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vielleicht Milton, dessen Werke er gründlich studiert hatte. Seine Lieblingsdichter waren, wie er selbst erzählt (IV, 708 ff.), Milton und Cowley, aber Cowper ist durchaus selbständig.

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No bard could please me but whose lyre was tuned

To Nature's praises. (IV, 704.)

Wir müssen jedoch auch Cowpers Verdienst nicht überschätzen. With the exception of Shakespeare," sagt Mr. Willmoth,' Cowper is the English poet who has given the greatest happiness to the greatest number. It has been the rare fortune of Cowper to obtain the votes of the crowd; the tasteful read him for his grace, and the serious for his religion." Mit diesem Urteil können wir uns im allgemeinen einverstanden erklären. Wenn aber derselbe Kritiker weiter behauptet, dafs The Task zu den vier Gedichten gehöre, welche überall gelesen werden; wenn er es somit auf eine Stufe stellt mit Miltons Paradise Lost, Thomsons Seasons und Youngs Night Thoughts, so können wir ihm nicht beipflichten. Es ist mindestens sehr zweifelhaft, ob Youngs und Thomsons Werke in der That überall gelesen werden sicherlich nicht in Deutschland. Das einzige unter jenen drei Gedichten, mit welchem Cowpers Task überhaupt verglichen werden kann, ist Thomsons Seasons, allein hier fällt der Vergleich zu Gunsten Cowpers aus. Cowper behandelt allerdings zum Teil dasselbe Gebiet wie Thomson, doch ist ein grofser Unterschied zwischen beiden. Cowper beschreibt nur das, was er wirklich sieht. Er schildert nicht die Natur in all ihrer Mannigfaltigkeit zu allen Jahreszeiten, aber seine Schilderungen sind durch und durch englisch und gänzlich frei von aller falschen Hirtenpoesie. Bei ihm finden wir keinen mythologischen Apparat wie bei Thomson. In Cowpers Gedicht nehmen wir keine Anstrengung wahr; alles erscheint und ist vollkommen natürlich. Seine Landschaften werden von wirklichem Landvolk, nicht von erdichteten Gottheiten belebt. Ein Vergleich zwischen Milton und Cowper wäre völlig unangebracht. Cowpers schlichte und kunstlose Poesie wie sie sich in The Task darstellt kann man nicht mit der grofsartigen und majestätischen Diktion der Miltonschen Muse vergleichen, wenn auch Cowper in seinen kleineren Gedichten Milton nachzuahmen versuchte. The Task kann sich durchaus

Vorrede zu Cowpers Werken (Routledge) p. XLV.

nicht zu den grofsen Kunstwerken rechnen. Dazu fehlt es ihr viel zu sehr an Einheit und Zusammenhang. Der Dichter springt von einem Gegenstand auf einen anderen über, bald ländliche Scenerie malend, bald seiner satirischen Laune sich überlassend, oder von religiöser Begeisterung fortgerissen. Cowper besafs nicht in hervorragendem Grade die schöpferische Kraft, the vision and the faculty divine. Indessen die eigentümliche, originelle Art des Dichters zieht uns mächtig an in der Task und verhindert jeden Vergleich mit anderen poetischen Erzeugnissen.

Ein paar Bemerkungen über die Sprache und den Versbau unseres Gedichtes mögen mir noch gestattet sein. Wir haben bereits gelegentlich auf die grofsen Schönheiten in der Form des Gedichtes hingewiesen. Purer, sweeter, simpler English never was written,“ sagt ein englischer Kritiker. Cowper kannte sehr wohl die packende Kraft der englischen Sprache, besonders ihres germanischen Elementes. Mit Ausnahme einiger schleppenden und uninteressanten Stellen ist der Stil des Gedichtes sehr durchsichtig und lebendig, wie überhaupt der Dichter bestrebt ist, einen der gewöhnlichen Umgangssprache möglichst entsprechenden Ton anzuschlagen. Das Gedicht ist im Blankverse geschrieben, während seine Moral Satires in heroischen Couplets abgefafst sind. Wie Cowpers Task die englische Poesie inhaltlich von künstlerischer Geschraubtheit zur Natur zurückführen wollte, so bezeichnet sie auch in der Form einen grofsen Fortschritt. In heftigen und bitteren Worten drückt Cowper seine Verachtung aus, welche er für „the creamy smoothness" der damaligen üblichen Dichtungsweise empfand,

Where sentiment was sacrificed to sound,
And truth cut short to make a period round.

