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Nun, so ganz falsch beurteilt er sich hier nicht, und man könnte als weitere Uebereinstimmung hinzufügen, dass die Nachtigall nur zeitweilig ihre Stimme erhebt, aber dann auch zu wunderbarem Liede, während der Grasshopper ununterbrochen zirpt, und Cowper gehörte, wie Wordsworth und fasst alle idyllenhaften Naturdichter, in gewisser Weise zu den Vielschreibern.

Pessimistisch beurteilt er den sittlichen Zustand seiner Zeit:

»A worm is in the bud of youth,
»And at the root of age.«

(X, 102.)

Wie zu erwarten war, finden wir auch bei den Metaphern die Pflanzenwelt am stärksten beteiligt. Durch eine solche Metapher sucht er z. B. das Uebel in der Welt zu rechtfertigen :

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Natürlich ist dies Gleichnis durch biblische Reminiscenzen beeinflusst, aber es hat doch noch so viel Eigenartiges, um es hier anzuführen.

Wundervoll preist er die Seligkeit des zurückgezogenen Lebens. Sein Restchen Glück verdankt er ja auch dieser weisen Lebensführung. Er hat nicht Unrecht, wenn er es eine heilige Kunst nennt, die einem jeden angemessene Lebensführung herauszufinden:

>> Oh sacred art, to which alone life owes
>>Its happiest seasons, and a peaceful close,
>>Not knowing thee, we reap with bleeding hands
>> Flowers of rank odour upon thorny lands.«

(VIII, 308.)

Das menschliche Leben vergleicht er zwar vorzugsweise mit dem Schiff auf stürmischem Meer. Aber einmal wählt er auch folgendes Bild:

>>The path of sorrow and that path alone

>> Leads to the land, where sorrow is unknown:
>>No traveller ever reach'd that bless'd abode,
>>Who found not thorns and briers in his road.<«<

(IX, 331.)

Noch lieblicher spinnt er dieses Gleichnis in den Zeilen aus:

»The world may dance along the flowery plain etc.<<

Doch wie denkt sich Cowper dieses Thränenthal :

>> O balmy gales of soul reviving air!

>> O salutary streams that murmur there!

>>These flowing from the Fount of Grace above,

>> These breathed from lips of everlasting love,

>> The flinty soil indeed their feet annoys,

>>> Chill blasts of trouble nip their springing joys.<«<

(IX, 332)

(IX, 332.)

Dieses liebevoll ausgeführte Bild mit seinen zahlreichen Einzelheiten, die in das Gebiet der Pflanzenwelt nicht nur zurückführen, sondern auch dem Reiche des Wassers und der Atmosphäre entnommen sind,

wir sagen, diese Metapher führt uns hinüber zu denjenigen Gleichnissen, wo eine ganze Landschaft vor uns aufgerollt wird. So spricht Cowper am Ende des Gedichts » Conversation (VIII, 282) auch vom finstern Thränenthale des Lebens, doch er fährt gläubig hoffend fort: >>A brighter scene beyond that vale appears,

>> Whose glory with a light that never fades,

>> Shoots between scatter'd rocks and opening shades,
>> And while it shows the land the soul desires,

>> The language of the land she seeks inspires.<<

(VIII, 282.)

Das Leben als Thränen- oder Jammerthal aufgefasst, ist uns eine ganz geläufige, konventionelle Redensart. Aber Cowper versteht es, eben durch die weitere Ausführung dieses Bildes, einer solchen verblassten Anschauung durch sein lebhaftes Naturgefühl wieder Leben und Frische einzuhauchen.

Man wäre versucht, Cowper pantheistischer Anschauungen zu beschuldigen, wenn er nicht so unzweifelhafte Beweise seiner orthodoxen Religiosität gegeben hätte. Aber trotzdem klingt etwas wie Spinozistische Anschauung heraus, wenn es heisst:

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We find a little isle, the life of man.

>> Eternity's unknown expanse appears

Circling around and limiting his years;

>> The busy race examine and explore

>> Each creek and cavern of the dangerous shore,

>> With care co lect, what in their eyes excels

>> Some shinck pebbles and some weeds and shells

>> Thus laden, dream that they are rich and great,

>> And happiest he that groans beneath his weight;
>> The waves o'ertake them in their serious play,

>> And every hour sweep multitudes away.
They shriek and sink, survivors start and weep,
>> Pursue their sport and follow to the deep.<<

(VIII, 288.)

