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MSH II, 212b, Spr. 212 und Walther 9, 28; von MSH II, 221 a, Spr. 246 und Walther 124, 13; von MSH II, 212b, Spr. 196 und Walther 8, 24.

Wie Reinmar hat auch Bruder Wernher von Walther mancherlei entlehnt, desgl. der Marner, wie er selbst zugesteht und wie ein Vergleich von Marner XII, 163 mit Walther 23, 11 oder von Marner XV, 201 mit Walther 23, 11 es zeigt.

Auch bei Meister Friedrich Sunburc sieht man die Einwirkung Walthers. Er äufsert sich gegen König Ottokar wegen des Wankelmutes des Fürsten: „Ein wârez já stêt künegen wol und ist zuo êren guot; gelogenez jâ daz krenket künege unde entfreuwet mir den muot",5 während Walther aus ähnlicher Veranlassung wahrscheinlich gegen Kaiser Otto oder dessen Ratgeber wegen nichterfüllter Versprechungen sagt: „swes munt mich triegen wil, der habe sîn lachen dâ, von dem næm' ich ein wârez nein für zwei gelogeniu jâ."6 Wie Walther dem Könige Philipp das Beispiel Saladins als Muster vorhält," so vergleicht Sonnenburg den Böhmenkönig wegen seiner Freigebigkeit mit Saladin.8

Meister Sigeher braucht zur Schilderung des Elends im Reiche das vom Schachspiel hergenommene Bild: „bi dem roche kûme stêt ein vende", wie auch Reinmar seine Verlassenheit am böhmischen Hofe in gleichem Bilde darstellt: ich hân den künic alleine noch und weder ritter noch daz roch: mich stiuret nicht sîn roche noch sîn vende." 10 Vielleicht hat Sigeher, der ebenso wie Reinmar am Hofe Wenzels I. von Böhmen sich aufgehalten hat," den Spruch Reinmars gekannt und in dessen Nachahmung das Bild angewendet. Original war das Bild weder bei Reinmar, noch bei Sigeher; wahrscheinlich war Walther mit seinem „gast

1 Beispiele bei Meyer S. 78, vgl. Lamey, Br. Wernher (Würzburger Diss.). Karlsruhe 1880. S. 9, Anm. 1. 2 Gervinus II, 148; vgl. Marner, Ausg. v. Strauch XIV, 288, wo Strauch „mîner sprüche bluomen lesen" statt des überlieferten „und ir sprüchen bl. 1. lesen will, nach dem Vorschlage von K. Hoffmann, Zs. f. d. A. 20, 127. der Ausg. v. Strauch. 4 So fafst den Spruch des Sunburc S. 21. MSH III, 73a. € 30, 9. 7 19, 17. 8 MSH II, 355 b, Spr. 4. • MSH II, 363 b, Spr. 3. 10 MSH II, 204 b, Spr. 152. 11 Gödeke

S. 160.

Archiv f. n. Sprachen. LXXXI.

3 Marner ist citiert nach auf Zingerle in der Ausg.

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unde schâch kumt selten âne haz: ir büezet mir des gastes, daz iu got des schâches büeze" ihr Vorbild.

Hatte Walther einst zum Preise der deutschen Frauen gesungen: „Von der Elbe unz an den Rhîn und her wider unz an der Unger lant mugen wol die besten sîn",2 und später über die Unbeständigkeit der Welt geklagt: „Ez ist ein wol gefriunder man, alsô die werlt nû stât, der under zweinzec magen einen guoten friunt getriuwen hât; der hæte man hie vor wol under fünfen funden dri",2 und hatte schon Bruder Wernher in engem Anschlusse an diese Aussprüche geäufsert: „die vrî von schanden sîn, der vinde ich leider vünve niht von Ungerlant ze berge unz an den Rîn"; so sagt ähnlich Raumsland der Sachse, er habe sein Leben lang nicht fünf Menschen recht leben gesehen, und wünscht nur drei ohne Habgier, Hafs und Neid anzutreffen; ja, wenn nur einer getroffen würde, so sollten Sonne und Mond sich neigen.3 Ähnliche Wendungen, die aber, wie gesagt, zuerst von Walther gebraucht sind, finden sich noch beim Truchsefs von St. Gallen, bei Meister Alexander 5 und beim Meifsner.6

Wie Walther die Freigebigkeit Saladins preist, so auch aufser dem schon angeführten Meister Sonnenburg, Konrad von Würzburg und der Tanhäuser. Eine Schilderung der Wirren des Zwischenreiches von Konrad von Würzburg: 8 gewalt ist ûf der strâze michel, gerihtes hât man sich verschamt; diu reht stânt krumber dan ein sichel, vride und genade sint erlamt", stimmt zum Teil wörtlich mit Walthers Klage „untriuwe ist in der sâze, gewalt vert ûf der strâze" u. s. w. überein.

