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Blume: Sie mögen beide nicht dauern; sie gleiten weg, wie das Feuer thut (Psalm 103, 15 f.). Andre Stel-len finden ihre Erwähnung in den Einleitungen, die ich geben werde, und in dem Auszug; besonders mache ich noch auf die Stelle aufmerksam (I, c. 7), wo Aler. sich, ganz widersprechend den gewöhnl. Annahmen, freut, daß ein Orakelspruch den Philipp als seinen Vater nennt. Sieht man dagegen auf die höchst lebhaften und anschaulichen Schilderungen von Festen und Umzügen, von Jagden und Schlachten, so könnte man wohl versucht werden, in dem Erzähler einen Ritter zu suchen. Das wäre dann aber ebensowohl auf unsern deutschen Lamprecht anzuwenden, der sich nicht minder gefällt in solchen Schildereien. Die Geistlichen jener Zeit standen eben den ritterlichen Uebungen und Anschauungsweisen nicht so fern. Man wird aber weder im englischen noch deutschen Erzähler eine eigentliche Luft an derartigen Thätigkeiten finden; es ist das rein objektive Interesse der Erkenntniß und belehrenden Darstellung.

Nur zwei Handschriften des engl. Gedichtes sind vorhanden (abgefeben von einem unbedeutenden Bruchstück von 200 V.); die eine (in the Bodleian Ms. Laud, I, 74 fol.) auf Bergament, aus dem 14. Jahrh., die andre, die dem Drucke zum Grund gelegt ist (library of Lincoln's Inn No. 150), der Sprache nach etwas später. Das in dieser Fehlende ist aus der ersteren Hschr. ergänzt und so ein vollständiges Ganzes geliefert worden.

Zur Kritik des Gedichtes übergehend, muß ich den englischen Dichter die Stelle dicht unter unserm Lamprecht anweisen und es läßt sich in beiden das gemein

same germanische Element nicht verkennen. Auch er weiß, wenn auch in geringerem Maße, als der Deutsche, sich zusammenzufaffen und in wenigen Worten ein lebensvolles, wirksames Bild zu entwerfen. Hier ist nicht diese compilatorische Wuth gehäufter, ins Unendliche gedehnter Schilderungen, nicht diese übermäßige Liebe für Wiederholungen, die sich oft auf Hunderte von Versen 'erstrecken, nicht diese schonungslose Anwendung von bloßen Flickzeilen; was man bei ihm von bedeutungslosen Zei len oder wörtlichen Wiederholungen findet, ist, wie bei Lamprecht, Einfachheit, Natürlichkeit und gewährt eben darum den nämlichen Reiz, wie die Refrains, ohne zu langweilen. Seine poetische Kraft ist bedeutend und gibt dem Gedichte etwas Ursprüngliches, das ungemein fesselt. Ich habe bei dem Auszug Rücksicht auf besonders schöne Stellen genommen und will daher hier nur zwei Schilderungen anführen, die auch der englische Herausgeber hervorgehoben hat.

Die eine schildert die Vorbereitungen zur Schlacht (v. 3411-3424): Manch Kampfroß sprang empor voll Muth: Im Stillen weinte mancher Mann. Der Sorglose und der Kühne sang: Die Feigen rangen ihre Hände. Da konntest du ein Losen hören: Manch schönes Fähnlein an dem Speer, Manchen Ritter mit sei nem Stahlhelm, Manch Schild vergoldet ganz und wohl, manche Schabracke, manche Decke, manchen Kunstgriff mit hellen Waffen. Die Erde bebte unter ihnen; Nicht mochte man den Donner hören Vor dem Schall der Pauken, der Trompeter und der Sänger.“

Die zweite malt Alexanders Nachtlager (v. 5252-59):

„Vor dem König hing ein Karfunkelstein Und zwei taufend Goldlampen und eine, Die warfen also großes Licht, Als bei Tag die Sonne glänzt. Die Minstrels regten ihre Zungen, Der Wald erbebte, als ste fungen. Bis auf zwanzig Meilen die Runde War das Land beDeckt mit Baronen und Rittern."

