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Namentlich im zweiten Buch, the Timepiece, läfst Cowper seiner Satire freien Lauf. Ohne Erbarmen geifselt er die Laster dieser Welt, this prison-house". Von allen Übeln sind Zügellosigkeit und Ausschweifung die schlimmsten, denn sie lösen alle Bande, welche die Menschheit zusammenhalten. Sogar die Universitäten sind verderbt und haben längst aufgehört, Sitze der Disciplin zu sein. Die Studenten haben keine Lust am Lernen, sondern bringen ihre Zeit lieber mit allerhand schädlichen Vergnügungen hin. Cowper schreibt die Schuld den Universitäten selbst zu, da sie sich der ihrer Obhut anvertrauten jungen Leute nicht annehmen. Freilich, das College, welchem sein Bruder John (1770) angehört Benet College, Cambridge, wird als eine rühmliche Ausnahme von der allgemeinen Verderbtheit hingestellt. Es ist überhaupt charakteristisch für Cowpers Satire, dafs sein Urteil durch den geringsten persönlichen Anlafs sogleich entwaffnet und gemildert wird. Ursprünglich hatte er in sein Gedicht einige schroff gehaltene Verse gegen das Papsttum einfliessen lassen. Allein sobald der Dichter die Bekanntschaft der katholischen Familie Throckmorton gemacht hatte, vernichtete er diese Verse wieder. Seine Bemerkungen über die Universitäten gewähren einen anderen Beweis einer starken Beeinflussung seiner Satire durch persönliche Beziehungen.

„Man praises man." Cowper tadelt heftig die übermässigen Lobeserhebungen, welche hervorragenden Mitmenschen, die zu hohem Ruhm und Ansehen gelangt sind, entgegengebracht werden. Er protestiert gegen die Verherrlichung des „statesman of the day", den das Volk wie einen Gott verehrt. Er tadelt die dem grofsen Komponisten Händel bei der Aufführung seines Messias (1784) dargebrachten Huldigungen und rügt die bei dem Shakespeare-Jubiläum (1769) dem grofsen David Garrick erwiesenen Auszeichnungen. Bei dieser Gelegenheit verdammt der Dichter überhaupt alle theatralischen Aufführungen. Als des höchsten Lobes würdige Gegenstände empfiehlt Cowper die Tiere, die Natur und vor allem Gott, den Schöpfer aller Dinge.

Die am wenigsten ansprechenden, ja fast abstofsenden Partien des Gedichtes sind diejenigen, welche gegen einige harmlose Vergnügungen und nützliche Beschäftigungen der Menschen ge

Vergl. VI, 632 ff.

richtet sind, so z. B. gegen das Schachspiel, Billardspiel, den

Theaterbesuch und das Studium der Naturwissenschaften. Es erklärt sich diese Abneigung zum grofsen Teil durch die methodistischen und puritanischen Anschauungen Cowpers. Dazu kommt, dafs die englische Bühne jener Zeit in der That viel Anlafs zu Ärgernis darbot. Das Studium der Geschichte, der Geologic, der Astronomie, der Chemie sind Dinge, welche der Dichter rücksichtslos verwirft.' Er verspottet den Physiker, welcher die Ursachen der Naturerscheinungen zu erforschen bestrebt ist und der es verschmäht, die wahre Ursache aller Dinge kennen zu lernen. Die grofsen Entdeckungen Priestleys auf dem Gebiet der Chemie, die Erfindung des Blitzableiter durch Franklin und andere wichtige Entdeckungen, welche zu Cowpers Zeit gemacht wurden, ziehen den Tadel des Dichters auf sich, weil sein beschränkter Verstand sie nicht zu fassen vermag. Besonders die Astronomen müssen seinen scharfen Spott über sich ergehen lassen, weil Cowper ihr Studium für unnütz hält.

God never meant that man should scale the heavens
By strides of human wisdom. (III, 221.)