Wenn Hellefiur 9 das von den Fürsten übel behandelte Reich mit der Maus vergleicht, der ein Schlegel angebunden werde, damit sie nicht zum Neste könne, ganz wie Walther seinen Tadel auf feile Hofschranzen mit den Worten beginnt: „In' weiz, wem ich gelîchen muoz die hovebellen, wan den miusen die sich selbe meldent, tragent sie schellen", so ergiebt sich auch hier Nachahmung Walthers.

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1 31, 23. 56, 14; 38, 10. 3 MSH III, 66a, Str. 8; vgl. Marner v. Strauch 172, 44. 4 MSH I, 293 a, Str. 49. • MSH III, 29 a, Str. 20. 21. 6 MSH III, 89 a. 7 MSH II, 324 a, Str. XXIII, 2. IV, 653 b. 8 MSH II, 312, Str. II. 9 MSH III, 34 a, Str. 4.

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Bei dem Schulmeister von Efslingen hat v. d. Hagen Nachahmung Walthers im Gebrauch von Tönen desselben erkannt; anderweitig findet sich zum Teil wörtliche Übereinstimmung des Schulmeisters mit Walther.2

Beim Meifsner ist aufser an der schon erwähnten Stelle auch anderweitige Nachahmung Walthers offenbar.3

In Walthers Klage über die Pfaffen hinsichtlich ihres Gebrauchs auch weltlicher Waffen stimmen nicht nur Reinmar und der Marner, sondern auch der Kanzler zum Teil wörtlich ein. „Dem münche

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Auch Frauenlob ist Nachahmer Walthers. zimt sîn klôster baz, den er ze hove sich ouche. Dem priester ist priesterschaft gegeben, dem ritter ritterlîchez leben." Hiermit schliefst er sich an Walthers Tadel gegen die ritterlichen Pfaffen und pfäffischen Ritter, vielleicht auch an Reinmars Verweisung der Mönche ins Kloster an. Wie Walther sagt:7 Solt ich den pfaffen râten an den triuwen min, so spræche ir hant dem armen zuo:,sê, daz ist dîn', ir zunge sunge" u. s. w., so will auch Frauenlob sie auf ihre kirchlichen Pflichten beschränken: „man darf der priester wol, dâ man die buoze nimt; ein bischof zimt, wâ man sol kirchen wîen"; ebenso stimmt Frauenlob in Walthers Klage über die Konstantinische Schenkung ein. Sein Spruch „Ich sâz ûf einer grüene und gedachte an mancher hande dink, wie ich die werlt behielte und ouch gegen got iht wurde link: do kunde ich niht erdenken daz“ u. s. w. ist eine ganz platte Nachahmung von Walthers Ich sâz ûf eime steine" ohne eine Spur eines selbständigen Gedankens. Gerade hieraus ersieht man die Anmafsung Frauenlobs in ihrer ganzen Gröfse, wenn er sich anderweitig 10 mit Reinmar, Eschenbach, ja mit Walther gleichstellt oder gar auf sie herabsieht.

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Die angeführten Beispiele zeigen ausreichend, dafs die Gedanken der politischen Spruchdichter mit Walther sich nahe berühren, oft geradezu von demselben entlehnt sind, diese Dichter

1 MSH IV, 454. 2 MSH II, 137b (I, 2); vgl. Menge S. 7. 3 Uhland S. 57; Walther 80, 19; MSH III, 108a (Str. 13); Uhland S. 21. 48, 4. * MSH II, 390 b. Frauenlob, Ausg. v. Ettmüller Str. 54. Frauenlob v. Ettmüller Str. 56. 9 MSH II, 351 b, Spr. 7. 344 a, Spr. 2.

7 10, 25. 10 MSH II,

also wenig original, sondern häufig blofse Nachahmer ihres grofsen Vorgängers Walther sind.

An Stelle des patriotischen Jubels, wie ihm Walthers „Ir sult sprechen willekomen" Ausdruck giebt, treten in der folgenden Zeit Klagen über die zunehmende Bedrängnis und Zerrüttung im Reiche; immer und immer wiederholt, bilden sie das ständige Thema der politischen Lyrik des dreizehnten Jahrhunderts.