Er bedauert tief, dafs Pope

(Table Talk 516.)

Made Poetry a mere mechanic art,

And every warbler has his tune by heart.

(Table Talk 654.)

Cowper erzählt uns, wie die Natur in den Dichtungen seiner

Zeit behandelt wurde.

Nature indeed looks prettily in rhyme;

Streams tinkle sweetly in poetic chime:

The warblings of the blackbird, clear and strong,

Are musical enough in Thomson's song;

And Cobham's groves, and Windsor's green retreats,
When Pope describes them, have a thousand sweets;

He likes the country, but in truth must own,

Most likes it when he studies it in town. (Retirement 567 ff.)

Seine wahre und innige Liebe zur Natur veranlasste auch den Dichter, nach einer natürlicheren Form zu suchen als jener geschraubte Stil, welcher die Poesie seiner Zeitgenossen kennzeichnet. Er verschmähte den Gebrauch des Reimes, weil der Gegenstand seiner Dichtung das Lob Gottes ist, wie wir aus den letzten Versen des Gedichtes erfahren.

'Tis not in artful measures, in the chime
And idle tinkling of a minstrel's lyre,

To charm His ear, whose eye is on the heart;
Whose frown can disappoint the proudest strain,

Whose approbation prosper even mine. (VI, 1020.)

Man hat behauptet, Cowper sei hinsichtlich des Versbaues in seiner Task in das entgegengesetzte Extrem verfallen. Von dem glatten Flufs der Verse, welcher ein wesentliches Merkmal der Poesie sei, wäre bei ihm nichts zu finden. Seine Verse seien rauh und holperig. Allerdings enthält das Gedicht eine ganze Anzahl schlecht gebauter Verse, Unregelmässigkeiten im Rhythmus, welche das Ohr unangenehm berühren, allein im ganzen ist der Versbau ein glatter und der Rhythmus ein wohlgefälliger. Jedenfalls ist Cowpers Behandlung des Verses in der Task eine weit bessere als die in seinen Moralischen Satiren. Seine Reime sind häufig fehlerhaft, was wohl zum Teil einer mangelhaften Beschaffenheit seines Gehörs zuzuschreiben ist.

In Anbetracht des beträchtlichen inneren Wertes der Task können wir die wenigen angedeuteten Mängel gern mit in Kauf nehmen. Wenn das Werk auch keine Dichtung ersten Ranges ist, so hat es doch dauernde Verdienste und wird immer eine angesehene Stelle als eines der bemerkenswertesten Erzeugnisse in der englischen Litteratur des achtzehnten Jahrhunderts einnehmen, da es dem Strom der englischen Dichtung eine neue und natürlichere Richtung gegeben hat, in welcher dann viele und bedeutendere Dichter als Cowper nachgefolgt sind.

Bremen.

A. Beyer.

Untersuchungen

zu der

mittelenglischen Romanze von Sir Amadas.

Erster Teil.

Die Fabel des Gedichtes.

