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genau entsprechen in den Endungen dorp, siel (bezw. zyl), um, ard. Auf ostfriesischer Seite seien noch erwähnt die echt holländischen Namen der Landzunge de Knok" (Knochen), der Sandbänke Paap (Pfaffe) Zand, „Schuiten (Kähne) Zand“ und „de Ranzel" (Ranzen). Die tieferen Stellen des Emsfahrwassers führen den Namen Gat (Loch) oder Gatje. Die Stelle eines früheren Seedurchbruchs durch die Borkumer Dünen heifst heute noch „Tusschen door" (Zwischen durch).

Auf Borkum, welches von den ostfriesischen Eilanden am weitesten vom Festlande gelegen ist, zeigt sich das holländische Element ganz besonders unter den älteren Leuten, welche meist auf holländischen Schiffen im Matrosendienst waren. Es finden sich dort fast ausschliefslich holländische Familiennamen, wie Bakker, Sleeboom, Elderts, Teerling, Bekaan, Wybrands. Die Alten freuen sich, wenn die holländische Sprache an ihr Ohr klingt, in ihrer Jugend hörten sie dieselbe in Kirche und Schule; die gehobene Sprache der jetzigen hochdeutschen Predigt verstehen sie, der Versicherung des alten Seemannes Teerling zufolge, nur zum Teil.

Die Groninger und ostfriesischen Ems-Anwohner verstehen einander leicht, eine besondere Eigentümlichkeit beider ist das geringe Öffnen des Mundes beim Sprechen. So finden sowohl die „Dütskers“ (wie die hochdeutsch Redenden von den Ostfriesen genannt werden) wie auch die Amsterdamer, Haager oder Leidener, in deren engerer Heimat das volltönendste und beste Holländisch gesprochen wird, während der ersten Zeit des Aufenthalts bei den Ostfriesen resp. Groningern Schwierigkeiten beim Verstehen ihrer Landsleute.

Herr Rödiger berichtete über den zweiten Teil des neu erschienenen zweiten Bandes von Müllenhoffs deutscher Altertumskunde. Mr. Bourgeois behandelte in Form einer Causerie die Jugendjahre Bérangers.

Sitzung am 13. Dezember 1887.

Herr F. Müller machte einige Mitteilungen über Westfrieslands Volk und Sprache.

Die holländische Provinz Friesland (Westfriesland ist deutsche Bezeichnung) mit den dazugehörigen Inseln Ameland und Terschelling hat im Gegensatz zum deutschen Ostfriesland die Sprache der Vorfahren bewahrt. Allerdings gebührt dieses Verdienst in erster Linie den Landbewohnern. In den grofsen und kleinen Städten herrscht die holländische Sprache, nur die Sprache der niederen Klassen, das sogenannte stedfrysk" (stadtfriesisch) hat einen friesischen Beigeschmack. Als Beispiele seien folgende Wörter angeführt, Reihenfolge: friesisch, holländisch, stadtfriesisch:

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woekere

moeze

schmieren moezje morsen Wenn auch im Mittelalter die Friesen ihre Selbständigkeit und Eigenart gegen die Oberherrschaft der holländischen Grafen hartnäckig verteidigten und in blutigen Kämpfen dafür eintraten, wenn sie auch heute noch von ihren Landsleuten ob ihres eigensinnigen Wesens de friesche stijfkoppen" genannt werden, die Pflege der altehrwürdigen Sprache, wie sie sich beispielsweise der in ähnlichem Verhältnisse sich befindende Provençale angelegen sein läfst, findet sich in Friesland nicht.

Die „Selskip for fryske tael en skriftenkennisse" in Leeuwarden (friesisch Liouwert) hat sich der alten Volkssprache zwar aufs wärmste angenommen, ohne jedoch derselben aufserhalb des Bauernstandes eine ernstliche Pflege sichern zu können, indem der Städter das Friesische mehr als „aardigheid" betrachtet, das ihm also höchstens zur Kurzweil dient.

