteste; möglich, daß es noch ältere gibt oder gegeben hat von einfacherer Darstellung. Aber selbst in seiner ursprünglichen Gestaltung ist es wohl immer ein Sammelwerk, dessen einzelne Theile von der Zeit Alexanders selbst an von Verschiedenen zusammengetragen und dann, wohl schon in dem ersten Jahrhunderte vor unsrer Zeitrechnung zu einem Ganzen vereinigt worden sind. Die verschiedenen Elemente lassen sich noch ziemlich deutlich erkennen. Es sind vorzüglich Briefe, Ortssagen, Gedichte, rhetorische und philosophische AusLassungen.

Daß es sich mit den Briefen berühmter Männer des Alterthums verhalte, wie mit ihren Reden in den Geschichtswerken, darüber ist man längst einig, wenn auch

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immer noch Manche die Aechtheit einzelner z. B. in Plutarchs Alexanderleben zu retten bemüht sind. Die Verfertiger solcher Briefe hielten sich, je nach dem Zweck, den sie erreichen wollten, mehr oder minder an den ge= schichtlichen Charakter ihres Helden. Wirkliche Geschichtschreiber, die der Wahrheit zu dienen bemüht waren und vielleicht nur aus ästhetischen Rücksichten, oder um ihrem Werke mehr Autorität zu geben, die Brief- oder Redeform wählten, dichteten möglichst treu in den Sinn des Mannes hinein, dessen Wirken sie der Nachwelt überliefern wollten; so Plutarch. Andre, die sich von künftlerischen, philosophischen, selbst politischen Tendenzen leiten ließen, machten dieses Beiwerk zur Hauptsache und nahmen keinen Anstand, ihre Gedanken und Meinungen den ge schichtlichen Personen in den Mund zu legen. Solcher Art ist der Briefwechsel des Alerander und Darius, der allem Anscheine nach sehr alt ist und ein selbstständiges Werk gebildet hat, ehe noch unser Sammelwerk entstan= den. Briefe endlich, wie sie Alexander an seine Mutter Olympias schreibt, sollen offenbar nur dazu dienen, den wunderlichen Ausgeburten der Phantaste bei dem Leser den Anspruch auf ächte Thatsachen zu verschaffen und dadurch den Vorwurf der Uebertreibung abzuwenden. So erwähnt Strabo (XV. S. 702) eines Briefes des Kraterus über die Wunder Indiens. Welchen Werth man gerade auf solche Briefe legte, beweist unter Anderm der Dichter des englischen Aleranderromans, der sich in Betreff der Wunder damit entschuldigt, daß Alerander sie selbst, von Ariftoteles habe aufschreiben laffen (S. den Auszug S. 448). Auch diese Briefe sind wohl an

fangs felbstständig gewesen und später in das Sammelwerk eingeflochten worden; einzelne mögen auch, wie die verschiednen Handschriften zeigen, in Erzählung aufgelöft worden sein. Die Werke eines Megasthenes, Onesikritus, Klitarchus und A, die über Indien geschrieben haben, würden uns, wenn wir ste noch besäßen, wohl schon Manches der Art darbieten.

Einen weit größeren Antheil an der Gestaltung des Romans haben die örtlichen Sagen gehabt. Wie sich ein Volk den Helden, den es einmal werth gehalten hat den Mittelpunkt eines Sagenkreises zu bilden, zu seinem Glanze und zu seiner eignen Ehre auszustatten weiß, ist schon dargethan worden. Jedes Volk suchte den Macedonier zu seinem Landsmanne zu machen oder wenigstens, wie das jüdische, durch Bekehrung zum wahren Gott sich zu verbinden. Von allen diesen Bemühungen des Nationalstolzes finden wir in dem ältesten Pseudo-Kallisthenes nur solche, welche sicher auf ägyptischem Boden gewachsen sind, weil sie der Eitelkeit der Aegyptier schmeicheln. Hatten diese früher schon sich dadurch über den Verlust der Freiheit durch die Perfer zu trösten gesucht, daß sie dem Kambyses eine ägyptische Mutter andichteten (Herod. III, 2), so erfanden sie nun die Fabel von Nectanebus und machten hiermit den Alerander väterlicher Seits zum Sohne ihres einheimischen Königs. Daß diese Fabel ihren Stützpunkt fand in der zu Aleranders Lebzeiten nicht ohne seine Mitwirkung verbreiteten Sage von seiner göttlichen Abstam= mung, ist leicht zu erkennen und der Drache, deffen Geftalt Nectanebus bei Olympias annimmt, gibt als ein

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Attribut des ägyptischen Gottes unwiderlegliches Zeugniß von der Art der Verschmelzung. Schon Plutarch (Aler. 2 und 3) hat die Spuren dieser Fabel vom Drachen; der Umstand, daß dem Siegel (S. Pf. Kall. I, 8) das Bild eines Löwen eingegraben ist, weist ebenfalls auf Aegypten hin; vielleicht ist daraus auch die Anspielung auf sein löwenmäßiges Haar bei Lamprecht (V. 154) zu erklären. Diese Fabel von Nectanebus muß schon zur Zeit der Ptolemäer verbreitet worden. sein, weil nur damals mit ihr das, was man beabsich= tigte, erreicht werden konnte. Wie solche Sagen rein als Mittel erfunden wurden, um einer bestimmten politischen oder philosophischen Ansicht Glauben zu vers schaffen, das können wir hier in einem auffallenden Beispiel darthun. Während nämlich die Aegyptier den König Alerander zu einem Sohne des Hammon oder ihres Gottes Osiris (Vgl. Letronne: la statue vocale de Memnon S. 81), später zu einem Sproßen ihres Königsstammes umgestalten wollen, bemüht sich die philosophische Secte der Euhemeristen, überhaupt jede göttliche Existenz zu läugnen und richtet darnach ihre Alerandersagen ein. Augustinus (St. G. VII, 27), der natürlich das Wesen der alten Götter läugnet und sie zu Sterb= lichen herabstempelt, verweist, um die Richtigkeit seiner Ansicht von Osiris und Ists zu bekräftigen, auf einen Brief Alexanders an seine Mutter, in welchem dieser erzählt, ein Priester Leo habe ihm bewiesen, daß die Götter einst Menschen gewesen seien. Dieser Leo ist aber kein andrer, als der von Arnobius (IV, 29) genannte euhemeristische Schriftsteller von Pella, welchen Apollon.

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