dert nicht wohl noch im Abendlande vorhanden sein konnten. Es heißt zwar (S. 2, 19 f.) la vie d'Alixandre, si com ele est trovée en pluisors liex escrite et par bouce contée; jedoch möchten auch diese Ueberlieferungen doch nur Erzählungen aus Büchern gewesen sein. Das lateinische Werk war, wie man mit Sicherheit annehmen darf, das, welches den Titel führt: Alexander de proeliis oder Vita, actus et obitus Alexandri. Es war im 12. Jahrh. sehr verbreitet und ist ohne Zweifel dasselbe, das Peter der Ehrwürdige (von Blois, Blesensis, 1130—1198, Archidiacon in Bath und London, ein Schüler des Joh. von Salisbury, ein hellsinniger Mann. S. Wachler Lit. II, 311) in seinem Schreiben. an den Mönch Nicola erwähnt, indem er ihm aufträgt: historiam magni Alexandri et si qua alia bona habueris, tecum defer (Lib. VI. Epist. 30). Es ist zum ersten Male 1493 in Utrecht, dann oft gedruckt worden. Dies wäre also die nächste Quelle des franzö sischen Romans; da sie selbst aus dem griechischen Roman geflossen ist, so kommen wir also auch hier auf den Pseudo-Kallisthenes zurück. Nur haben sich die fran zösischen Dichter nicht so genau an jene Quelle gehalten, sondern erinnern auch, z. B. in der Belagerung von Tyrus, an Curtius und Arrhian. Dies that besonders der spätere Bearbeiter, Alexandre de Bernay, der von sich selbst sagt (S. 249, 19 ff.): Ci nos di l'Alixandre," qui de Berri (de l' Bernay) fut nés et de Paris. refu ses sornons apielés qui or a les siens vers o les Lambert mellés que li fueres de Gadres est --- à cest vier finés. Bernay ist eine Stadt in der Nor mandie. Dieser Alerander von Bernay hat wahrscheinlich zuerst den Vers in das Gedicht eingeführt, den man nun Alexandriner nennt, sei es nach ihm oder nach dem Namen des Gedichtes. Ihm gehört besonders die Er= oberung von Gaza, die Belagerung von Thrus, die be absichtigte Belagerung von Athen und ihre Rettung durch die List des Aristoteles an. Er ist auch der Ver= fasser des Athys und Prophilias, dessen deutsche Bruchstücke uns W. Grimm gegeben hat. In naiver Weise breitet er seine Gelehrsamkeit aus und man findet bei ihm keine Spur von der bescheidnen, künstlerischen Zurückhaltung unsres Lamprecht. Sein Athys beginnt mit folgenden charakteristischen Versen: Qui sages est de Sapienche, bien doit espandre sa semenche, mais des auteurs savoit la vie; moult mostra selon sa memoire. Ihm ist auch ohne Zweifel all das mittelalterliche Beiwerk von Turnieren und Festen zuzuschreiben, das dem Werke ganz den Charakter der Kreuzzüge ausdrückt, wenn schon auch noch spätere Dichter und Abschrei= ber das Ihrige hinzugetragen haben mögen. Dadurch ist das Werk, das man eigentlich ein Werk Alexanders von Bernay mit Benußung und Verschmelzung des Romans von Lambert nennen sollte, über die Gebühr weitschweifig und durch die Menge von Zwischenerzählungen und Wiederholungen höchst unflar geworden. Es besteht aus ungefähr 18000 Alexandrinern, mit oft 70-80, ja sogar 111 Reimen (S. 148). Wenn die Zeit, in welcher das zusammengesezte Werk entstanden ist, auch nicht genau ermittelt werden kann, so spricht doch Alles für das 12. Jahrh. Miche= lant führt als Hauptbeweis eine Stelle von Aymes de Varenne an, welcher in seinem Roman de Florimont (Vater Philipps) sagt: Seigneur, je scay asses de fy que d'Alixandre avez ouy cet., und meint, da Aymes sein Gedicht 1188 vollendet habe, das Alexanderlied müsse vor dieser Zeit gedichtet worden sein. Aber warum muß, wenn Aymes auf ein Gedicht des Inhalts verweist, dieses gerade das unsrige sein? Sollte es nicht vielmehr das ursprüngliche von Lambert sein? Andre Beweise, die er anführt, erscheinen mir noch unklarer. Allein entscheidend, außer dem Zeitgepräge, das ich nicht beurtheilen kann, scheint mir der Umstand, daß Alerander von Bernah der Dichter des Athys ist, dessen deutsche Nachbildung man um das Jahr 1200 sezt. Was Michelant endlich von der auffallenden Uebereinstimmung des deutschen Gedichtes (das er freilich nicht bei der Hand gehabt zu haben gesteht) mit dem französischen sagt, so möchte sich das doch darauf beschrän= ken, daß sie aus derselben Quelle geschöpft haben. Es bleibt um so mehr zu bedauern, daß von dem Alberich von Bisenzun sich nirgends eine Spur finden lassen will. Man kann annehmen, daß die verschiedenen Bearbeitungen des griechischen Romans im Ganzen denselben Gang befolgt und nur an einzelnen Stellen Neues eingefügt haben, je nachdem den Bearbeitern oder Abschreibern, die meistens ganz frei mit ihrem Stoffe schalteten, noch andre Berichte im Sinne vorschwebten oder vor Augen lagen. Von dem Zuge nach dem Paradiese nicht zu sprechen, den der französische Dichter nur nebenbei und sehr unkenntlich wider gibt (s. S. 356 des Auszugs), scheint mir die auffallendste Uebereinstimmung des französischen und deutschen Dichters in der Behand= lung der Geschichte der Königin Kandace statt zu finden. Hier erwähnt der französische Dichter, wie der eng lische (S. 458 des Auszugs), nicht nur des Minnespiels, sondern führt das Verhältniß mit besonderer Sorgfalt aus. Da die Stelle im Auszug nicht aufgenommen ist, sehe ich sie hierher (S, 380. 11 ff.). Puis (la roine) le maine en la canbre qui painturée estoit et par devant l'image en son lit le metoit. quant voit li et s'image, mult bien s'apercevoit "Sire, dist la roine, ne t'esmervelle mie quant Alixandres l'ot, dont n' a talent qu'il rie „quant jou laisai m' espée, mult par fis grant folie; „Sire, dist la roine, tu ies et rois et dus; Sollten aber auch, was nach der ganzen Anlage beider Gedichte und besonders bei der Berufung auf Alberich als Gewährsmann durchaus nicht wahrscheinlich ist, beide Dichter nach derselben unmittelbaren Darstellung gearbeitet haben, so ist doch ihr Gesichtspunkt ein völlig andrer, wie auch Michelant gesteht. Der französische Dichter steht, trog aller Sittensprüche, auf dem weltlichen Standpunkte; er preist Ritterlichkeit und edle Sitte als die ersten weltlichen Tugenden. Der deutsche Dichter dagegen drückt seinem Werke überall den Stempel streng chriftlicher Sitte auf; die Farben zu seinen Schlachtschilderungen leiht er aus der Heldenzeit und in seinen Wunderbeschreibungen zeigt er einen feinen Geschmack für die der deutschen Volkseigenthümlichkeit so sehr zusagenden |