Wenngleich die Astronomen durch ihre sinnreichen Instrumente Sterne und Planeten entdecken können, so sind sie doch niemals im stande gewesen, den Schöpfer des Weltalls zu entdecken. Diese Geringschätzung unschuldiger Unterhaltungen und naturwissenschaftlicher Studien beruht auf dem dritten Element, welches in dem Gedicht vorherrscht, nämlich auf Cowpers reli giösen Anschauungen. In seinen Moralischen Satiren wie in der Task finden wir ein tiefreligiöses Gefühl, wurzelnd in den Lehren der evangelischen Partei, deren Mitglied Cowper war. In allen Dingen erblickt der Dichter die mächtige Hand des Schöpfers, überall sieht er

the footsteps of the God

Who gives its lustre to an insect's wing,

And wheels His throne upon the rolling worlds. (V, 813.)

Die Seele aller Wunder in der Natur ist Gott. Er hat die Ordnung des Jahres festgesetzt, so dafs jede Jahreszeit zu gehöriger Zeit wiederkehrt. Von der sturmgepeitschten Eiche bis herab zu dem unscheinbaren Grashälmchen auf dem Felde offen

| III, 150-180.

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bart alles die Gröfse und Allmacht des Herrn. Cowpers innige Liebe zu Gott zeigt sich besonders in den Schlufsversen des fünften Buches. (V, 896 ff.) Acquaint thyself with God, if thou wouldst taste His works." Dies ist der beständige Rat, welchen der Dichter seinen Mitmenschen giebt. Solange der Mensch an irdischen Freuden hängt, ist er nur zu leicht geneigt, den Schöpfer zu vergessen. Diejenigen, welche an ein seit Beginn der Welt vorhandenes oberstes Gesetz glauben, täuschen sich selbst. Denn, sagt unser Dichter, wie könnte es ein oberstes Gesetz geben, welchem alle Dinge unterworfen sind, wenn Gott es nicht gemacht hätte.

Nature is but a name for an effect

Whose cause is God. (VI, 223.)

Cowpers frommes Gemüt hält die grofsen verderblichen Erdbeben für Ausbrüche des göttlichen Zornes, um die Menschen für ihre Sünden zu strafen. Alle menschlichen Versuche, den Grund der Natur zu erforschen, sind nutzlos. Die Entdeckungen der Ursachen jener furchtbaren Naturereignisse werden sie weder ungeschehen machen, noch sie in Zukunft verhindern. Die Philosophie, welche den Grund dieser Welt und alles menschlichen Seins ergründen will, welche die Wahrscheinlichkeit eines Lebens im Jenseits untersucht, kann nicht zur Offenbarung Gottes führen. (II, 527 ff.) Als hervorragende Beispiele von Männern, in denen Wissenschaft und wahre religiöse Empfindung eng verbunden waren, preist der Dichter Newton (childlike sage! III, 252), Milton und Sir Mathew Hale, den berühmten Oberrichter unter Karl II.

Des Dichters religiöse Anschauungen sind allerdings streng und asketisch, allein dies waren die Anschauungen einer grofsen religiösen Partei jener Zeit. Es war eine Zeit grofser religiöser Strömungen in England, die namentlich von Wesley und Whitfield ausgingen. Übrigens wird niemand, welcher Cowpers Lebensgang kennt, überrascht sein, wahrzunehmen, dafs ein so kränkelndes, empfindliches Gemüt, wie das seinige, seine gröfste Lust in der Anhänglichkeit an seinen Herrn und Heiland fand, dessen Liebe und Güte er ja an sich selbst, besonders in den Anfällen von Geistesgestörtheit, so sehr erfahren hatte. Wir haben des Dichters eigenes Geständnis in der Task.

I was a stricken deer that left the herd
Long since; with many an arrow deep infixed
My panting side was charged, when I withdrew
To seek a tranquil death in distant shades.
There was I found by One who had Himself
Been hurt by the archers. In His side He bore,
And in His hands and feet, the cruel scars.
With gentle force soliciting the darts,

He drew them forth, and healed and bade me live.

(III, 108 ff.)

