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durch sein Wort die Erregung gegen den Mörder nicht noch zu steigern, von der Hand weise.

In dem Liede endlich „Der anegenge nie gewan" 1 sagt Wilmanns 2 im Hinblick auf die Worte:

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sie zeigten, dafs Walther jemand im Auge habe, der, um Gott zu rächen es handelt sich um Unternehmung des Kreuzzuges, 1227, sich mit widerstrebenden Herren zu benehmen hatte; er zweifle nicht, dafs der Vers eine Anspielung auf die Fürsten sei, die des Königs Plänen Hindernisse bereiteten.

Die angeführten Stellen werden genügend zeigen, dafs Walther wie im Kampfe zwischen Kaiser und Papst, so auch im Kampfe zwischen Kaiser und Fürsten zur Partei des Kaisers gestanden hat.

Dafs er trotzdem zeitweise am Hofe des Meifsners und des Thüringers gelebt hat, wird man dagegen schwerlich geltend machen können. Der Aufenthalt bei beiden, als Beschützern der Kunst des Minnesangs, hat mit seiner eigenen Parteistellung und mit seiner politischen Dichtung nichts zu schaffen; und dafs er denen, welche ihm Gutes erwiesen hatten, dankbar war und z. B. mannhaft für den Thüringer eintrat, als demselben die Strafe des Kaisers drohte, gereicht ihm nur zur Ehre.

Schon längst lagen Ritter und Pfaffen, die beiden Stände, die sich zuerst aus dem Volke ausgesondert hatten, in heifsem Ringen um die Herrschaft.3 Auch Walther nahm als Angehöriger des ritterlichen Standes in diesem Kampfe Stellung. Während er aber in dem Kampfe des Kaisertums wider den Papst sich fast ausschliefslich auf das Feld der Politik beschränkt, greift er in dem Kampfe wider die Geistlichkeit auf das sociale und religiöse Gebiet über, ohne dafs jedoch eine scharfe Grenze zu ziehen möglich wäre. Nur werden diejenigen Sprüche als schon erledigt von der Behandlung auszuschliefsen sein, in welchen Walther die Geistlichkeit mit der römischen Kurie identifiziert und seine Angriffe ausschliesslich gegen ihre oppositionelle Stellung zur Kaisermacht richtet. Man wird sich zu beschränken haben auf die

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1 78, 24. Ausg. S. 304. 3 Wilm., Leb. S. 248. Gerv. I, 523; Koberstein-Bartsch I, 224; Gödeke I, 143 gegen Kurz I, 52b.

jenigen Sprüche, in welchen er die Geistlichkeit nicht als politische, sondern als sociale Macht, als Stand angreift. Besonders ist es das anstöfsige Leben und die Habgier des geistlichen Standes, wogegen er seine Angriffe richtet.

Die Pfaffen, so äufsert er sich, die uns den Weg zum Himmel weisen sollten, betrügen uns mit ihrem geistlichen Leben. Die Christenheit mufs in Irrtum verfallen; ihre Lehrer sind ihrer Sinne beraubt wie kein simpler Laie. Sie sündigen ohne Furcht, zeigen uns den Weg zum Himmel und fahren selber zur Hölle; zur Keuschheit sind sie verpflichtet, welches schöne Weib aber ist vor ihren Nachstellungen sicher?? Wort und That der Geistlichkeit war beides früher rein, jetzt ist beides schlecht. Sie, die Pfaffen, stören den Frieden des Reiches; deshalb sind die gerechten von den ungerechten zu scheiden, schlimmstenfalls sie samt und sonders aus ihren Pfründen zu jagen; früher keusch und frei von Übermut, sind sie jetzt eine Last für das Reich; statt zu singen und ihre Verführungskünste bei Frauen unterwegs zu lassen, mischen sie sich in weltliche Angelegenheiten."

Ein wackerer und tüchtiger Charakter, der von der Kirche kein Dogma erträgt;7 ein würdigerer Vorläufer der Hutten und Luther als jene geistlichen Lateiner des zwölften Jahrhunderts wird Walther von Gervinus genannt. Wenn es richtig ist, dafs in der Zeit Friedrichs I. die Anfänge der deutschen Reformation liegen und deren Fortgänge in einer ununterbrochenen Kette von Erscheinungen bis auf Luther zu verfolgen sind, so wird Walther ein würdiges und gewichtiges Glied in dieser Kette sein.

