Page images
PDF
EPUB

Name in dem Gebiete unserer sprachlichen Vorzeit schon bekannt ist, und dem ich auch sonst noch gar manchen Wink verdanke, wurde ich in den Stand gesezt, den Tert treu nach der Handschrift, die er in Straßburg aufs genaueste verglich, wiederzugeben und nicht nur an vielen Stellen zu berichtigen, sondern auch ganze Zeilen einzuschalten, die in den früheren Abdrücken fehlen. Dadurch wird freilich die Verszählung fürs erste noch verwirrter, da die früheren Drucke in dieser Beziehung, wie schon von mehreren Seiten gerügt worden, nicht nur nach verschiedenen Prinzipien behandelt, sondern im zweiten Drucke, der die 300 fehlenden Verse mitzählt, auch hundert Zahlen übersprungen sind (auf 860 folgt 965). Jedoch habe ich, um diesem unvermeidlichen Mißstande abzuhelfen, die Seitenzahlen der Handschrift und die Verszahlen des ersten und zweiten Abdrucks von Maßmann mit ihren Fehlern über die Seiten gefeßt. Bedauern muß ich, daß nicht auch die Seitenzahlen des zweiten Abdrucks angegeben sind, da namentlich in Benecke's Wörterbuch öfter darnach citirt wird. Es würde dies freilich leicht wieder zu Irrungen geführt haben und doch keine Vollständigkeit erzielt worden sein ohne die Seitenzahlen des ersten Druckes, die man auch hie und da noch findet. Als die Uebersegung und der Tert schon vollendet waren, erschien der französische Roman von Michelant und bald darauf der

Pseudo-Kallisthenes von Müller. Dadurch wurde meine Arbeit ausgedehnter; ich machte mich sogar daran, den ganzen Sagenkreis Aleranders zu umfassen; aber ich erkannte bald, daß dafür meine wenigen Mußestunden nicht ausreichen würden, und gab dies um so leichter auf, da ich wußte, daß Zacher mit einer kritischen Bearbeitung desselben sich eifrigst beschäftige. So erhielt denn mein Werk die Ausdehnung, in der es nun vors liegt. Es ist nicht für die Meister der älteren deutschen Sprache und Wissenschaft berechnet, sondern hat solche im Auge, die, in dieselbe eingeführt durch das Studium der mittelhochdeutschen Klassiker, auch die Vorläufer derselben kennen lernen wollen. Es sezt also allerdings schon einige Bekanntschaft mit den mittelhochdeutschen Sprachformen voraus, nimmt jedoch in den Anmerkungen, die weniger systematisch als nach Art eines Wörterbuchs eingerichtet sind, auch Manches auf, was zum schnelleren Verständniß herbeizuziehen räthlich erschien.

Was die Uebersezung betrifft, so habe ich mich bestrebt, die Einfachheit des Urtertes möglichst beizubehalten. Bei der großen Wandlung, die unsre Sprache erlitten hat, war dieses keine leichte Aufgabe und die kurzen Reimpaare erschwerten die Arbeit um ein Bedeutendes. Ich scheute mich daher auch nicht, ungewöhnlichere Worte und Wendungen aufzunehmen,

wo ich zu viel hätte verneuern oder umschreiben müssen. Daß für den vertrauten Kenner der älteren Sprache die Ueberseßung weit hinter der Urschrift zurückstehen muß, fühle ich sehr wohl, jedoch hoffe ich, dem schlichten Gewände Lamprechts nicht leichtsinnig Abbruch ge= than zu haben. So möge denn dies Werk, wie es mit Liebe für unsre Vorzeit von mir gepflegt wurde, mit Nachsicht aufgenommen werden und mein Hauptziel, dem Studium unseres Alterthums neue Freunde zuzuführen, nicht verfehlt sein.

Frankfurt a. M. im Juni 1850.

Einleitung.

Alerander der Große, der jugendliche Held, der aus Westen aufsteigend und den Often in unaufhaltsamem Triumphzuge durchschreitend, Often und Westen materiell und geistig zu verschmelzen trachtete, sank hin, als er kaum Hand angelegt hatte an den Aufbau des Riesenwerkes. All seine staunenswerthe Geisteskraft hatte er verwendet, um den Boden zu gewinnen für den neuen Bau und die Steine zusammenzutragen, aus denen er erstehen sollte. Ob ihm der Bau gelungen wäre bei längerer Lebensdauer, ob überhaupt ein lebensvoll or= ganisirtes Reich aus so entgegengesezten Elementen_er= stehen konnte, mag hier vollkommen gleichgültig erscheinen. Höchft bedeutsam ist immer die Umwälzung gewesen, die seinen Schritten folgte. Und wie sein Erscheinen und Wirken ein wesentliches Glied in der Bildungsgeschichte der Menschheit wurde, und er durch Verpflanzung der griechischen Kultur nach dem Orient namentlich auch dem Christenthum den Weg ebnete; so hat er insbesondere der Poesie neue Bahnen eröffnet, die durch viele Jahrhunderte durchführten und auf denen im Orient und Occident die wunderbarsten Blüthen reiften. Die Sage bemächtigte sich seiner Person und seiner Thaten. Unter

feinen eignen Augen und von ihm selbst begünstigt hef= tete sich der dichtende Volksgeist an seine Fersen und schmückte seine unerhörten Thaten mit den Gebilden einer regen Phantaste aus. Je weiter er vordrang in bis dahin unbekannte Gegenden, desto freier und reicher wurden die poetischen Zuthaten und als nun der angestaunte Göttersohn so plözlich dem Schauplah seiner Thaten ent= rückt, als nun plöglich der Faden durchschnitten war, an dem die Phantaste, vorauseilend, noch Wunderbareres zu erleben hoffte: da suchte ste Ersag für das Verlorne, indem sie des Wunderbaren in ungemessener Fülle herzutrug aus allen Zeiten und Zonen. Die Geschichte des gefeierten Helden wurde der Sammelplag für Alles, was die Dichtung Wunderbares ersann oder zum Wunderbaren umgestaltete.

Jedes Zeitalter, jedes Volk, jedes Land prägte dem Werke, das, wie sein Held selbst, ein Gemeingut Aller geworden war, seine Vorstellungsweise und seine eigenthümlichen Ideen auf, änderte, um ihn zu dem Seinigen. zu machen, Vieles, und fügte hinzu, was ihm bekannt und werth war von einheimischen Sagen.

"Die Eroberung eines ganzen Welttheils, sagt Görres in seinem Schachname, war eine so glänzende Begebenheit, daß sie in den Gemüthern einen tiefen, Jahrhunderte lang nachhaltigen Eindruck hervorbrachte, und das innere Element der Poeste, tief in seinem untersten Grunde in schwebenden und schwingenden Wellenbewegungen aufgeregt, mußte bald tönend und klingend in Liedern sich ergießen. Im Mutterlande der mächtigen Ereignisse, in Großgriechenland und Kleinasten, in allen

« PreviousContinue »