Ihm ist Gottes Wort die einzige Quelle der Wahrheit. „All truth comes from the sempiternal source of light divine." (II, 499.) Er lobt den wahren Geistlichen, welcher sein Amt ernsthaft nimmt, dem es ein Herzensbedürfnis ist, das Evangelium zu predigen und die Segnungen der Religion unter dem Volke zu verbreiten. Energisch wendet er sich gegen die mannigfachen Mifsbräuche in der Geistlichkeit und weist sie auf den Apostel Paulus hin als den wahren Diener Gottes. In der That war das Leben der englischen Geistlichen jener Zeit nichts weniger als frei von Vorwurf und Tadel in der Ausführung ihres Amtes. Sie werden bezeichnet als „the most lifeless in Europe, the most remiss of their labours and the least severe in their lives". Erst die evangelische Bewegung, an welcher Cowper keinen geringen Anteil hatte, bewirkte eine Wendung zum besseren und erwerkte eine neue sittliche Begeisterung.'

Gegen Ende seines grofsen Gedichtes wird der Dichter von einer prophetischen Begeisterung ergriffen. Er prophezeit, dass eine Zeit kommen wird, wo alle Tiere in Frieden miteinander leben werden. Der Löwe und der Bär werden mit den Lämmern zusammen weiden, und die Schlange wird nicht länger ein Feind des Menschen sein. Die ganze Menschheit wird einen Vater verehren, und es wird ein Hirt und eine Herde sein. Alle Völker werden in den gemeinsamen Ruf einstimmen: Worthy the Lamb, for He was slain for us!" (VI, 792.)

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Eine gute Darstellung der religiösen Bewegungen in England in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts findet sich bei Green:

A short history of the English people. (p. 716 ff.)

2

Vergl. Jesaiah, Kap. 65, v. 25: The wolf and the lamb shall feed together, and the lion shall eat straw like the bullock.

The dwellers in the vales and on the rocks
Shout to each other, and the mountain-tops
From distant mountains catch the flying joy,
Till, nation after nation taught the strain,
Earth rolls the rapturous Hosanna round.

From every clime they come

To see thy beauty, and to share thy joy,
O Sion! an assembly such as earth

Saw never, such as Heaven stoops down to see.

(VI, 792, 814 ff)

Jerusalem wird wieder aufgebaut und als die heilige Stadt verehrt werden. Zum Schlufs wünscht sich der Dichter einen sanften Tod, a safe retreat beneath the turf he has so often trod."

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Man kann nicht umhin, die Anmut und Schönheit dieser Stellen zu bewundern, welche die bereits erwähnten Mängel des Gedichtes weit aufwiegen. In einem Briefe an Unwin vom 10. Oktober 1784 sagt Cowper: What there is of a religious cast in the volume, I have thrown towards the end of it, for two reasons first, that I might not revolt the reader at his entrance; and secondly, that my best impressions might be made the last."

Wenn wir nun unser Urteil über Cowpers Task zusammenfassen wollen, so müssen wir gestehen, dafs dieses Gedicht eines der besten, vielleicht das beste Lehrgedicht in englischer Sprache ist. Des Dichters Absicht, die Liebe zur Natur und zum Landleben unter dem englischen Volke zu beleben, ist völlig erreicht worden. Gröfsere Dichter haben denselben Stoff nach Cowper behandelt, allein sie haben auf den Grundlinien, die er dargelegt hat, weiter gebaut, und er ist ihr Führer. The part which Cowper performed, sagt Macaulay in seinem Essay on Moore's life of Lord Byron, was rather that of Moses than that of Joshua. He opened the house of bondage; but he did not enter the promised land. Der Hauptreiz der Task besteht in des Dichters Originalität und in dem Ernst, mit welchem er zu Werke gegangen ist. Seine Poesie wurzelt in seinem Herzen. Seine Liebe. zur Natur, im Verein mit einer schönen und edlen Sprache, macht einen mächtigen Eindruck auf den Leser. Cowper hatte kaum irgend welche Vorgänger, die er hätte nachahmen können, aufser

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