Im Colorit ist übrigens der Dichter ein treues Kind feiner Zeit. Nicht nur, daß er, wie Lampr., das christ= liche Bewußtsein überall hervorleuchten läßt; die ganze Geschichte, wie er sie erzählt, wächst durchaus auf dem Boden der Ritterzeit und in naiver Treuherzigkeit kleidet er seine Helden in englische Ritter um und breitet um sie die Sitten und Feste seiner Zeit aus. Man lese die Beschreibung des Festes, bei dem Nektanebus zuerst die Königin Olympias sieht (v. 150 235). Da tragen die Edelfrauen Sperber (that was honeste); da werden die Häufer mit Teppichen behangen, wie es noch im 15. und 16. Jahrhundert Sitte war beim Einzug des Lehensherrn. So vergnügen sich die Herren und Damen mit der Jagd im Wald und am Fluffe (v. 677 ff. In grene wode of huntyng, And of reveryng and of haukyng b. b. im grünen Wald zu jagen und am Fluffe und im Gefilde der Falkenjagd nachzugehen), wie es selbst die gefangene Maria Stuart noch als einzige Vergünftigung sich von ihrem Aufseher Ralph Sadler erbat in Tutbury Castle (f. Ralph Sadlers State Papers, Edinb. 1809, II, 538). Der Ritterschlag wird ganz nach mittelalterlichen Gesezen von Philipp ausgeübt (v. 802839), wie ihn Tieck im Oktavianus S. 320 ff schildert. Die Hochzeit mit Cleopatra ferert Philipp nach

englischer Sitte (v. 995-1162). Harfner und Minstrels werden als unverleßlich zu Gesandtschaften benut (v. 2843), bei welchem Zuge man an Alfreds des Großen und des Dänenkönigs Anlaff kühne Verkleidung denkt. Das Schachspielen (v. 3133 pleyghed at the chesse) ift ein allgemeiner Zug. Bei der Belagerung einer Seestadt werden Kanonen (gonnes) erwähnt (v. 3268). Die Naiverät des Dichters geht so weit, daß er bei der Beschreibung Thebens, um einen Begriff von den schönen, breiten Straßen zu geben, sagt, sie seien so herrlich gewesen, so is Chepe in this londe (wie Cheapside in London, v. 2656). Unser Lamprecht hat es viel mehr verstanden, seinem Gedichte ein alterthümliches Gepräge aufzudrücken. Abgesehen davon, daß er um wenigstens 150 Jahre früher gedichtet hat, fußt er mehr in der alten Heldenzeit, als in dem Ritterthume, und' hat sich ohne Zweifel mehr von seinen Quellen durchdringen lassen und ihren Charakter beibehalten. Seine Schilderungen der Wunder in Indien könnten in dem schönften orientalischen Märchen Plag finden. Ueberhaupt scheint seine Phantaste mehr in dem Orient, als Decis dent, Nahrung gesucht zu haben und mit einer gewiffen künstlerischen Rücksicht hält er bei Beschreibung des Orients jeden Anklang an occidentale Sitten und Gebräuche auch im Kleinsten fern. Auch ist der epischdidaktische Charakter reiner bewahrt und alle lyrischen Ergüsse meidet er, namentlich die Naturlyrik. Demungeachtet ist die sorgfältigste Betrachtung des englischen Romans von großem Gewinn für die Gesammtanschauung jener Zeiten, wo derselbe Strom der Poesie, wie das

Leben selbst in den Kreuzzügen, durch alle Länder Europa's flutete und eine gemeinsame Kunstbildung zu Wege brachte, die auf denselben Grundlagen ruhend und von derselben religiös = sittlichen Anschauungsweise aus. gehend, sich nach den Individualitäten der verschiedenen Völker dennoch so verschieden eigenthümlich gestaltete.

Was Sprache und Vers des englischen Gedichtes betrifft, so zeigen sich auch hier viele Anhaltspunkte zur Vergleichung mit Lamprechts Liede. Die Bitte um Verzeihung, wenn er wiederholt (v. 65-70); das oft wież derkehrende Hinweisen auf seine Quelle bei absonderli= chen Dingen (y fynde in boke z. B. v. 149); die Aufforderung zu erneuter Aufmerksamkeit (z. B. v. 39 f. Yef ye wolen sitte stille Full feole Y wol yow telle); das Flickwort y - wis entsprechend dem zware bei Lampr. und manches Andre. Ferner dieselben kurzen Reimpaare, dieselbe metrische Unregelmäßigkeit und dieselbe, oft an bloße Alliteration streifende Nachlässigkeit des Reimes 3. B. luste: best, thousand: byhynde, yarke: Karpe, rent: deontis, walles: all, foughte: doughty, bround: lond, stoveris: justers, rugge: hegge.

Wie nahe die englischen Sprachformen damaliger Zeit noch unsern mittelhochdeutschen kommen, kann man in jeder Zeile sehen; es bedarf dies übrigens auch kaum einer Erwähnung. Formen, wie: er ergriff ihn den Be cher hond habbynde (in der Hand habenden, d. h. auf frischer That), zeigen, welche Flexionsfähigkeit noch in der Sprache lag. Ich begnüge mich, hier nur noch eine Anzahl von Wörtern herzuseßen, die, zum Theil jezt verschwunden, ihren deutschen Ursprung deutlich zeigen.

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