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1667-1669 spielten die französischen Schauspieler Herzog Georg Wilhelms in Lüneburg. Von ihnen wurde wohl auch ein zu Lyon ohne Jahr veröffentlichtes Stück des vielgeschäftigen Samuel Chappuzeau dargestellt,,,Les Eaux de Pirmont, comédie représentée à Pirmont au moi de juin 1669 devant toute la sereniss. maison de Brunsvic et Lunebourg".1 1673 liefs D. C. de Nanteuil, „Comédien de leurs A. S. de Brunsvik et Lunebourg", in Hannover ein Lustspiel,,L'amante invisible" drucken." 1674 erschien in Frankfurt a. M. Brécourts Einakter „La régalle des cousins de la cousine", 1685 zu Wolfenbüttel eine anonyme Tragödie Proserpine in fünf Akten, 1689 zu Celle eine ,,Europe, Pastoral heroique", vielleicht identisch mit der gleichnamigen Comédie héroique des Kardinals Richelieu (1643).1 1680 unterhandelte der Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz mehrfach mit einer französischen Gesellschaft, die von Hannover nach Köln gegangen war und ihm vom Bischof von Strafsburg empfohlen wurde. 5 Ein Repertoire der im Karneval 1693 zu Hannover gespielten Stücke nennt folgende Titel: „Le jaloux, Le coeur [1. cocu] imaginaire [Molière], Le muet, La liberté contentée, Le festin de Pierre [Molière], L'amante, Les deux rivales concordés, La coquette, L'empereur Antonie, Psyche [Molière-Lully], Le chevalier à la mode, Nicomède [Corneille], Le brutal sangfroid", darunter also drei Komödien Molières. Auch nach Schweden, wo 1679 Samuel Columbus an einer

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1 P. L. Jacob ( Lacroix), Catalogue de la bibliothèque Soleinne (1843) Nr. 1288.

2 Jacob, Bibliothèque Soleinne Nr. 1453.

3 Jacob, Bibliothèque Soleinne Nr. 1335.

4 Chrysander, Jahrbücher für musikalische Wissenschaft 1, 200 und 203 (1863). Daselbst auch andere französische, in Wolfenbüttel aufgeführte Stücke; über die Opern soll später gehandelt werden.

5 E. Bodemann, Briefwechsel der Herzogin Sophie von Hannover mit dem Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz 1885, S. 385, 303, 402. Ebenda S. 142 citiert er Molières Tartuffe, 318 L'amour médecin, 392 Scarrons Jodelet. Wie viel Karl Ludwigs Tochter, die Herzogin Elisabeth Charlotte von Orleans, in ihren Briefen von dem Pariser Theater erzählt, ist bekannt und aus Hollands musterhaften Registern leicht ersichtlich.

6 C. E. v. Malortie, Der hannoversche Hof unter Ernst August. 1847. S. 152.

Übersetzung von Molière und Corneille arbeitete, wo Racines Iphigenie 1684 von Hofdamen dargestellt und seine Esther 1693 von Adelcrantz übersetzt worden war, drangen die franzōsischen Schauspieler; Karl XII. liefs 1699 eine unter Claude Guilmois de Rosidor stehende Truppe anwerben, welche in Stockholm Regnards Joueur, Molières Mariage forcé und Stücke von Corneille, Racine, Dancourt u. a. spielten. Ein im Stockholmer Reichsarchiv befindliches Verzeichnis ihrer vom August bis Dezember 1700 gegebenen Vorstellungen, das ich leider nicht vollständig kopiert habe, weist u. a. auf: „Scapin, Dame invisible, Tiridate, Merlin Draguon [Dancourt], Regulus, Cleopatre, Agamemnon, Edipe, Mitridate", von Molière: „Mr. de Pourceaugnac, Avare, École des femmes, Amphitrion, Fourberies".

Nach dem Vorbild der französischen Komödianten nahmen auch bald deutsche Prinzipale Molières Stücke in ihr Repertoire auf. Eine zuerst 1766 bei J. F. Löwen2 auftauchende und seit

dem weiter fortgepflanzte Überlieferung, die nur auf einer Vermutung Ekhofs beruht, schreibt diese That dem Magister und Schauspieldirektor Johannes Velten aus Halle (1640-1692) zu; allein schon vor der allein uns klar vor Augen liegenden Glanzzeit Veltens spielten andere Banden dieselben Stücke. Mag also auch Velten wirklich zuerst unter seinen deutschen Berufsgenossen oder besser als andere den Wert des grofsen Dichters erkannt haben, der einzige Molière-Darsteller seiner Zeit war er nicht. 1670, drei Jahre vor Molières Tod, erschien zu Frankfurt eine „Schaubühne englischer und französischer Komödianten“ in drei Bänden, 3 eine offenbar von einem Schauspieler besorgte

Dahlgren a. a. O. S. 12-20. Vgl. die Nachträge.

