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die Ökonomiepfarre erst am 10. März 1805 bezogen hatte, in große Schulden.

Sämmtliche Fensterscheiben in der Kirche waren infolge des heftigen Geschüßfeuers eingedrückt, ja selbst an der Wölbung der Kirche zeigten sich große Sprünge. Die Kirche wurde deshalb verankert und auf Kosten des Grafen Franz Dietrichstein wieder hergestellt.

Nebst den genannten drei Generalen, le Vasseur, Vandamme und Varé, trafen nach der Schlacht Murat, Soult, Saint Hilaire, Bernadotte u. a. in Telniz ein. In das Telnizer Gemeindegasthaus wurden 68 verwun= dete Russen, von denen nur 6 am Leben blieben, übertragen; die übrigen starben und wurden hinter dem. Gasthause beerdigt. Bemerkenswert ist auch die Thatsache, dass bei dieser großen Schlacht drei Kaiser anwesend waren, der französische, Napoleon Bonaparte, der österreichische, Franz I., und der russische, Alexander, mit seinem Bruder Constantin."

Das Protokoll erwähnt auch die Kaiserzusammenfunft in der Nähe der Mühle nächst Zaroschig und schließt mit den Worten: „Bei aller Noth und allem Elende starben nur wenige Ansassen von Telniz, obwohl viele erkrankt waren."

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Das in lateinischer Sprache abgefasste Protokoll der Pfarre Raigern bietet einige interessante Beiträge über den Einfall der Franzosen in Mähren und den Verlauf der Schlacht bei Austerlig. Das Glück war gleich nach der Kriegserklärung den österreichischen Waffen nicht hold, denn Napoleon drang in kurzer Zeit bis nach Wien vor, wo er sich jedoch nicht lange aufhielt, sondern nach Mähren zog. Am 19. November trafen die Feinde in Raigern ein und stellten ungeheuere Forderungen; gleich am ersten Tage verlangten sie für nichts weniger als 30.000 Mann (Reiter und Infanterie) Brod, Wein, Hafer und Heu.

Am 2. December wurde in der Nachbarschaft bei Mönig, Telniz, Sokolnih, Kobelniß u. s. w. eine Schlacht

geliefert, aus welcher die Franzosen siegreich hervorgiengen. Noch an demselben Tage wurden in der Stiftskirche an 1500 gefangener Russen eingeschlossen, im Kloster aber ein Spital errichtet, in welchem kranke und verwundete Franzosen bis zum 28. Februar 1806 gepflegt wurden.

P. Gerard Lefebuer, ein gebürtiger Franzose, weilte bereits einige Jahre in Raigern und spendete vielen Soldaten über ihr eigenes Ansuchen die hl. Sacramente. P. Gerard wurde von dem hiesigen Pfarrer P. Peter Seit bereitwilligst unterstüßt. Seitl, gebürtig von Austerlig, wurde aber bald von der pestartigen Krankheit ergriffen und starb am 1. Jänner 1806."

Der genannte Pfarrer hatte alle Ortsereignisse bis zum 8. December 1805 fleißig im Pfarrprotokolle aufgezeichnet, dem wir nachstehende Nachrichten entnehmen: „Am 17. November marschierten österreichische und russische Truppen ununterbrochen durch Raigern gegen Brünn und Turas und zwar unter einem Lärmen und in einer Eile, als ob ihnen die Franzosen schon auf den Fersen wären. Die Russen, unsere Verbündeten, nahinen, was möglich war, und verursachten uns und den Bewohnern des Marktfleckens einen Schaden von etwa 5000 fl. Vor ihrem Abzuge verbrannten sie in der Nacht vom 19. November die neue Holzbrücke über die Schwarza, welche wir erst vor 3 Jahren mit einem Kostenaufwande von 400 fl. erbaut hatten, und verboten unter Todesstrafe, das Feuer zu löschen.

An demselben Tage begrub ich einen verstorbenen russischen Soldaten und da sah ich im Orte die ersten drei französischen Reiter, welche mir dankten, als ich sie freundlich grüßte. Nach einer halben Stunde sahen wir an 2000 französischer Reiter, die auf der Kaiserstraße in vier Zügen gegen Brünn jagten. Jezt begann das Kriegselend, das für unser Vaterland und unser liebes Raigern so verderblich war.

Der letzte Sonntag nach Pfingsten er fiel auf den 24. November - war gekommen. Nach der hl. Messe

wurde keine Predigt gehalten, weil die Gläubigen nach Beendigung der Hl. Messe nach Hause eilten. Die Zahl der Kranken stieg von Tag zu Tag, so dass ich noch am 24. November fünf Kranke in Rebeschowig versah mit Furcht und Angst, jedoch mit festem Vertrauen auf die Hilfe Gottes und die Gegenwart Jesu Christi im AllerHeiligsten Sacramente. Als ich nach Hause zurückkam, führten die Franzosen eben die zwei schönsten Pferde des Abtes weg, obwohl sie schon früher bereits 19 Pferde geraubt hatten. Raigern und die Nachbardörfer waren mit Franzosen überfüllt. In der Prälatur wohnten 19 Officiere, während der Convent bisher verschont blieb.

Am 25. November abends wurde vor das Schlafzimmer des Abtes ein bewaffneter Kürassier als Wache commandiert, der Tag und Nacht dort blieb; feiner von uns hat erfahren, warum dies veranlasst worden sei.