Wilmanns freilich meint, 10 indem er den in den Sprüchen hervortretenden Eifer der Parteileidenschaft rügt, man dürfe den Sänger keineswegs als Vorläufer der Reformation ansehen, da er alle geistlichen Rechte, welche die Kirche für sich in Anspruch nahm, vom Bann bis zur Verwaltung des Schatzes überzähliger guter Werke, anerkannt habe.

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Hiergegen hat schon Uhland 11 darauf hingewiesen, wie Walther

21, 25. Das Jahr der Abfassung, nach Abel, Pfeiffer, Bartsch 1207, nach Zarncke u. Wilmanns 1201, nach, Nagele 1198, ist hier ohne Belang. 33, 31. 3 34, 24.4 10, 17. 5 10, 25. So erklärt Wilmanns ritterliche pfaffen 80, 19. 7 Gervinus I, 520. 8 Ebd. S. 523. 9 Ebd. S. 496. 10 Leb. S. 116. 11 a. a. O. S. 125.

Ansichten vom Ablafshandel vortrage, die man bei einem Dichter aus der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts nicht gesucht haben würde.

Aber ganz abgesehen von dogmatischen und theologischen Fragen, deren subtile Erörterung wir freilich in Walthers Dichtungen vergeblich suchen würden: schon dafs er die Entartung der Geistlichkeit, ihr Heraustreten aus den Grenzen ihres Berufs, die Verdorbenheit der Kirche mit scharfem Sange angreift,' genügt wohl, um ihn als würdigen Vorläufer von Hutten und Luther erscheinen zu lassen.

Aus diesem Grunde scheint eine Vorsicht von der Art, wie sie ihm Wilmanns zuschreibt, mit seinem sonstigen Auftreten völlig unvereinbar. Gerade deshalb nämlich habe er, glaubt Wilmanns,2 seinen Leich gedichtet, der in die Jahre des Kampfes gegen Innocenz zu gehören scheine, um in dem bitteren Kampfe gegen die augenblicklichen Machthaber der Kirche doch keinen Zweifel an seiner frommen christlichen Gesinnung zu lassen.

Dann lassen sich aber seiner von wahrhafter Frömmigkeit zeugenden Selbstanklage, dafs ihm die Feindesliebe fehle und dafs er Gott nicht preise,3 gleiche Beweggründe unterschieben; dann kann seine Begeisterung für den Kreuzzug mit demselben Rechte für unecht, mit demselben Rechte als ein Gebot der Vorsicht und Klugheit gedeutet werden. Wenn er ihn nun gar mitgemacht hätte? Wäre das vielleicht auch nur geschehen, um keinen Zweifel an seiner christlichen, frommen Gesinnung zu lassen?

Den Widerspruch, dafs er ein ebenso erklärter Gegner der Priesterherrschaft als ein begeisterter Herold der Kreuzzüge war, hat schon Uhland als nur scheinbar nachgewiesen. „Wenn der heilige Vater nach Rücksichten der Staatsklugheit heute segnete und morgen fluchte, wenn er Zwietracht im Reiche erweckte und nährte, wenn er Eidschwüre nach Gefallen löste, den Ablafs zu einer Erwerbsquelle machte, wenn die Geistlichkeit, statt zu singen und zu beten, sich in Fehden tummelte oder weltlicher Üppigkeit

a. a. O. S. 120. 2 Leb. S. 116. $ 26, 3. 4 Falch, der in den „Blätt. f. d. bayr. Gw." 1879, 251-256 das Gegenteil zu erweisen sucht, sagt, dafs Gervinus die Frage offen lasse, während derselbe I, 524 sich ausdrücklich für die betr. Annahme erklärt. Aus Walthers eigenen Worten scheint die Beteiligung am Kreuzzuge unzweifelhaft hervorzugehen. a. a. O. S. 119.

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frönte, so mufste solches Ärgernis schon die gläubigen Zeitgenossen entrüsten." So beurteilt auch Gervinus den Dichter als treu der Kirche, als einen frommen und heiligen Menschen, trotz seines Zornes gegen die Gleisnerei und Weltlichkeit der Geistlichen und gegen das Unwesen des römischen Hofes. Freilich ist sein Ideal der Kirche ein Reich nicht von dieser Welt, sein Ideal eines Priesters der mehrmals erwähnte arme klôsenaere".2 Gegenüber solchen Anschauungen des Dichters darf man kein Bedenken tragen, ihn als einen Vorläufer der Reformation zu bezeichnen, wenn er auch religiöse Fragen nur streift und dem Papste und der Geistlichkeit zwar nicht als Theolog, aber als Deutscher und Angehöriger des ritterlichen Standes zu Leibe geht.

