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Vom Morgen des 21. November an war die ganze Umgebung voll von französischen Truppen.

Am Sonntag den 24. November wohnten die Franzosen dem gesungenen Hochamte bei. General Milhaud betete während des ganzen Gottesdienstes und kniete auf einem eigens für ihn vorbereiteten Betschemel. So lange es die Umstände erlaubten, erhielt Milhaud überall gute Disciplin.

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Am 25. November um 41, Uhr morgens traf eine von Wischau abgesandte Ordonanz ein, welche dem General meldete, dass die in der Stadt liegenden Franzosen von Russen beunruhigt würden. Infolge dessen wurde Alarm geschlagen und die bei uns liegenden Franzosen zogen gegen die Russen aus und kehrten, nachdem sie dieselben zurückgejagt hatten, zum Mittag= essen zurück. Um die Vereinigung der Franzosen in Lultsch mit denen in Wischau zu bewerkstelligen, zog General Milhaud am 27. November nach dem Frühstücke mit seinen Leuten nach Drnowiß und vertraute mir die Pflege eines Soldaten, der den Fuß gebrochen hatte, an. Als aber die Russen, an deren Spize Kosaken ritten, sich am 28. November in großer Zahl zeigten, vertrieben sie die Franzosen aus Wischau und Drnowig und veranstalteten eine regelrechte Jagd auf die Franzosen. In Lultsch wurden 10 Franzosen von 2 Kosaken gejagt; bei uns blieben 7 verwundete Franzosen, auf den Feldern fand man 2 todte Kosaken.

Die Franzosen zogen sich bis gegen Brünn zurück. Am 30. November stießen Franzosen und Russen bereits auf einander. Die Russen raubten während ihres Durchmarsches durch Lultsch den Ort und die Pfarre aus und vernichteten, was sie vernichten konnten.

Der Kampf zwischen Russen und Franzosen begann am Samstag, hielt den Sonntag an und erreichte seine größte Heftigkeit am Montage, den 2. December. Die Schlacht dauerte vom Morgen bis zum Abende. Bis gegen 11 Uhr vormittags verlief dieselbe für die Russen

genug günstig; als es aber den Franzosen um Mittag gelungen war, unseren rechten Flügel zu werfen, drängten fie die Russen und Österreicher zurück. Der Sieg gehörte den Franzosen, obwohl der beiderseitige Verlust an Mannschaft bedeutend war. Übrigens dürften mehr Franzosen als Russen gefallen sein.

Nach dieser Schlacht kam General Milhaud, während er seine Truppen auf der Kaiserstraße halten ließ, zu mir, um zu danken: „Mein lieber Pfarrer! Ich danke Dir für Deine große Gastfreundschaft. Sage Deinen Pfarrkindern, dass ich nicht nur mit Dir, sondern auch mit ihnen vollkommen zufrieden bin und wünsche, mich Dir und ihnen dankbar beweisen zu können!"

Am 4. December traf ein Infanterie-Regiment, 1400 Mann stark, mit dem Obersten Nikolas und Oberstlieutenant Rodolin in Lultsch ein. Ich zeigte ihnen den vom General Milhaud ausgestellten Schußbrief vor, worauf sie sagten:

"Fürchte Dich nicht, guter Pfarrer, es wird Dir nichts geschehen!"

Nach zwei Tagen zog das Regiment in Ruhe ab. General Milhaud hatte mir den Soldaten Josef Schaffer als Wachposten zurückgelassen, den ich 30 Tage lang behielt. Dann entließ ich ihn nach Hause und gab ihm 30 fl. Kurz darauf erhielt ich von Milhaud folgenden Brief:

„Ich bete für Dich und bitte, dass Du auch für mich betest. Schicke uns auch den Soldaten nach Frankreich zurück, den ich Dir als Wächter der Pfarre zurückgelassen habe; nimm meine besten Grüße für Deine Person, Deine Pfarrlinge und Deine liebenswürdige Nichte Marianne entgegen. Gottes Friede, Segen und Schuß sei mit Dir! Milhand."

Wie wohlthuend und überraschend wirken diese tief= gläubigen Worte aus der Feder eines Generals nach einer gewonnenen Schlacht! Kein Übermuth, sondern der innigste Gottesglaube spricht aus den wenigen Zeilen, die den tapferen Milhaud nur um so größer und edler erscheinen lassen!

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Die vereinigte russisch-österreichische Armee und ihre Stellung vor der Schlacht.