Am 1. December nachmittags kamen 300 französische Reiter unter Führung von Officieren in Raigern angetrabt. Sie misshandelten die Bewohner bis zu Tode und legten uns verschiedene Requisitionen auf. Die Officiere, 30 an der Zahl, wurden in der Prälatur bewirtet, worauf sie gegen Turas wegritten. Die Verwirrung war an jenem Tage in Raigern so groß, dass das bereits angesagte Begräbnis der verstorbenen Marie Metelka auf den nächsten Tag verschoben werden musste.

Gott hat sein Volk in diesen Tagen schwer heimgesucht; die Leute verließen ihre Wohnhäuser und verbargen sich in dem nahen Walde.

Allein den Schrecken, den der Tag der Schlacht brachte, kann man mit Worten nicht schildern. Um die achte Morgenstunde zogen an 8000 Reiter und Infanteristen durch Raigern in der Richtung gegen Turas; um die neunte Stunde begann. die fürchterliche und blutige Schlacht bei Austerlig und dauerte bis gegen 4 Uhr nachmittags. Während des ganzen Tages hörte man nichts als Geraffel und Kanonendonner, so dass selbst unser Kloster bis in die Fundamente

erzitterte. Um 1/23 Uhr nachmittags langte eine Wagenreihe mit verwundeten Franzosen in Raigern an. Wir konnten ihre fürchterlichen Wunden kaum anschauen, haben ihnen aber gleichwohl alle möglichen Beweise werkthätiger Liebe angedeihen lassen und so Öl und Wein auf ihre Wunden gegossen! Aus allen Zimmern der ausgedehnten Prälatur konnte man das Jammern und Wimmern der Verwundeten hören, von denen viele ohne jedes Zeichen von Reue und Zerknirschung des Herzens hinstarben.

Gegen 6 Uhr abends trafen gefangene Russen ein, die von den Franzosen in die Kirche eingeschlossen wurden, wo sie die ganze Nacht ohne Speise und Trank zubringen mussten.

Auch am 3. December hörte man noch Schüsse, allerdings aus weiter Ferne.

An demselben Tage erlagen fünf Franzosen ihren Wunden; zwei wurden in dem Grabe der Marie Metelka, die übrigen drei im Klostergarten beerdigt. Obwohl ich die Verwundeten etwa 300 täglich besuchte, zeigte keiner derselben eine reumüthige Gesinnung.

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Am 4. December wurde die Kirche gesäubert und das Allerheiligste aus der Sacristei wieder in den Tabernakel übertragen. Viele der Verwundeten wurden nach Auspig überführt, während andere wieder hieher gebracht wurden.

Am 5. December frühmorgens überbrachte der Wagner Aegid Pokorný die traurige Kunde, dass die Kirche zum hl. Kreuze im Markte während der Nacht von den Franzosen ausgeraubt worden sei. Thatsächlich hatten sie eine silberne Patene, das silberne Gefäß für die hl. Öle und die Messgewänder genommen, des Tabernakels jedoch aus Ehrfurcht oder Angst geschont. Ich übertrug deshalb das Allerheiligste unter Begleitung dreier Soldaten in die Stiftskirche. Auch gelang es mir, einigen Verwundeten die Beicht abzunehmen; es waren Polen, die im russischen Heere dienten.

Die Bewohnerschaft von Raigern war während dieser kurzen Zeit in das größte Elend gerathen.

Am 7. December versah P. Gerard Lefebuer einige verwundete Franzosen, unter ihnen einen Feldwebel, der am 8. December starb und über sein besonderes Verlangen nach katholischem Ritus von mir im Klostergarten beerdigt wurde."

Bis hieher reichen die Aufzeichnungen P. Seitls, der es wohl nicht ahnte, dass er so bald sterben werde. Die Aufzeichnungen seßte der Cooperator P. Bernard Biwonka fort:

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Am 12. December starb im Spitale des Klosters Raigern Johann Dumas, Hauptmann im 40. Regimente, und wurde am nächsten Tage vom Prior P. Bonifaz Keller in Anwesenheit des beinahe vollzählig erschienenen Conventes auf dem Friedhofe beerdigt.

Im Jahre 1809 besuchten uns die Franzosen wieder und lagerten vom 13. Juli bis 4. November in Raigern und Umgebung. Das Stift Raigern erlitt damals einen Schaden von mehr als 100.000 fl."

Die Bewohner von Mautniß jagten ihr Vieh ins freie Feld hinaus und flüchteten in die Wälder von Schüttborzig und Diwak. Als sie nach zwei Tagen zurückkehrten, erzählten die alten Leute, welche im Orte zurückgeblieben waren, dass die Russen auf ihrer Flucht von Haus zu Haus rannten und noch raubten, während die Franzosen, welche den Fliehenden nachseßten, angeblich alles in Ruhe ließen.

Auch der Ort Lautschig litt vor und nach der Schlacht nicht wenig. Alte Ortsinsassen wussten zu berichten, dass die französischen Soldaten vor der Schlacht in Strümpfen marschiert wären; dieser Bericht würde allerdings die Vorsicht der Franzosen vor der Schlacht passend beleuchten.

Auch Boskowitz, Czernahora, Borotein, Letowiz, Gewitsch, u. s. w. litten unter den erbarmungslos eingetriebenen Requisitionen, die vor und nach der Schlacht von Freund und Feind gefordert wurden, ganz bedeutend.

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