Bild an reiht er in der Olney Hymn »Happy Change Wahrheit ist the dayspring from on high«. keit erhellt »> die Stürme der Seele«. Durch diese warmen Strahlen wird der harte, unfruchtbare Boden des Menschenherzens «, wo früher >Schlangen wohnten, fruchtbar und » duftet von den Blumen himmlischer Gnade. Die Seele, einst » Satans trocknes Reich«, wird von der »himmlischen Sonne erleuchtet, und fruchtbare Zeiten vollbringen einen wunderbaren Wandel. So haben wir hier in wenigen Zeilen eine Menge von Metaphern, die alle durch einen lebhaften Natursinn eingegeben sind. Zwar sehr geläufige Wendungen, aber doch stark individuell gefärbt, liegen folgenden Metaphern zu Grunde:

Bild aus den verschiedensten landschaftlichen Gebieten (VIII, 92): Die göttliche »Die Sonne der Gerechtig

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Cataracts of declamation thunder here,
>>There forests of no meaning spread the page
>>In which all comprehension wanders lost,
>> While fields of pleasantry amuse us there.
>>The reat appears a wilderness of strange
>> But gay confusion, roses for the cheeks

» And lilies for the brow of faded age

>>Heaven earth and ocean plunder'd of their sweets.
>>Here runs the mountanious and craggy ridge

>>That tempts ambition

>>Here rills of oily eloquence in soft

>> Maeanders lubricate the course they take.«

(VIII, 165-166.)

Verwundert wird der Leser nach dem Sinn dieser ganzen blumigen, von Flüssen, Wasserfällen, Bergen, Wäldern u. s. w. unterbrochenen Ebene fragen. Dies alles ist für Cowper die Zeitung. Selbst in diese trockene Domäne voller Sachlichkeiten trägt Cowpers Phantasie die Natur in reicher Mannigfaltigkeit hinein.

In mehr allegorischer Weise spricht er von seiner Muse:

whose humble flight

>>Seeks not the mountain tops pernicious
>>Who can the tall Parnassian cliff forsake,

>> To visit oft the still Lethean lake.

>>Now her slow pinions brush the silent shore
»Now gently skim the unwrinkled waters o'er.<<

(VIII, 4.)

Dass Cowper hier mythologische Andeutungen mit hereinbringt, möchte ich nicht als Fehler betrachten, erweitert er doch die Vorstellungen, die sich an die »Muse‹ knüpfen, nicht durch die gewöhnlichen Phrasen, sondern er bietet ein sehr stimmungsvolles Naturbild.

Wenn wir den in vorstehendem Abschnitt behandelten Stoff noch einmal überschauen, so müssen uns verschiedene Eigenheiten der Cowper'schen Gleichnisse auffallen: Wie alles, was Cowper an Naturpoesie geschrieben hat, tragen auch die hier in Frage kommenden Verse den Stempel grösster Anschaulichkeit. Nicht, dass wir etwa nur eine günstige Auswahl solcher Stellen gegeben hätten, was wir angeführt haben, dürfte im Gegenteil das Material ziemlich erschöpfen. Und trotzdem wird man aus allen Beispielen sehen, dass die Vergleiche und Metaphern aus der Natur für Cowper ganz selten die rein stilistischrhetorische Bedeutung haben, die sie für so manche Schriftsteller besitzen, deren Sprache zwar oft »blütenreich ist, aber diese Blüten duften nicht mehr. Noch am meisten trifft dies bei Cowper auf die Gleichnisse aus dem Gebiet des Meeres zu, aber auch diese haben eine so individuelle Form, dass man Cowper nicht vorwerfen kann, er habe sie als überkommenes Sprachgut gedankenlos weitergeschleppt.

Eine auffällige Thatsache ist auch, dass die ganz kurzen figürlichen Wendungen so gut wie vollständig fehlen. Wir finden bei Cowper fast nur das, was wir gemeinhin »Gleichnisse nennen. Wenn er, sei es zur Erhöhung des poetischen Wertes, sei es zur Verdeutlichung des Inhalts, einen Vergleich aus der Natur wählt, so malt er diesen meist in behäbiger Breite aus. Mindestens vier Verse (eine Strophe) verwendet er gewöhnlich darauf, wie unsere beigebrachten Beispiele zur Genüge beweisen. Wir finden darin nur einen weiteren Beweis, wie stark der idyllenhafte Zug in seinem Talent war.

Wie zu erwarten war, teilen die Metaphern mit den Vergleichen die Eigenschaft, dass der Dichter meist Naturvorgänge in ihnen niederlegt, weniger die Gegenstände schildert.

