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trugen. Oben war ein Zelt ausgespannt, das den Sternenhimmel nachahmte und mit unzähligen leuchtenden Punkten übersäet war. Auf der Bühne selbst befand sich ein hoher Berg, welcher achtzig Fuß im Umkreis hielt und sich in der Mitte öffnen ließ. Die Handlung des aufgeführten Stückes war aus dem Amadis entlehnt; in die Rollen hatten sich die vornehmsten Herren und Damen des Hofes getheilt; selbst die Königin spielte mit. Sobald der König eintrat und seinen vor der Bühne aufgeschlagenen Thron bestieg, wurde er mit lautschallender Musik begrüßt. Dann eröffnete ein von den schönsten Damen ausgeführter Tanz die Darstellung. Unter einem der Bogen erschien ein Wagen von Crystall, auf dem, von vielen Nymphen und Najaden umgeben, der Flußgott Tajo ruhte. Ein zweiter Wagen trug den Monat April, geführt von dem Sternbilde des Stiers. Nachdem beide Figuren den König begrüßt hatten und abgetreten waren, schwebte das Menschenalter auf einem goldenen Adler über die Bühne und brachte seinen Glückwunsch zu dem Geburtstage; dann öffneten sich drei Bäume und ließen Nymphen erblicken, die ihrerseits in Gratulationen nicht zurückblieben. In dem Schauspiele selbst, das hierauf seinen Anfang nahm, ward ein ungemeiner Aufwand von glänzenden Costüme's und prachtvollen Decorationen gemacht. Man sah unter Anderem die Aurora in einer glänzenden Wolke am Himmel emporsteigen, feuerspeiende Drachen sich bekämpfen, den Berg, welcher sich auf der Mitte der Bühne befand, sich öffnen und einen bezauberten, von vier Riesen bewachten Palast zeigen, dann diesen Palast unter Erdbeben versinken und an seiner Stelle einen prachtvollen Garten erscheinen u. s. w. *).

8) Obras liricas y comicas de D. Antonio de Mendoza. Segunda impresion. Madrid 1728. pag. 145.

In fast allen diesen Festspielen, welche den Hof Philipp's IV. verschönerten, waren Tanz und Gesang wesentliche Ingredienzien, und hier und da traten diese Bestandtheile so überwiegend hervor, daß die Fiestas in eigentliche Opern übergingen. Von Calderon's Purpura de la Rosa, einem Stücke welches die Geschichte des Adonis behandelt und zur Feier des pyrenäischen Friedens und der Vermählung der Infantin Maria Theresa mit Ludwig XIV. aufgeführt wurde, wird berichtet, es sei das erste Drama in Spanien gewesen, in welchem Alles gesungen worden sei.

Wenn man durch das bisher Gesagte zu dem Glauben verleitet werden könnte, auf der Bühne von Buen Retiro seien einzig nur solche pomphaften Festspiele aufgeführt wor den, so müssen wir diese Meinung berichtigen. Dieser Schauspielsaal stand zugleich allen anderen Gattungen von Stücken offen, mithin auch den Comedias de capa y espada, in denen sich gar kein Decorationsprunk anbringen ließ.

Ist das Ueberhandnehmen der äußeren scenischen Pracht ein characteristisches Merkmal, welches die zweite Hälfte der Blüthenperiode des spanischen Theaters von der ersten scheis det, so läßt sich wohl nicht verkennen, daß sich hierin schon der herannahende Verfall der Bühne fund gibt. So lange große Dichter, wie Calderon, sich der Gattung annahmen, wurde zwar der Glanz der Darstellung durch einen eben so blendenden Glanz der Poesie gehoben; allein auch von ihnen läßt sich nicht behaupten, daß sie da, wo sie sich den Anforderungen des Hofes dienstbar machten, stets auf derselben Höhe geblieben wären, wie da, wo sie allein ihrer eigenen Eingebung folgen konnten; und wenn endlich die Bearbeitung dieses Feldes in die Hände geringerer Comödienschreiber fiel, so mußte die dramatische Kunst in leerem Schaugepränge unter

gehen. Der nachtheilige Einfluß, welchen der Bühnenlurus auf Publikum und Schauspieler ausübte, läßt sich vollends gar nicht berechnen, insofern das erstere sich an eine rohe Schaulust gewöhnte, welche den Sinn von dem eigentlichen Gehalte der Kunst abzog, die letteren aber verführt wurden, die Wirfung nicht im Wesentlichen, in der geistigen Durchdringung der Rolle, sondern in dem äußeren Effekt zu suchen, es sich im Vertrauen auf die glänzenden Zuthaten bequem zu machen und ihre Schwächen damit zu verdecken.