Am 28. November hatten sämmtliche französische Garden Brünn verlassen. Nach dem Scharmüßel bei Wischau und dem Artilleriegefechte bei Raußnig standen beide Armeen am 1. December nur einen Kanonenschuss weit von einander, so dass die Vorposten den ganzen Tag über plänkelten. Obwohl Napoleon, der sich von Wischau und Raußniz gegen Brünn zurück30g, spielend die Höten von Praze hätte besehen und hier die Schlacht liefern können, so verließ er dennoch absichtlich diese Höhen am 29. November, wich etwas gegen Brünn zurück und nahm hinter dem Goldbache Stellung, wo er auch das Eintreffen seiner im Anmarsche befindlichen Hilfstruppen abzuwarten gedachte. Napoleen wollte ja, wie er sich selbst äußerte, keine gewöhnliche Schlacht" liefern, sondern einen für den ganzen Feldzug entscheidenden Sieg erringen.

Inzwischen rückten die Verbündeten von Wischau vor und zwar in der Richtung, die ihnen Napoleon durch seinen scheinbaren, fingierten Rückzug angedeutet hatte, und nahmen vertrauensselig jene Stellung auf dem Schlachtfelde ein, die er selbst für sie ausgewählt hatte und wohin er sie führen wollte!

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Die österreichische Heeresleitung deutete nämlich allerdings irrthümlich den Rückzug der französischen Armee von Raußniß und Austerlig dahin, dass Napoleon beabsichtige, den Angriff der Verbündeten hinter dem Goldbache in Defensivstellung abzuwarten oder ganz gegen Brünn zu weichen. Deshalb wurde auch der ursprüngliche Plan Kutuzovs, der den linken Flügel Napoleons bei Brünn zu umgehen und aus den Waldungen anzugreifen gedachte, abgeändert und am 28. November abends von unserem Kriegsrathe in Wischau beschlossen, „die Stellung Napoleons bei Brünn mit dem linken verstärkten Flügel einzuschließen, Telniz. Sokolniz und Kobelniß zu nehmen. und dann den rechten französischen Flügel anzugreifen, Napoleon zwischen dem Turaser Walde und Schlapaniß zu schlagen und entweder gegen Norden oder Südwesten zurückzudrängen und von Wien abzuschneiden."

Diese Bewegung, welche die Einschließung Napoleons zur Folge haben sollte, wurde am 29. und 30. November und am 1. December sehr fahrlässig durchgeführt, so dass die einzelnen Corps der Verbündeten erst spät abends am 1. December auf den Höhen von Praze eintrafen. Die lässige Durchführung dieser Bewegung nach links über Kutscherau, Bochdaliz, Malkowis, Butschowiß und Krzizanowitz gegen Austerlit bot Napoleon die Möglichkeit, den Plan der Verbündeten so zu durchschauen, als ob er persönlich unter ihnen gegenwärtig gewesen wäre, als sie am 28. November abends im Schlosse zu Wischau diesen Plan entwarfen. Da er seine eiligst berufenen Hilfstruppen, wie bereits erwähnt, von Iglau, ja von NiederÖsterreich erwartete, war er vor den Verbündeten bis hinter den Goldbach zurückgewichen, wodurch er sie in ihrer Annahme, dass er einer Schlacht ausweiche, nur bestärkte. Um sie in dieser Annahme noch mehr.

zu befestigen, hatte er auch seinen rechten Flügel bei Sokolniz und Telniz absichtlich geschwächt, um die Hauptstärke seiner Armee im Centrum bei Schlapaniß zu vereinigen! Die verbündeten russisch-österreichischen Truppen standen am 1. December abends auf den Höhen von Praze von Blaschowiz bis gegen Aujezd, gegen Südwesten geschützt durch den sumpfigen und morastigen Goldbach, gegen Süden durch die Teiche bei Satschan und Mönig, die allerdings bereits seit langen Jahren abgelassen und ausgetrocknet wurden, so dass es heute schwer ist, sich die Bedeutung, welche sie in der Schlacht von Austerlitz hatten, genau vorzustellen. Diese Stellung war, besonders mit Rücksicht auf die West= seite, wo sich die Höhen von Praze ste i l genug abdachen, nicht nur sehr gut, sondern auch stark. Die österreichisch-russische Armee hatte am 1. December abends folgende Stellung inne (siehe die Karte):

Das erste Armeecorps unter Com= mando Dochturovs (A, 13.700 Mann), stand am äußersten linken Flügel auf den Höhen (Stará hora genannt) oberhalb Hostiehradek und Aujezd; lezteren Ort hielt ein Jäger-Regiment beseßt.

Das zweite Corps unter Langeron, einem geborenen Franzosen, (B, 10.500 Mann) stand neben dem ersten Corps rechts gegen Praze hin.

Das dritte Corps unter Przibyszewski (C, 11.500 Mann) hatte nordöstlich von Praße auf den Höhen, „Staré Vinohrady" genannt, Stellung genommen. Das vierte Corps Centrum unter Kolowrat (D, an 17.000 Mann) stand hinter dem dritten gegen Křenowit und Zbejschow.

Das fünfte Corps, 69 schwache oder 48 starke Escadronen, unter Johann Fürst Liechtenstein (E, an 5500 Mann) war östlich von Praze unter den Höhen, welche das dritte Corps besezt hatte, aufgestellt.

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