Für das friesische Landvolk fehlt es nicht an litterarischen Erzeugnissen in Prosa und Poesie. Ein Kalender, De Bije Koer" (Bienenkorb), enthält die bemerkenswertesten Ereignisse aus der friesischen Geschichte dem Kalendarium beigedruckt, der Anhang enthält humoristische, gemütvolle und patriotische Gaben für den biederen Bauersmann. Für Liebhabertheater giebt es zahlreiche Stücklein (toanielstikken) im Charakter des Schauspiels (toanielstik), des Lustspiels (blijspil) und der Posse (kluchtspil).

An Liederbüchern ist auch kein Mangel. Erwähnt sei das Werk von van Loon en de Boer: „It Lieteboek" (Fryske sang in kraeftige, swietluwdige, oerâlde sprack). Als Merkwürdigkeit sei angeführt, dafs ein Loblied auf Friesland nach der deutschen Studentenmelodie: Vom hoh'n Olymp herab ward uns die Freude" gesungen wird.

Sonntäglich erscheint in Leeuwarden eine Zeitung: „Friesch Volksblad, welche halb holländisch, halb friesisch gedruckt wird, und zwar ist der unterhaltende Teil in letzterem Idiom verfasst.

Die alten friesischen Volkstrachten sind dem modernen Kleiderschnitt zum Opfer gefallen. In Hindeloopen an der Zuiderzee gab es vor wenig Jahren noch eine einzige Familie, welche der alten Tracht treu geblieben war; jetzt müssen die Hindelooper zum friesischen Museum in Leeuwarden pilgern, um die Kleidung ihrer Grofseltern und auch die frühere Einrichtung der Zimmer kennen zu lernen. Ein Rest aus alten Zeiten ist noch der Kopfputz, die sogenannten „oorijzers" (Ohreisen). Beiläufig sei hier bemerkt, dafs die Provinz Zeeland sich in der Anhänglichkeit an die Volkstracht vor allen anderen Landesteilen auszeichnet. Die abgeschlossenere

Lage der Eilande an den Scheldemündungen hat dabei günstig gewirkt.

Im Jahre 1876 warf der Vorstand der „Selskip for fryske tael en skriftenkennisse" die Frage auf, ob man nicht eine feststehende Schreibweise annehmen sollte, um in die verschiedenen Schreibarten Einheit zu bringen. Es wurde eine Kommission gewählt zur Beantwortung der vorliegenden Fragen, bestehend aus den Herren van Loon, van Bloom, Dykstra, van der Veen, Colmjon. Die Frucht der Beratungen erschien am 22. Mai 1879 in Gestalt eines Büchleins von 51 Seiten im Verlage von N. A. Hingst zu Heerenveen (fries. Hearenfean), welches des Interessanten vieles enthält. In die Augen fallend sind die bedeutenden Unterschiede zwischen Holländisch und Friesisch, sowie die Ähnlichkeit mit dem Altenglischen. [Man spricht in Friesland auch wohl von der Volkssprache als „plat engelsch". Fünf Wochentage lauten beispielsweise: Moandei, Tiisdei, Woansdei, Tongersdei, Freed; Sonnabend und Sonntag weichen von den Bezeichnungen der übrigen germanischen Sprachen ab: Snjeun und Snein.]

Auf 40 Blattseiten geben die Verfasser eine gedrängte, aber sehr umfassende Lautlehre. Das friesische Alphabet hat 27 Bestandteile: a, bie, sie, die, e, effe, gie, ha, i, ij, je (j), ka, el, im, in, o, pie, kû oder kjou, ar, esse, tie, û oder ou, fé, dûbeld-û oder -ou, exet, yet, seddet. Diphthonge und Triphthonge sind: ai, aei (langes ai), au, ea, eau, ei, eu, ie, ieu, iu, oa, oai, oe, oei, oi, ou, ui. Als Beispiele von Vokalhäufungen seien erwähnt: oanklaeije (ankleiden), ik skreau (ich schreibe), lieuwen (Löwen), koai (Koje), moaije (schöne), boekstoaije (buchstabieren). Als Konsonantenhäufung die Wörter: spjeldtsje (kleine Nadel), spjeldsjen (mit Nadeln feststecken).