Glücklicher Weise sind jene Hofschauspiele nicht das Einzige, wodurch der Name Philipp's IV. mit der Geschichte des spanischen Drama's zusammenhängt. An der ächten Liebe dieses Monarchen für die Kunst, so wie an seinem wahren Verdienst um dieselbe kann kein Zweifel sein. Schon der Scharfblick, mit welchem er aus der Menge der Dichter, welche um seine Gunst buhlten, die begabtesten und würdigsten zu wählen wußte, um sie in seine unmittelbare Nähe zu ziehen, bürgt dafür. Von ihm in eine sorgenfreie Lage versegt, brauchten sich die Dramatiker nicht mehr von den Forderungen der Theaterdirektøren abhängig zu machen, um durch raftlose und übereilte Production eine spärliche Existenz zu gewinnen; sondern sie konnten ihre Werke reiflich austragen und mit jener Sorgfalt pflegen, ohne welche keine Kunstvollendung möglich ist. Hier, wenn irgendwo, liegt denn auch das characteristische Merkmal, welches die vorliegende Epoche der dramatischen Kunst von der vorhergehenden unterscheidet und sie als den Gipfelpunkt der ganzen spanischen Schauspielpoesie erscheinen läßt. Schon durch Lope de Vega und seine Zeitgenossen waren alle Triebe wucherisch und in üppigem Wachsthum aufgeschoffen, und wenn man nur die Fülle der Phantasie, den Reichthum der Erfindung in's Auge faßt, so

kann man zweifeln, ob man nicht der früheren Dichtergruppe den Vorrang vor der späteren einräumen solle; auch die feine Ausbildung, die besonnene Leitung des Plans, die Präcision der Ausführung kann jenen Aelteren in den Werken, die sie in besonders glücklichen Momenten hervorbrachten, nicht abgesprochen werden; allein diesen vollendeteren Werken stehen gewiß mindestens eben so viele gegenüber, an denen wir die gegentheiligen Eigenschaften, die gröbsten Verstöße gegen die Regeln der dramatischen Composition, Mangel an Zusammenhang und gehöriger Durcharbeitung, beklagen müssen. Und wie konnte es bei der profusen Fruchtbarkeit, in welcher Lope de Vega den Ton angab und zu welcher er die Mehrzahl seiner Zeitgenossen mit fortriß, anders sein! Hier nun schlug die jüngere Generation von Dramatikern einen neuen Weg ein; es genügte ihr nicht, sich planlos dem gährenden Productionstriebe zu überlassen, sie machte mit mehr Scheu vor dem Publikum, mit mehr Achtung vor den ewigen Gefeßen der Kunst die vollendete Formung, die innere symmetrische Durchbildung des Drama's zu ihrem Princip. Daß wenigstens dies Princip die bedeutendsten Dichter, welche als Hauptvertreter der neuen Epoche anzusehen sind, leitete, wird im Folgenden klar werden, und die Wahrnehmung, daß auch noch in dieser Zeit ungefüge und regellose Werke untergeordneter Dramatiker zum Vorschein kamen, daß auch die bedeutenden ihrem Grundfah hin und wieder untreu wurden, kann unsere Behauptung nicht umstoßen.

Mag man nun von dem unerschöpflichen Erfindungsreichthum, von dem immer sprudelnden Quell gènialer Conceptionen, furz von der vielleicht nie wieder in gleichem Maße dagewesenen Fülle dichterischer Elemente, welche die vorhergehende Epoche des spanischen Drama's charakterisirt, so zur Bewunderung Gesch. d. Lit. in Spanien. III. Bd.

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hingerissen werden, daß man sich schwer von jenem Blüthenlabyrinth trennt, um in den mehr geregelten Reichthum eines Kunstgartens einzutreten; mag zugestanden werden, daß die genannten Eigenschaften in der späteren Phase der Bühnenpoesie nicht in gleichem Ueberfluffe vorhanden sind, — so ist es doch keinem Zweifel unterworfen, daß diese an Kunstvollendung über jener steht. Wie aber diese Kunstvollendung unstreitig der Maßstab ist, welchen Theorie und ästhetische Kritik anlegen müssen, sobald es sich um die Bestimmung des absoluten Gehalts eines Dichtwerks handelt, so wird auch die Periode, in welcher die größere Zahl der Productionen diesem Maßstabe entspricht, auf die höhere Stufe zu stellen sein. Doch wir greifen durch diese Bemerkungen, welche erst durch die genauere Betrachtung der einzelnen Dichter ihre Begründung erhalten können, dem Gange unserer Geschichte vor, und kehren deshalb zunächst zu den mehr äußeren Schicksalen des spanischen Theaters seit der Thronbesteigung Philipp's IV. zurück.

War schon seit dem Beginne des siebzehnten Jahrhunderts das Schauspiel der Mittelpunkt der spanischen Poesie geworden, so mußte die erklärte Neigung des jungen Königs für diesen Zweig der Literatur alle Dichter noch um so mehr zum Wetteifer in der dramatischen Poesie anspornen. Die Anzahl der Comödien, die während seiner Regierung über die Bretter gingen, war daher, wenn nicht größer, doch mindestens eben so groß, als die schon unübersehbare Menge derer, welche unter seinen beiden Vorgängern aufgeführt worden waren. Denn wenn auch die ungeheure Polygraphie aufhörte, mit welcher Lope de Vega anderthalbtausend, Tirso de Molina dreihundert Comödien hervorbrachte, wenn auch die sorgfältigere Pflege, welche die Dramatiker nunmehr ihren Werken widmeten, es ihnen unmöglich machte, die Fruchtbarkeit ihrer

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