Wenn wir die numerischen Verhältnisse der einzelnen von mir aufgestellten Klassen der Gleichnisse ins Auge fassen, so bemerken wir

ein Vorherrschen der Pflanzenwelt. Am meisten sind dann noch die Erscheinungen des Wassers berücksichtigt, dagegen ist die Tierwelt sehr spärlich vertreten. Nur mit Vorbehalt, wie aus jeder Statistik, darf man hieraus Schlüsse ziehen. Dass z. B. so wenige Tiervergleiche verwendet worden sind, möchten wir rein dem Zufall zuschreiben. Wir müssen gestehen, nach der in seinen hübschen Tiererzählungen bekundeten Sympathie für diese Wesen hätten wir eher das Gegenteil erwartet. Die Bevorzugung der Gleichnisse, die sich auf Pflanzen und Flüsse beziehen, ist man dagegen berechtigt, auf die Vorliebe des Dichters für diese Teile der Natur zu deuten, zumal da dieses sich aus seinem Leben und aus seiner übrigen Naturpoesie ebenfalls erweist. Besonders tritt auch bei diesen Teilen der Cowper'schen Dichtung, die nicht zu leugnende Einseitigkeit seines Naturempfindens zu Tage, bezeichnend ist die Vernachlässigung der Wolken und die Verschmähung der Farbe, besonders in der letzteren bieten Naturschilderungen aus unsern Tagen unendlich viel mehr Nüancen.

Die Hauptsache aber ist jedenfalls, dass diese Vergleiche und Metaphern in ihrer Frische und Anschaulichkeit, in ihrer Originalität und liebevollen Ausführung weitere Zeugen für das lebhafte Naturgefühl Cowpers sind. Dieser immer wache Sinn zwang ihn, auch da die Natur in figürlichem Sinn hereinzuziehen, wo der Gegenstand direkte Naturschilderung nicht zuliess. Und hatte Cowper schon durch die antropomorphisierende Schilderung der Natur, besonders in der Vermenschlichung der Tiere eine seelenvolle Naturauffassung ausgedrückt, so fand er in den Vergleichen und Metaphern, in denen der Mensch zur äussern Natur herabsteigt, ein weiteres Mittel, die sittlichen Beziehungen der herrschenden Vernunft zur beherrschten Umwelt aufzudecken. Dabei erbrachte er aber zugleich den Beweis, wie sehr er allezeit in der Natur lebte und webte.

IV.

Wir beschliessen mit diesem Abschnitt die Betrachtung der Werke Cowpers und glauben, dass das Bild, welches wir von seinem Naturgefühl aus seinen Briefen wie aus seinen Naturdichtungen zusammengestellt haben, ein umfassendes sei. Wir bemerkten in der Einleitung, dass es durch diese Untersuchungen vielleicht möglich sein würde, die Frage zu zu beantworten, ob das Cowper'sche Naturgefühl modern sei, und damit zugleich, ob Cowper ein moderner Dichter sei. Zwar haben wir im Laufe unserer Ausführungen an besonders einleuchtenden Stellen nicht mit unserer Meinung zurückgehalten. Aber zusammenfassend möchten wir hier am Ende noch folgendes zu dieser Frage bemerken:

Man muss scharf zwischen Rückkehr zur Natur und Auftreten des modernen Naturgefühls unterscheiden: mit letzterem würde natürlich auch das Einsetzen der modernen Naturdichtung zusammenfallen. Das Verdienst aber, die Rückkehr zur Natur eingeleitet zu haben, gebührt für England zweifellos Thomson. Jedoch eine andere Frage ist es war Thomson der erste moderne Naturdichter? Und dies müssen wir ganz entschieden verneinen.

Es ist dieselbe Erscheinung wie in der Entwickelung der englischen Landschaftsmalerei. Mit Gainsborough und Wilson kehrt dieselbe zur Natur und Wirklichkeit zurück. Von den steifen Dekorationen, von den kalten Allegorien, wie wir sie auf den Spiegeln der Rokokozeit finden, kommt man ab und strebt jetzt nach einer möglichst getreuen Wiedergabe der Aussenwelt, oft allerdings verfällt diese Richtung in ein breites Abschildern voll wenig Witz und viel Behagen, wie dies auch bei der beschreibenden Dichtkunst der Fall ist. Und es ist in der bildenden Kunst erst Turner, mit dem sich die englische Landschaftsmalerei über die Stufe der blossen Rückkehr zur Natur erhebt und sich zur modernen Wiedergabe der Landschaft weiterentwickelt.

Wir haben Thomson des öfteren mit in unsere Betrachtung hineingezogen und an diesen Stellen besonders die Meinung Morels zu widerlegen gesucht. Aus diesen Erörterungen wird sich, denken wir, gezeigt haben, dass es als eine weitere Uebertreibung dieses französischen Kritikers gelten muss, wenn er sagt: »L'apparition des » Saisons marque la fin d'une époque et l'avènement d'une ère nouvelle.« (Morel, S. 637.) Es ist das eine Uebertreibung, da Morel hiermit augenscheinlich die moderne Zeit meint. Ja noch mehr, er sieht sogar in Thomson den Dichter der Zukunft: » le jour viendra où l'on se rappelera que

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