So bestimmt Walthers Stellung gegenüber dem Papste, den Fürsten und der Geistlichkeit ist, so widersprechend ist dieselbe in Bezug auf die Vorrechte der Geburt. Legt er einmal hohen Wert darauf, so folgt er den Gesamtanschauungen der Zeit; 3 dagegen verficht er andererseits die Meinung, dafs nur in edler Gesinnung der Adel sich offenbare, dafs die Menschen bei der Geburt, im Tode und vor Gott völlig gleich seien, ja sogar armen man mit guoten sinnen sol man für den reichen minnen"," also die humanen, demokratischen Gesinnungen des Christentums". Eine Vermittelung dieser Widersprüche sucht man vergebens, und seine Stellung zu den beiden entgegenstehenden Anschauungen bleibt widersprechend und unklar. Vielleicht dafs sein Verstand ihm die letztere Auffassung als richtiger erscheinen liefs; sein Herz führte ihn zu den Anschauungen seiner Standesgenossen oder vielmehr seines ganzen Zeitalters zurück, dem er doch sonst in manchen anderen Fragen voll reformatorischen Geistes vorausgeeilt war.

Auch ein anderer Mangel in der politischen Dichtung Walthers darf nicht verschwiegen werden. Walthers politische Lyrik bewegt sich nur auf dem Gebiete des kirchlichen Streites; eine Verherrlichung des kriegerischen Ruhmes der von ihm gefeierten Kaiser Philipp, Otto und Friedrich fehlt vollständig. Wenn Gervinus es rügt, dafs unter Tausenden von Liedern unserer ritter

1 I, 523. 2 Wilm., Leb. S. 249. 3 Ebd. S. 246. 4 20, 16. Wilm., Leb. S. 246. 6 I, 483.

lichen Minnesänger, unter allen Erzeugnissen eines ausschliefslich kriegerischen Standes in Deutschland nicht ein Kriegslied ist, kaum ein Lied, in dem die kriegerische Tugend des Ritters gepriesen wäre; viele Kriegslieder, die, zwischen Frauen- und Gottesminne geteilt, zu der heiligen Wallfahrt auffordern, aber keines, das es in dem begeisterten Feuer des kriegerischen Triebes thäte: so tritt dieser Mangel auch bei Walther hervor. Auch seine nationale Begeisterung reicht nicht hinein bis in das Getümmel des Kampfes. Im Gegensatz zu anderen Nationen hebt er die seinige nur einmal hervor in dem Spruche an den welschen Schrein; aber auch hier ist es mehr der Papst als der Welsche, gegen den er zu Felde zieht.

So auffallend die Erscheinung ist, dafs es den Deutschen in und nach der Zeit höchsten kriegerischen Glanzes, unter den Hohenstaufen, an einem Tyrtäus gefehlt hat dieses Fehlen darf nicht allzusehr Wunder nehmen. Noch waren die Stammesunterschiede zu wenig überwunden, nur mit Gewalt hielten Friedrich Barbarossa und Heinrich VI. die Widerstrebenden zusammen. Mit den Anstrengungen zur Erweiterung der äufseren Herrschaft des Reiches auch über Italien ging den Staufen Deutschland selbst mehr und mehr verloren. Für diese Kämpfe in Italien war eine nationale Begeisterung, der die Dichtung so sicher auf dem Fufse gefolgt wäre, wie Arndt, Körner, Schenkendorf und Rückert dem Kampfe von 1813/15, wie Gottschall, Rittershaus, Gerok und Geibel dem Kampfe von 1870/71 gefolgt sind, nicht vorhanden. „Für diese Kämpfe in Italien konnte niemand Sinn haben, der nicht die grofsen Entwürfe der ehrgeizigen Fürsten zu überschlagen verstand." Was er aber von der Herrlichkeit des deutschen Kaisertums gegenüber dem Papsttum, der Fürstenmacht und der Geistlichkeit gesungen, damit gab er seiner innersten Überzeugung voll Mut und Mannhaftigkeit Ausdruck, „den Gewaltigen gegenüber unerschrocken, offen, in ihrem Preise voll Selbstachtung, ein Held des Gesanges unter den Helden der Geschichte. Die Kämpfe der weltlichen Macht gegen die mafslose Überhebung der Päpste bewegen ihn in der Tiefe.“ „Seine Entrüstung ist eine sittliche." 3 "So machte er sich zum Herold von

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Gerv. I, 479. 2 Gödeke I, 145. 143. 3 Winkelm. II, 296.

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