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Bauer dem Pfluge entlaufe und Räuber werde,' wo man in den Landen bei Fürsten und Herren Friede und gut Geleit vergeblich suche. 2

Bei Konrad von Würzburg finden wir ebenfalls die Wirren und Wehen des Zwischenreiches geschildert, nur - entsprechend dem Geschmack seiner Zeit - nicht mehr in unmittelbarem Ausdruck des Gefühls, sondern in spitzfindigem, allegorischem Rätseltone: Herr Mars und Frau Wendelmut haben durch Raub und Brand den Gott Amur vertrieben, der aber sein Reich wiedergewinnen solle.3

So beklagt der Hellefiur das römische Reich, um welches sonst Kaiser und Könige stritten und das jetzt niemand haben wolle, Andeutungen, die wohl die nächste Zeit vor König Rudolf bezeichnen.

Meister Alexander vergleicht weltlichen und geistlichen Stand seiner Zeit mit zwei Königstöchtern, die, statt ihre Hochzeit abzuwarten, sich einem Bösewicht und dessen Gesellen hingäben; 5 Rauben und Brand sähe man überall, klagt der Unverzagte; 6 keine Sicherheit gebe es im Lande, die Hirten hätten den Schafen Fehde angekündigt, der Kanzler.7 So klagt Frauenlob, wahrscheinlich mit Bezug auf den Kampf Adolfs von Nassau mit Albrecht von Österreich: Es giebt keine Könige und Fürsten mehr, die Frieden und Sühne machen. Der Herren Krieg will die Lande verderben. Die Schwerter gehen gegeneinander, die Kinder erheben sich gegen die Eltern.8

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So allgemein ist diese Klage, dafs wir sie fast bei allen politischen Dichtern wiederholt finden. Daher urteilt Meyer mit specieller Beziehung auf Reinmar von Zweter, die mittelalterlichen Dichter hätten überhaupt mehr ernste und betrübende Begebenheiten beklagt und die Gegner von Kaiser und Reich getadelt, als dafs sie freudenreiche Ereignisse zum Gegenstande ihrer Dichtung wählten; er zieht zum Vergleiche Aristophanes heran. Dieser Vorwurf principieller Morosität und Tadelsucht geht

1 Ebd. Str. 8. 2 Ebd. Str. 9.3 MSH II, 312 (L. II). 4 MSH IV, 710. 5 MSH III, 29 a und b (Str. 17-21). 6 MSH III, 44a, Str. 8. 7 MSH II, 389 b, Str. II. 7. Frauenlob, Ausgabe von Ettmüller Str. 22. 23.

9 a. a. O. Seite 21.

in seiner Allgemeinheit aber entschieden über das richtige Mafs hinaus.

Wilmanns vermutet in einem Liede Reinmars von Zweter 2 ein Hochzeitgedicht zu Ehren des Markgrafen Heinrich von Meifsen und der Konstanze, der Schwester Friedrichs des Streitbaren, mit dem Bemerken, dafs Reinmar bei diesem glänzenden Hoffeste gewifs nicht gefehlt habe.

Bei demselben Hoffeste war nach der Vermutung Strauchs 3 auch der Marner zugegen, dessen Preislieder auf den Propst von Maria-Saal und auf den Grafen von Henneberg auch sonst zeigen, dafs er gar nicht abgeneigt war, freudige Ereignisse zu besingen.

Das erste frohe Ereignis nach der kaiserlosen, der schrecklichen Zeit war die Wahl und Krönung Rudolfs von Habsburg. Auch hier hat die politische Lyrik sogleich frohe Klänge angeschlagen und den Kaiser, die neue Hoffnung der Deutschen, mit freudigem Zurufe begrüfst.

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So singt Raumsland: „Nun scht, was Wunder Gott vermag! Speer und Krone auf Trifels waren gar manchen Tag behalten, eh sich ihrer jemand vermals. Nach Kaiser Friedrich II. wären fünf Könige gewesen, deren keiner aber zu Aachen den Königsstuhl besessen habe, so dafs keinem von ihnen das Reich zu Diensten war. Jetzt aber habe es der Graf von Habsburg, dem gleich an Ehren niemals ein König erwartet wurde, und es komme Heil dem Gott auserwählten Schwaben!"