Ulrich von Singenberg klagt, dafs alle Freude früherer Zeit durch Wüstheit, Rauben, Brennen und Übelraten verdrängt sei, was wohl mit Recht auf die wirre Zeit nach König Friedrichs II. Absetzung (1245) gedeutet wird; 2 jetzt lüge man um Leute und Land, und mit ironischer Bitterkeit tadelt er die laudatores temporis acti: was früher klar auf der Hand lag, darüber sei jetzt grofser Streit, Untreue gelte für Treue; jetzt also stehe es besser!4

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Ihm schliefst sich Reinmar von Zweter an: „Die liute sint gelandet wol, diu lant niht wol geliutet, meines sint die liute vol; diu werlt gelîchet sich dem mer, daz iemer tobet unde ündet über mâze und âne wer; so tobet unde ündet der werlte leben mit gelîcher geselleschaft; vor drîzec jaren stuont ez baz, nu leben wir mit haz unde ouch mit nîde.7

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Hierin stimmt Bruder Wernher ein: „nu sih ûf, werlt, des gêt dich not, du bist mit jamer überladen; die vrî von schanden sîn, der vinde ich leider vünve niht von Ungerlant ze berge unz an den Rîn", und der Marner: „Maneger wænet wîse sîn, der doch ist leider tump, dâvon sint die rehte in allen landen krump"; 10 oder wenn er in der Fabel von den Fröschen, die einen König haben wollen, den kläglichen Zustand des Reiches darstellt und seinen dringenden Wunsch nach dessen Beseitigung ausspricht: ,,Storche, wanne komestû? die des riches erbe slindent, der ist vil, trîp si wider in eigen hol, der dû niht slinden wil";11 oder

1 MSH III, 325 b, Str. II. 2 MSH IV, 234. 3 Walther 107, 10. 4 Walther 107, 3. 5 MSH II, 215 b, Spr. 214. 6 MSH II, 208 a, Spr. 171. 7 MSH II, 221b, Spr. 246. 8 MSH II, 228 a. 9 MSH II, 233 b. 10 XV, 251 bei Strauch. Ähnliche Stellen bei Strauch S. 20. I XIV, 81 ff. bei Strauch.

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Wenn er das Bild von der Salvatio Romæ auf das Reich an-
wendet und bemerkt: niemand würde, auch wenn man in allen
Landen die Sturmglocke zöge, dem Reiche zu Hilfe kommen,
denn es gäbe keinen König. Hawart rügt, dafs des Teufels
Saat die Länder umher verwirre, dafs kein rechtes Gericht sei
und Witwen und Waisen weinten; 2 der Hardegger erinnert daran,
dafs Karl der Grofse zu den Klagenden nicht gesagt habe:
„Freund, was giebst du, um Recht zu bekommen?"
freilich anderswo geschehe; „nicht etwa bei uns," fügt der Dichter
ironisch hinzu, „beileibe nicht, da richten die Herren ja nach
Karls Gesetz!" 3 Zu dieser ironischen Wendung stimmt dann
seine Klage: Habgier herrsche überall, bei reichen Königen, hohen
Fürsten, Grafen, Dienstmannen, Freien, Pfaffen!4

wie es

Meister Sigeher bittet Gott, aus den zwei Königen einen zu machen, der Gericht und Christenrecht wieder zu Ehren bringe, jetzt, wo Kirchen- und Strafsenraub, Verheerung und Gewaltthat an der Tagesordnung sei und Witwen und Waisen klagten, eine Schilderung, die wohl mit Recht auf die Gegenkönige Konrad IV. und Wilhelm von Holland bezogen wird. Auch er wendet, wie der Marner, das Bild von der Salvatio Romæ an, vielleicht in Abhängigkeit von diesem,7 und bemerkt, nie habe das römische Reich eine ähnliche Vorrichtung nötiger gehabt als gerade jetzt.8 Jetzt gingen die Weissagungen der Sibylle in Erfüllung, dass die Reiche der Fürsten bar würden und das Ende nahe.9

Raumslands politische Sprüche deuten ebenfalls zum Teil auf Wirren und Wehen des armen Reiches unter den sich bekriegenden Gegenkönigen und deren Anhängern vor Rudolf hin. 10 Wer Tag und Nacht aus Haus und Strafse rauben könne, der würde wohl in der Herberge empfangen; je mehr er bringe, desto mehr werde er als kluger Held geehrt; jetzt, wo der

1 XIV, 49 ff. bei Strauch. 2 MSH II, 162 a. 3 MSH II, 134 b. * MSH II, 137 b, Str. IV. MSH II, 361 a. 6 MSH IV, 662. 7 Der Marner erzählt, dafs in Rom an einer Wand ein Bild jedes Landes aufgezeichnet war und bei jedem Bilde eine Glocke gehangen habe, die bei ausbrechender Unruhe alsbald ertönte; Meister Sigeher, dafs eherne Bilder der unterthänigen Fürsten dastanden, mit Glocken in der Hand, welche ertönten, sobald die Fürsten treulos waren. * MSH II, 361 b. 9 MSH II, 363 b. 10 MSH IV, 678. 11 MSH III, 57, Str. 7.

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