2 Geschichte des deutschen Theaters, in seinen Schriften 4, 13. Danach C. H. Schmid, Chronologie des deutschen Theaters (1775) S. 34. Vgl. Creizenach, Zur Entstehungsgeschichte des neueren deutschen Lustspiels, 1879, S. 5. C. Heine, Johannes Velten, Dissertation, Halle 1887, S. 43-47.

Exemplare in Berlin, Dresden, Haag, Hamburg, Kopenhagen, London, Stockholm. Eine nirgends erwähnte Ausgabe, Frankfurt u. Leipzig 1727, in drei Bänden, befindet sich auf der Stuttgarter Bibliothek. Vgl. J. Tittmann, Die Schauspiele der englischen Komödianten in Deutschland, 1880, S. LXI f., der aber in seiner Aufzählung die Précieuses ridicules vergifst. Der Irrtum von H. Schweitzer, Molière-Museum 1, XXXVI

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Sammlung der schönsten und neuesten Komödien", dazu bestimmt, dafs sie leicht daraufs spielweise wiederum angerichtet, und zur Ergötzlichkeit und Erquickung des Gemüts gehalten werden können". Diese für die Kenntnis des Zeitgeschmackes wichtige Auswahl von 22 Dramen enthält 12 aus dem Französischen übersetzte Komödien, von denen fünf Molière zum Verfasser haben: 1, 6-44 Amor der Arzt; 1, 145-186 Die köstliche Lächerlichkeit (Les Précieuses ridicules); 1, 186-221 Sganarelle oder der Hanrey in der Einbildung; 3, 210-328 Der Geitzige; 3, 500-565 Georg Dandin oder Der verwirrete Ehemann. Unter den übrigen befinden sich acht aus den „Englischen Komödien und Tragödien“ von 1620-1630 entlehnte Stücke und zwei neue Nummern: Damons Triumpfspiel1 und eine lederne Dramatisierung von F. Pallavicinos Roman „Taliclea“, nach der 1668 zu Frankfurt gedruckten Verdeutschung desselben. Auch in den spärlichen Nachrichten über einzelne Aufführungen deutscher Schauspieler stofsen wir öfter auf Molières Schöpfungen. Zwar enthält ein von dem Hamburger Caspar Stiller zwischen 1654 und 1663 zu Güstrow eingereichtes Verzeichnis 2 nichts davon, und ebensowenig befasste sich der Puppenspieler Michael Daniel Treu oder Drey, welcher später Leiter einer Schauspieltruppe wurde, nach Ausweis seines Lüneburger und Münchener Repertoires von 1666 und 1681-1685, damit; doch von den

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(1881), es seien 1670 nur drei Stücke Molières verdeutscht worden, rührt daher, dafs er nur den ersten Band gesehen hat. Auf ihm fufst wiederum F. Lotheifsen, Molière, 1880, S. 387. Über die anderen Nummern der Sammlung vgl. weiter unten S. 121 f.

'Das einzige gereimte Stück der Sammlung, nicht identisch mit der 1634 in Kopenhagen gespielten prosaischen Tragödia von den Tugenden und Lastern (5 Bog. 4o), wiederholt Hamburg 1635, 4o. Vgl. S. Birket Smith, Studier på det gamle danske Skuespils Område 1883, S. 55. Bärensprung, Jahrbücher für mecklenburgische Gesch. 1, 95.

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3 Vgl. Gaedertz, Theaterzustände von Hildesheim, Lübeck, Lüneburg 1888, S. 99-102, und K. Trautmann, Jahrbuch für Münchener Geschichte 1, 257. J. F. Löwen (Schriften 4, 13. 1766) nennt die Treuische Gesellschaft älter als die Veltens; aus ihm schöpft C. H. Schmid, Chronologie des deutschen Theaters 1775, S. 24. Über die angebliche Verbindung des Theologen J. Lassenius mit Treu vgl. Carstens, Allgem. deutsche Biographie 17, 789.