Man sieht, sagt Schlegel, das Gedicht ist unmittelbar nach der Erwählung Rudolfs geschrieben, also noch im Jahre 1273, sehr glaublich bei Gelegenheit der Krönung in Aachen selbst,

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1 Chronologie der Sprüche Reinmars von Zweter, Zs. f. d. A. Bd. 13, S. 459 f. MSH II, 218b, Str. 230. a. a. O. S. 18. Strauch X, 15 ft. 5 Ebd. XV, 61 ff. MSH III, 61 a, Str. 7. 7 Näheres über die historischen Beziehungen MSH IV, 671 ff. 8 Schlegel, Dtsch. Mus. Bd. I, S. 294, bemerkt hierzu: die Angabe, dafs keiner der fünf Könige auf dem Stuhl zu Aachen gesessen habe, sei nicht buchstäblich zu nehmen; denn allerdings seien Wilhelm und Richard zu Aachen gekrönt worden. Wohl wegen des Fehlens der Reichskleinodien seien aber diese Handlungen nicht für vollgültig gehalten worden. Dafs Schlegel als zweiten unter diesen fünf Königen Hermann Raspe statt Heinrich Raspe nennt, ist ein lapsus calami. 9 a. a. O. S. 296.

wo ohne Zweifel mehrere Dichter im Gefolge ihrer fürstlichen Gönner gegenwärtig waren.

So feierte Meister Friedrich Sonnenburg König Rudolfs Krönung, wo als Wahrzeichen göttlichen Wohlgefallens zu Aachen über dem Münster ein schönes Kreuz hoch, lang, weit und breit geschwebt habe. An dieses unmittelbar nach Rudolfs Krönung abgefafste Gedicht schliefsen sich noch zwei andere, die sich auf den Zeitraum zwischen der Zurückkunft der Gesandten von Lyon und der Zusammenkunft von Kaiser und Papst in Lausanne beziehen, wo Meister Sonnenburg Zeugnis für die allgemeine Freude über diese Königswahl und deren Anerkennung von seiten des Papstes ablegt.3

Auch Meister Stolle hat Lobgedichte auf König Rudolf verfafst. Wenigstens sieht man aus den Worten „Erne gît ouch niht, der künic Ruodolf, swaz ieman von im singet oder geseit“, dafs Meister Stolle durch einige wahrscheinlich verlorene Lobgedichte dem Kaiser Geschenke abzulocken versucht hatte. Ja, es ist ein Gedicht erhalten, worin er sagt, ein Herr solle allezeit Löwenstimme haben und, um Gott wohlgefällig zu sein, der armen Christenheit Frieden schaffen. Man sieht, dafs diese Aufgabe für jeden beliebigen Herrn" zu grofs war, vielmehr allein dem Kaiser zukommend, ganz besonders jetzt nach den Wirren des Interregnums zukommend genannt werden konnte. Da nun noch aufserdem von jenem Herrn gesagt ist, dafs er „Strausses Augen haben" solle, eine Wendung, die einem Spruche Reinmars entlehnt ist, welcher dieselbe auch mit Beziehung auf keinen geringeren als einen Kaiser gebraucht hatte, so scheint es mir ziemlich sicher, dafs wir hiermit wenigstens eines der Lobgedichte Meister Stolles auf Rudolf erhalten haben.

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Ebenso verherrlicht Konrad von Würzburg den König Rudolf9 und die Verdienste des Adlers von Rom, der die Krähen mit seiner Kraft bezwungen und Lob und Glanz errungen habe. Habicht und Falken habe er zu Osterland und Steier bezwungen, dafs es zu Pülle Raben und Geier erschrecke. Niemand komme

1 MSH III, 73, Str. 29. 2 Ebd. Str. 27. 28. 3 Schlegel, D. M. I, 305.
MSH III, 5b, Str. 11. 6
Schlegel, D. M. I, 316. 7 MSH
* MSH II, 202 b, Spr. 139.

4 MSH IV, 707. III, 5b, Str. 12.

9 MSH II, 334 b, Str. 24.

gegen ihn auf, der Löwe von Böhmen musste sich unter seinen Klauen schmiegen; ohne Trug ist er, fest und hoher Ehren ganz. So schwülstig diese Häufung von Vergleichen erscheint bewundernswürdig nennt die Durchführung des Bildes Schlegel,' der die einzelnen historischen Beziehungen deutet und die Abfassung, gewifs richtig, in die Zeit von Ende 1276 bis 1278 (Ottokar† 26. Aug.) verlegt; während Kurz2 das Unpoetische jenes Allegorisierens hervorhebt die Tendenz aber ist die gleiche wie die seiner Genossen: freudiger Ausdruck der An-' erkennung für Rudolfs Bemühungen um Herstellung rechtlicher und geordneter Zustände.