Die Fabel des „Sir Amadas" ist eine Version der Sage vom dankbaren Toten, gehört somit jenem weitverzweigten Sagenkreise an, dessen Spuren sich in fast allen Ländern Europas, ja über die Grenzen unseres Erdteils hinaus und zeitlich bis ins griechischrömische Altertum, sogar bis in biblische Vorzeit hinauf, verfolgen lassen.* Freilich begegnet der in Rede stehende Stoff als Gemeingut so vieler Völker und Zeiten hier und da in seltsamer Form, vielfach entstellt durch Verkürzungen und Erweiterungen mannigfacher Art durch Verquickung mit fremden Sagenstoffen, durch volkstümliche Umdeutung und Modifikation gewisser Züge der Sage infolge von Mifsverständnissen oder auf Grund specifisch nationaler Eigenart, durch Einmischung mythischer, religiöser, possenhafter Elemente u. dgl. mehr, so dafs es nicht immer leicht ist, denselben Kern unter der fremdartigen Schale zu erkennen.

Die Idee der Totenbestattung, werden wir sehen, ist das Wesentliche in unserer Sage, das treibende Motiv, aus dem sich in den reineren Formen der Überlieferung die einfache Handlung, welche den Gegenstand der Sage bildet, entwickelt. Der Gedanke, die Verstorbenen durch ein Begräbnis ehren zu müssen, zumal wenn man ihnen dadurch, wie der naive Volks

* Vgl. Sepp, Altbayerischer Sagenschatz zur Bereicherung der indogermanischen Mythologie, München 1876, p. 678 ff. Jahrbücher des Vereins von Altertumsfreunden in den Rheinlanden, XXV, 172.

glaube alter und neuer Zeit meint, die Ruhe im Tode sichern kann, ist von allgemein menschlicher Bedeutung. Dementsprechend finden wir jene Idee immer und immer wieder als Mittelpunkt gemütstiefer Sagen, welche eindringlich an jene heilige Pflicht erinnern und die Art, wie ihre Erfüllung sich selbst belohnt, in helles Licht setzen.

Seit im Jahre 1856 Simrock sein Büchlein „Der gute Gerhard und die dankbaren Toten. Ein Beitrag zur deutschen Mythologie und Sagenkunde" veröffentlichte, haben verschiedene Forscher Nachträge zu der von Simrock gebotenen Sammlung von hierhergehörigen Sagen geliefert und die Diskussion über den Kreis im allgemeinen fortgeführt, so dafs zur Zeit ein nicht geringes Material über den Stoff der Sage vom dankbaren Toten vorliegt. Dasselbe ist indessen meines Wissens noch nie im Zusammenhange dargestellt oder zum Ausgangspunkt einer zusammenfassenden Untersuchung über das in Frage stehende Sagengebiet gemacht worden. Die folgenden Zeilen wollen dies versuchen und sollen sich auf der Grundlage der in einer leider sehr zersplitterten Litteratur gebotenen Quellen mit der Verbreitung und der inneren Entwickelung der Sage beschäftigen.

I.

Die Verbreitung der Sage.

Bei weitem die meisten Fassungen der Sage vom dankbaren Toten gehören der abendländischen Welt an. Nur wenige orientalische Vertreter, denen sich einige osteuropäische Versionen zugesellen, sind hier zu nennen. Zuerst werde erwähnt das Buch Tobias, dessen Stoff ohne Zweifel in unseren Sagenkreis gehört. Der fromme, mit seinen Stammesgenossen von Salmanassar in Gefangenschaft weggeführte Tobias begräbt nachts die Toten und Erschlagenen, welche unbeerdigt auf der Gasse liegen. Raphael, der Engel des Herrn, belohnt ihn für sein Gott wohlgefälliges Thun, indem er seinem Sohne ein Mittel anzeigt, dem greisen Vater das verlorene Gesicht wieder zu verschaffen. Dem Sohne selbst aber führt Raphael ein Weib zu, mit welchem sich dieser zu einer glücklichen Ehe verbindet, nachdem es ihm mit Hilfe des Engels in der Hochzeitnacht gelungen ist, den bösen Geist zu vertreiben, welcher das Weib früher besessen und demselben bereits sieben Verlobte getötet hatte. Nicht unwesentlich weichen von

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