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,,Hamburgischen Komödianten" teilt uns Fürstenau mit, dafs sie 1674 im Februar zu Dresden den alten Geizhals (L'Avare) und den klugen Knecht Mascarillia und den einfältigen Herrn (L'Étourdi), und 1679 ebenfalls in der Karnevalszeit Amor der Arzt, Mascarilias und Scabins Betrügercien darstellten, also vier Stücke Molières, von denen nur zwei in die Schaubühne von 1670 aufgenommen waren. Ohne Zweifel war diese Truppe identisch mit der Carlischen Hochteutschen Komödianten-Compagnie", welche, wie wir aus Teubers Geschichte des Theaters in Prag 1, 78 erfahren, am 8. März 1674 auf der Reise von Dresden nach Wien in Prag anlangte. Ihr Leiter Karl Andreas Paulsen oder Paul mufs ein unternehmungslustiger Geist gewesen sein; denn wir treffen ihn während der Jahre 1661-1679 an den verschiedensten Orten Deutschlands und auch in Dänemark und Schweden an: Am 4. Dezember 1663 verklagt der Komödiant Karl Andreas Paulsen seine Ehefrau, die Komödiantin Elisabeth Paulsen, wegen eines im Lollfufs zu Schleswig begangenen Ehebruchs, 1664 spielt er zum Ostermarkte in Lüneburg, 1665 in Frankfurt a. M. und Basel, 1668 in Güstrow und Lübeck, 3 1671 in Kiel; 1672 oder kurz vorher hielt sich in Kopenhagen eine „berühmte Primadonna" Anna Paulson auf, welche man vergeblich für ein Engagement in Rufsland zu gewinnen suchte. Wie Litzmann 6 kürzlich treffend nachgewiesen hat, geht die älteste erhaltene deutsche Bearbeitung des Shakespeareschen Hamlet auf denselben Prinzipal zurück, und auch die chrono

1 Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden 1, 244 und 253 (1861).

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Mitteilung des Staatsarchivars Herrn Dr. Hille in Schleswig.

3 Gaedertz, Theaterzustände (1888) S. 76. 99. E. Mentzel, Arch. f. Frankfurter Geschichte 9, 92 (1882). A. Burckhardt, Beiträge zur Gesch. von Basel 2, 205 (1839). Bärensprung, Jahrbücher für mecklenburg. Gesch. 1, 95. Bolte, Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 12, 133.

4 B. Litzmann, Zeitschr. f. vergl. Litteraturgeschichte und RenaissanceLitteratur, N. F. 1, 9 (1887).

5 A. Wesselofsky, Deutsche Einflüsse auf das alte russische Theater, 1876, S. 14. A. W. Fechner, Chronik der evangelischen Gemeinden in Moskau 1876, 1,

350.

6 A. a. O. 1, 6—13: Die Entstehungszeit des ersten deutschen Hamlet.

logisch sicher unrichtige Angabe bei Schmid, dafs 1628 Karl Pauls, der Sohn eines Oberstlieutenants, der Führer einer aus wohlerzogenen und meist studierten jungen Leuten bestehenden Truppe geworden sei, ist auf ihn zu beziehen.

Nicht genauer bezeichnet werden die Gesellschaften, welche am 27. Juni 1677 in Dresden die Komödie vom scheinheiligen Manisten Tartuffe und 1683 dasselbe Stück sowie George Dandin zur Aufführung brachten. 2

Das Repertoire des schon erwähnten Velten weist unter den 87 bei Heine aufgezählten Nummern zehn Komödien Molières auf, nämlich: 1) L'Amour peintre, dreimal 3 (1680, 1684, 1690). 2) L'Avare (1684, 1688). 3) L'Étourdi (1688, 1690). 4) Le Misanthrope (1686). 5) L'École des femmes (1686). 6) L'École des maris (1690). (1690).—8) Le Mariage forcé (1690). lui (1690). 10) Le Festin de pierre (1690).

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7) Le Bourgeois gentilhomme 9) Le Médecin malgré

In einem um 1710 in Nürnberg zusammengestellten Verzeichnis von Schauspieltiteln, welches J. Meifsner im Jahrbuche der deutschen Shakespearegesellschaft 19, 145-154 veröffentlicht hat, ist Molière ebenfalls vertreten, doch nur mit zehn Stücken unter der Gesamtsumme von 160: Nr. 6 Der kluge Knecht (= L'Étourdi?), 56 Geiziger, 59 Don Juan, 68 Bürgerlicher Edelmann, 87--91 Der verwirrte Ehmann Georg Dandin, Die köstliche Lächerlichkeit, Gezwungener Arzt, Malende Liebe, Amor der beste Arzt, 157 Listig Scapin, 158 Don Pedro Gastmahl (= Festin de Pierre). Namentlich als Nachkomödien erhielten sich die Schöpfungen bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts auf dem Repertoire der fahrenden Banden. So ergötzte 1699 in Linz „Le Malade imaginaire oder Pickelhärings Akademie“ die Zuschauer der blutigen Tragödie Titus Andronicus, 5 und dasselbe Stück wurde am 6. März 1705 in Merseburg nach Beschlufs der bekannten Aktion „Der flüchtige

1 Chronologie des deutschen Theaters 1775, S. 26.

2 Fürstenau, Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe. zu Dresden (1861) 1, 250. 271.

3 Fürstenau 1, 271. 307. Heine, J. Velten, S. 29.

Vgl. Fürstenau 1, 308: Don Juan oder des Don Petro Gastmahl.
Bolte, Anzeiger für deutsches Altertum 13, 112. Cohn, Jahrbuch.

der Shakespearegesellschaft 23, 280.

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