In einem Gedichte Boppes wird Rudolf mit Karl dem Grofsen und dieser wieder mit den Helden, Königen und Propheten des Alten Testaments verglichen. Es beginnt mit dem Jubelrufe: „Zahy, was hoher Tugend hat Gott dem Könige gegeben!" 4

Nach Rudolfs Tode aber noch, demnach gewifs ohne selbstsüchtiges Interesse, singt Frauenlob: „Ei, wer ergezzet uns von Rome eins künigs guot? Ruodolf, sîn muot was aller tugent neiger, der sælde und êre ein zeiger, er prîs an hohen fürsten pflac, der êr was er ein neiger." 5

Hiermit scheint der Beweis erbracht zu sein, dafs eine besondere Tadelsucht der politischen Lyrik des dreizehnten Jahrhunderts wenigstens Meyer a. a. O. spricht sogar von mittelalterlichen Dichtern überhaupt fernliegt; dafs sie es sich nicht nehmen liefsen, freudige Veranlassungen zu besingen.

Meyer hebt also wohl mit Recht hervor, dafs die Dichter mehr betrübende als freudenreiche Ereignisse zum Gegenstande ihrer politischen Dichtung nahmen. Diese Erscheinung ist aber, scheint es, keineswegs einer besonderen Tadelsucht jener Dichter zuzuschreiben. Welche freudigen Ereignisse gab es denn zu besingen, während die Unsicherheit, das Raub- und Fehdewesen immer weiter um sich griffen, ein Gegenkönig nach dem anderen auftrat und die Zerrüttung im Reiche von Jahr zu Jahr schlimmer wurde? So finden die ewig wiederkehrenden Klagen durch die Zeitverhältnisse selbst ihre genügende Erklärung.

I, 311.

1 D. M. I, 307.

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2 I, 126. 3 MSH II, 383 (II). Schlegel, D. Mus. > Frauenlob v. Ettmüller, Str. 80.

Gerade der freudige Jubel, mit dem die Sänger nach erfolgter Wahl Rudolfs nicht zurückhielten, zeigt, dafs sie auch ganz gern freudige Ereignisse zum Gegenstande ihrer Dichtung nahmen; nur mufsten sie solche erleben.

Vielleicht wendet man dagegen ein, dass gerade auch Rudolf nicht vor der Tadelsucht jener Sänger verschont blieb. So schalt Meister Stolle den König Rudolf bitter wegen seiner Kargheit,1 so auch der Unverzagte.2

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Meister Boppe, der vorher kein Bedenken getragen, Rudolf mit Karl dem Grofsen zu vergleichen, schliefst sich diesen Tadlern an. Zu seiner Benennung Rudolfs als des „giegen ûz Osterlant“ 3 bemerkt v. d. Hagen, dafs der Ausdruck giege" unschicklich sei. In der That lag Rudolf gerade geckenhaftes Wesen bekanntlich völlig fern man denke nur an die bekannte Anekdote von der Bäckerfrau, die ihn gerade wegen seiner schlechten Kleidung für einen gemeinen Soldaten hielt und mit Schelten vom Ofen wegwies daher wird statt des unschicklichen der giege ûz Osterlant" unzweifelhaft „der gîtege ûz Osterlant" zu lesen sein, was auch dem sonstigen Zusammenhang des Spruches besser entspricht. Auch unter dem Menschenbilde, hager und lang, jungmutig und bejahrt, das gewaltig alle deutschen Lande ausschliefslich nutzt, raubt, brennt und verwüstet, wo es weilt, wie die Bürger der Städte bezeugen, wird Boppe den Kaiser Rudolf verstanden wissen wollen. Hagen würde diese Beziehung, eingedenk der anderen Schmähung Rudolfs als des „giegen“ noch besser pafst sie natürlich zu „gîtegen", annehmen, wäre die Schmähung nicht zu stark und unwahr. Die Truppen Rudolfs hatten es aber 1276 im Kriege mit dem Böhmenkönige Ottokar an Excessen nicht fehlen lassen, und um sich zum Kampfe gegen Ottokar Geld zu verschaffen, hatte Rudolf in den ersten Jahren nach seiner Thronbesteigung ungewöhnlich starke Anforderungen an die Städte gestellt. Von allen Kaufleuten im Reiche liefs er sich bereits damals den achten Teil ihres Geschäftskapitals und ein andermal von den Bürgern der Reichsstädte den dreifsigsten

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1 MSH III, 5 a. 2 MSH III, 45a, Str. III, 1. 3 MSH II, 384 b (IV). • MSH IV, 693. 5 MSH IV, 380a, Str. 12. 6 MSH IV, 696. 7 Sugenheim, D. G. III, 56.

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