Die Bearbeiter sagen, dafs sie von dem Grundsatze ausgingen: Schreibe so, wie du sprichst. Bei dem Bestreben, das gesprochene Wort durch die Schrift so gut wie möglich wiederzugeben, ist zu berücksichtigen, dafs dieselben Buchstaben in den verschiedenen Sprachen anderen Wert haben, und so ist auch der Ansicht entgegenzutreten, dafs das Friesische nach holländischer Art zu schreiben wäre. Der Unterschied zwischen beiden Sprachen ist grofs, das Friesische besitzt besonders volle Laute, welche sich im Holländischen nicht finden, und die gewöhnlichen holländischen Buchstaben verbindungen würden für das Friesische nicht ausreichen. Man mufs also nach neuen Zusammensetzungen sich umsehen, um ein bequemes Lesen zu ermöglichen, und zwar sind die Buchstaben so zu gebrauchen, dafs sie dem Werte genau entsprechen, den sie im Friesischen haben.

Die friesischen Schriftsteller haben im Laufe der Zeiten jedoch für die Werte keine gleichmässige Auffassung bekundet. Der allgemeine Charakter des Friesischen aus ältester Zeit ist kurz und ein

fach, von jedem fremden Einflufs frei. Aufser ai und ei hat man eigentlich keine Diphthonge und gar keine Triphthonge oder Doppelvokale. So steht grata für das neuere greate (grofse), an für oan (ein), sten für stien (Stein), god für goed (gut). Im 15. Jahrhundert bekam die Sprache ein anderes Aussehen. Gysbert Japiks Schriftweise weicht wohl von der heutigen noch bedeutend ab, doch schrieb er schon boeck statt des älteren bok, langh statt lang. Mit ihm begann die neuere friesische Litteratur.

In der Jurisprudentia Frisica von De Haan Hettema und den Gesta Fresonum, welche Anfang des 16. Jahrhunderts von der „Frysk Genoatskip for skied- âldheid- en tealkinde" herausgegeben wurden, finden wir wieder eine abweichende Schreibart, so huus für das ältere hus, Christenheed für Kerstenede, fyaerde für fiarde, graet für grat (great), sprieck für spreke.

Mit dem 17. Jahrhundert kommen die Verbindungen oa, ou und uw auf und in der Folge wird die Sprache stets klangreicher. 1834 veröffentlichte Joast Halbertsma einen Aufsatz im Friesch Jierboeckjen, worin er die Schreibart, auf derjenigen Gysberts fussend, weiter entwickelte.

Danach machte sich Harmen Sytstra als Sprachkundiger und Wegweiser für die Orthographie geltend. Er verehrte das älteste Friesisch, wie es der Hauptsache nach auch jetzt noch gesprochen wird, welches er aber in der herrschenden Schriftsprache nicht wiederfinden wollte. Er verwarf die Neuerungen Gysbert Japiks und Halbertsmas und kam zurück auf die Schreibart des 13. Jahrhunderts. Doch hierbei hatte er kein Glück, seine Sprache wurde nur schwerer verständlich, selbst für das Volk, das sie sprach, es konnte sie nur mit Mühe lesen.

Im Nachwort meinen die Verfasser, dafs wohl mancher seine eigene Meinung über das Gebotene haben werde, sie betonen dabei, dafs ihr Streben nur darauf hinausging, Einheit in die Sprache zu bringen. Durchaus so zu schreiben, wie man spricht, halten sie für so unmöglich, wie mit der Hand an den Himmel zu reichen. Sie wollten nicht weiter gehen, als zur Regelung des Bestehenden, ohne Einführung eigentlicher Neuerungen, als Hauptzweck die Erbreiterung des Vermittelungsweges zwischen alter und neuer Schreibart in richtiger Würdigung der geschichtlichen Entwickelung.

