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Rückzug und Flucht.

Kehren wir noch einmal zu unserem linken Flügel zurück. Derselbe hatte den Kampf bei Telnig und Sokolnih eröffnet, mit zäher Ausdauer fortgesetzt und wehrte sich noch immer gegen Davoust und Legrand.

Burhoevden gehorchte nicht, als Kutuzov nach der Niederlage seines Corps den Befehl zum unaufschiebbaren Rückzuge gab; allerdings konnte der jeßige Ungehorsam Burhoevdens, der nun eine gewisse Thätigkeit entfalten wollte, seine frühere Unthätigkeit nicht mehr` wettmachen.

Es war Mittag geworden. Auf Napoleons Befehl, der Bernadotte auf der Höhe von Praße zurückgelassen hatte, marschierte das Armeecorps Soults mit den Grenadieren Oudinots genau auf demselben Wege abwärts, auf dem der linke russische Flügel morgens marschiert war, um ihm in die Flanke zu fallen, seinen Widerstand zu brechen und ihn vollständeg aufzureiben. Zwei russische Infanterie-Regimenter (Kurskoi und Podolskoi), welche sich auf der Höhe von Praze und ihrer Abdachung gegen Sokolnih Soult entgegenstellten, wurden bald überwunden und in die Flucht geschlagen. Das Schicksal dieser Bataillone, welche von den übrigen Truppen ohne jede Hoffnung auf eine Wiedervereinigung abgeschnitten waren, war bald entschieden. Nach einem wahrhaft heldenmüthigen und zugleich leßten Widerstande

begann um 2 Uhr nachmittags der allgemeine Rückzug, der bald in eine wilde Flucht und heillose Verwirrung übergieng.1)

Der tapfere österreichische General Kienmayer deckte diesen Rückzug mit seiner Reiterei und Artillerie und rettete, obwohl er den ganzen Tag über im Schlachtengetümmel stand, alle seine Geschüße. Kienmayer hatte nämlich die Höhe zwischen Telniß und Mönig (H', „Vinohrádky") und beim Satschaner Teich die Anhöhe zwischen Aujezd und Ottnih beseßt, damit die Franzosen von Aujezd aus die auf dem Satschaner Damme fliehenden Bataillone nicht abschneiden können.

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„Ich habe schon viele verlorene Schlachten gesehen“, bemerkte Langeron, aber von einer solchen Niederlage hatte ich bisher nicht einmal eine Vorstellung." Als Langeron den Feind in der Flanke seines Corps erblickte, eilte er zu Burhoevden, um ihm hievon Meldung zu erstatten. „Sie sehen auch überall nur Feinde", antwortete Burhoevden grob. Und Sie", erklärte Langeron, befinden sich in einem Zustande, dass Sie überhaupt nichts sehen.“ -Das erste Corps und ein Theil des zweiten Corps flüchtete gegen Aujezd, der Rest des zweiten Corps und das dritte Corps hinauf zum Kobelnißer Teiche; allein die Fliehenden wurden. theils getödtet, theils gefangen.2) Hier gerieth auch der Commandant des dritten Corps, Przibyszewski, mit 2 Generalen, 119 Officieren, 6000 Mann und beinahe der ganzen Artillerie des zweiten und dritten Corps in Gefangenschaft. General Przibyszewski wurde später militärgerichtlich zum einfachen Soldaten degradiert.

1) Siehe die Karte.

2) Daraus ist erklärlich, warum bis heute auf jenen Feldern, die an die Fasanerie des Sokolnißer Parkes angrenzen und in den ehemaligen Kobelnißer Teich einbezogen waren, zahlreiche Kugeln, Hufeisen, Uniformknöpfe, Abzeichen u. s. w. ausgeackert werden. Der Leiter der Schule in Kobelniß, Oberlehrer Svoboda, hat solche hier gefundene Gegenstände zu einer sehenswerten Sammlung vereinigt, welche in der Kobelnizer Schule aufbewahrt wird.

Ein Theil des ersten Corps suchte sich nach Aujezd, dessen sich jedoch inzwischen Vandamme bemächtigt hatte, zu retten. Deshalb begann dieser Theil zwischen Aujezd und dem Satschaner Teiche gegen Ottniß zu weichen; aber auch hier wurden die Fliehenden theils getödtet, theils zersprengt und der größere Theil derselben einige Tausende wurde gefangen genommen, als die Brücke, über die sie zurückwichen, unter Überlastung zusammengebrochen war.

Die einzige Rettung bot der schmale Damm zwischen dem Satschaner und Mönizer Teiche, auf dem sich die Masse an der brennenden Mühle vorüber hindrängte, um zu entkommen. Um aber auf diesen Damm zu gelangen, musste die Mehrzahl der Fliehenden den Satschaner Teich eilig umgehen und zwar an der Nordseite von Aujezd und Telniz. Wenn die Fliehenden über den gefrorenen Teich in gerader Richtung gegen Satschan hätten fliehen wollen oder können, wie französische Geschichtsschreiber irrig dafürhalten, dann wäre es ja überflüssig und unnöthig ge= wesen, den Teich zu umgehen und zum Damme zwischen beiden Teichen die lette Zuflucht zu nehmen. Diese Bemerkung ist wichtig für die folgenden Beweise über die Anzahl der im Satschaner und Mönizer Teiche umgekommenen Soldaten!

Angst und Verwirrung ergriff die Fliehenden besonders von dem Augenblicke an, als ein Munitionswagen, getroffen von einer Kanonenkugel, auf dem Satschaner Damme in die Luft flog und einen Theil des engen Dammes mit seinen Trümmern bedeckte. Eine im Galopp über den Damm jagende Kosakenabtheilung vermehrte die Verwirrung noch bedeutend.

Die französische Artillerie sandte den Fliehenden von Aujezd und Telnih, besonders aber vom Rande der

Prazer Höhen, von der St. Antonkapelle, die mit 24 Geschüßen umgeben war, ihre verheerenden Kugeln den Fliehenden nach, so dass sich die verwirrten Reihen derselben immer mehr lichteten. Vier eiserne Kugeln in der Giebelwand der Satschaner Mühle zeugen heute noch von dem heftigen Feuer der französischen Batterieen.

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Märchen über die im Satschauer und Möniger Teiche umgekommenen Soldaten.

Die Frage, ob und wie viele Soldaten der verbündeten Armee auf der Flucht nach der Austerlizer Schlacht im Satschaner und Mönißer Teiche umgekommen seien, war der Gegenstand häufiger und langer Streitigkeiten.

Die französischen Schriftsteller (Thiers, Dumas und andere) behaupten zwar, dass die genug starke Eisdecke der Teiche unter, der Last der Fliehenden und dem Geschüßfeuer der Franzosen eingebrochen und an 2000 Mann ertrunken seien, ja der 23jährige Adjutant Napo= leons, Marcellin Baron Marbot, weiß sogar zu berichten, dass er selbst gesehen habe, wie 500-600 fliehender Russen mitten im Teiche durchbrachen und sammt Pferden, Kanonen und Wagen in die Tiefe versanken. Allein die österreichischen Geschichtsschreiber und die Localnachrichten erklären diese Behaup= tungen für erdichtet und märchenhaft.

Seruzier, französischer Artillerie-Oberst, schildert in seinen Memoires militaires" folgende Episode nach der Schlacht von Austerlit:

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