Herr Schwan spricht über die älteste Geschichte des Wortes Baron. Das aus gallischem Latein stammende, schon bei Cicero sich findende baro oder varo ist nach ihm dem Germanischen entlehnt, und zwar aus barn. Herr Zupitza meint dagegen, dafs baro nur aus einer schwachen germanischen Form zu erklären wäre, dafs dagegen der vom Vortragenden gegebenen Bedeutungsentwickelung nichts im Wege stände.

Herr Tanger spricht in einem ersten Vortrage über die Reform

des neusprachlichen Unterrichts vorzugsweise über die Überbürdungsfrage und sucht nachzuweisen, dafs die der Schule beizumessende Schuld an der faktisch vorhandenen Überbürdung eine sehr geringfügige sei und dafs vor allem der fremdsprachliche Unterricht nicht mehr als alle anderen Unterrichtsfächer die Schuld daran trägt. Herr Werner behielt sich eine eingehende Entgegnung darauf vor.

Sitzung am 10. Januar 1888.

Herr Förster spricht über den Don Carlos von Enciso. Der 1585 in Sevilla geborene Dichter hat verhältnismäfsig wenig Stücke geschrieben, von denen die beiden besten, Don Carlos und Die gröfste That Karls V., von A. Scheffer ins Deutsche übertragen worden sind. Dafs er der Erfinder der Mantel- und Degenstücke gewesen sei, ist unrichtig; sie sind Lope de Vega zuzuschreiben. Encisos Stücken mangelt oft der innere Zusammenhang, aber der Dichter ist grofs in der Charakteristik. Sein Don Carlos ist mit dem Schillerschen verglichen mehr historisch, ja fast als Geschichtsquelle brauchbar. Die Hauptperson ist Philipp II., der, vielleicht willentlich, am wenigsten getreu gezeichnet ist. Nach ihm tritt Don Carlos in den Vordergrund, ein genaues historisches Porträt. Dafs eine mit Kraft der Entschliefsung begabte Frau schwachen Männern gegenübergestellt wird, ist ein auch von Schiller beliebtes Motiv. Nach dem Stücke zu urteilen, ist der Ton am spanischen Hofe nicht so steif gewesen, wie wir es uns gewöhnlich vorstellen. Der Schlufs des Dramas, das ursprünglich einen weniger ernsten Ausgang hatte, stammt von einem Bearbeiter aus dem Jahre 1773. In dem zweiten Stücke ist besonders das Verhältnis Karls V. zu Don Juan d’Austria interessant. Die Übersetzung scheint nicht schlecht zu sein; doch stand dem Vortragenden der spanische Text nicht zu Gebote.

Herr Tanger wendet sich in einem zweiten Vortrage gegen die Reform des neusprachlichen Unterrichts. Sache der Schule sei nicht Ausbildung, sondern Vorbereitung; sie solle den Zögling vielseitig befähigen, sich nach der Schule Kenntnisse für seinen Beruf anzueignen. Ihr Zweck sei allgemeine Geistesbildung, und diese setze auch eine gewisse Fertigkeit im Gebrauche der fremden Sprachen voraus. Aber das Verständnis fremdsprachlicher Werke nach Form und Inhalt sei das Höhere, und wenn das Studium der Form schon an sich für die Ausbildung des Verstandes grofsen Wert habe, so sei auch nur durch die Kenntnis der Form zum Inhalt zu gelangen. Bedauern müsse man, dafs die Frage vor das grofse Publikum gebracht worden sei, das nur nach Utilitätsrücksichten urteile. In Fachkreisen dauere der Streit über die Methode fort; man sage, die alte Methode könne nichts leisten. Aber die Behörden hätten, obgleich sie dem Streite Beachtung schenkten, eine Entscheidung zu

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