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Ocean hin von blendend weißen Segeln, ein frisches dunkles Grün überdeckte, wie ein reicher Teppich, die am Ufer sich hinziehenden Hügel, und die im schönsten südlichen Flor prangende Staaten - Insel, während die Wasser des Oceans und des Hudson sanft rieselnd im Winde zitternd das Bild des glühenden Taggestirns zurückwarfen.

Was für eine herrliche Stelle!" rief ich,,, es gibt nichts Aehnliches in der ganzen Union."

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Gewiß nicht," versezte einer meiner Begleiter, welcher still stand, um die ganze Schönheit der Landschaft zu genießen,,, aber wie viele Amerikaner, glauben Sie wohl, ergößen sich daran?"

,,Dieser Ort," bemerkte der Andere, hat schon lange aufgehört fashionable zu seyn. Unsere ganze schöne Welt wohnt jezt im Westende der Stadt."

Wo," fiel ihm Ersterer in die Rede, „die Atmosphäre nicht halb so rein, die Luft nicht den zehnten Theil so erquickend ist, als hier, und wo statt dieses herrlichen Hafens, dieses Oceans, des Sinnbildes der Ewigkeit — ihre Augen sich an einer Sandebene ergößen, aus welcher die zerstreuten Paläste unserer Satrapen emporsteigen, wie die Pyramiden aus der ägyptischen Wüste. Das halten unsere Geschmacksmenschen für eine glückliche Nachahmung Londons!“ Diese Leute vergessen, daß das Westende der britischen Hauptstadt mit herrlichen, öffentlichen Plägen und Spaziergängen geziert und von öffentlichen Gärten und Parks umgeben, gegen unser fashionables Stadtviertel ein wahres Paradies zu nennen ist.

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Und doch brauchen nur Southwark und die Flecken am östlichen Ufer der Themse morgen in die Mode zu kommen, um die reichen Kaufleute dieser Stadt zu veranlassen, diesem Beispiele zu folgen, und ihren Wohnsiz noch einmal in dieser Nachbarschaft aufzuschlagen.

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„Diese Nachahmung der Engländer," bemerkte ich, „ist wahrhaftig nicht die glücklichste, und ist schon deßs wegen lächerlich, weil sie es bloß mit Formen, nicht mit dem Gehalt der Dinge zu thun hat. Ich komme nun schon seit zwei Monaten jeden Abend hieher, bin aber noch keinem einzigen Amerikaner aus der höhern Gesellschaft begegnet. Nur die Fremden genießen diesen herrlichen Spaziergang."

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Und wissen Sie warum?" unterbrach mich einer meiner Freunde; weil unsere Fashionables nicht mit dem Volke gesehen werden wollen; sie fürchten das mehr als Sturm und Wind, und darum ist auch Alles, was in den Vereinigten Staaten wirklich schön ist, gemein. Das Volk folgt seinem Geschmack und nimmt von Allem Befig, was ihm gefällt, so, daß unsere Exclusives mit dem sich begnügen müssen, was der große Haufen übrig läßt.

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„Unsere Exclusives sind auch nicht zu bedauern, versezte der Andere, „sie verdienen kein besseres Schicksal. So lange die Aristokratie eines Landes die bessere und gebildetere Klasse der Bourgeoisie in ihr Bereich zieht, gibt sie der letteren nicht nur das Beispiel feinerer Site ten, sondern seget auch gewissermaßen eine Prämie auf Talent und Wissenschaft. Unsere Aristokratie hingegen ist selbst nichts Anderes, als eine reiche, aus ein Paar Dugend aufgedunsener Familien zusammengeseßte, durch glücklichen Handel plöglich reich gewordene Bürgerkaste, die jezt ihre nächsten Freunde und Verwandte nicht mehr kennen will, um für fashionable zu gelten.“

Unser Gespräch wurde hier durch das Läuten der Schiffsglocke unterbrochen, das uns die Abfahrt des ftündlichen Dampfbootes nach Staaten-Island1 verkündete. 1 Diesen Namen erhielt die Insel von den Holländern, und er ist ihr auch von den Engländern, welche später von der Kolonie Besih nahmen, gelassen worden.

Da wir uns vorgenommen hatten, mit einigen Freunden im Pavillon zu frühstücken, so eilten wir schnell an Bord, und schwammen in weniger als einer Minute der schönen Insel zu.

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Eine Musikbande, meistens aus Negern bestehend, war auf dem Hintertheil des Schiffes aufgestellt, und die Gesellschaft bestand aus einer reichen Zahl hübscher Frauenzimmer, welche mit den ihnen ergebenen Verehrern in der frühen Morgenstunde der Hiße der Stadt entflohen, um zur Shopping -time, zwischen zwölf und zwei Uhr, wieder dahin zurückzukehren. Einige verlassene Femellen (mit diesem Namen bezeichnet die hohe Klasse in Amerika jene unglücklichen weiblichen Geschöpfe, welche nicht genug Vermögen besigen, um Damen zu heißen), 2 bloß unter dem Schuße von ungeheuren, mit Provisionen aller Art angefüllten Marktkörben, hatten sich ebenfalls eingefunden, um den Einklang füßer Töne und eine Spazierfahrt im Hafen für einen Viertelthaler zu genießen. Die Gesellschaft war in der besten Laune; die Korbweiber befanden sich auf einer Seite des Schiffs (zum Unglück auf der Windseite), und die Herren und Damen auf der andern; während die Musik unwillkürliche Variationen zur Melodie des schottischen Gesangs,,Auld lang syne zum Besten gab.

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In genau einer Stunde nach unserer Abfahrt landeten wir am Werft der Insel, und begaben uns sogleich an den Ort unserer Zusammenkunft. Dies war ein großes, weitläuftiges, von Oberst M** einem der

1 Die Zeit, um welche die Damen in den eleganten Boutiquen ihre Einkäufe machen.

2 Weiber heißen in Amerika nicht women, sondern females. 5 Dieses berühmte Lied von Robert Burns fängt bekanntlich mit den Worten an: „Und sollen alte Freunde einander vergeffen," und ist in Amerika, wie die meisten schottischen und irischen Lieder, sehr beliebt.

wenigen Wirthe in den Vereinigten Staaten, die das Talent befizen, es ihren Gästen bequem zu machen, im besten Geschmack eingerichtetes Hotel, mit zwei ungeheuren, beinahe bis an das Meer hinausreichenden Flügeln, aber nur einem sehr kleinen Garten, aus welchem alle Bäume mit der größten Sorgfalt entfernt worden waren; eine Vorkehrung, welche man in den Vereinigten Staaten in der Regel mit allen öffentlichen Plägen und Gärten zu treffen pflegt.

Die Amerikaner haben in der That einen sonderbaren Abscheu gegen jede Art von Bäumen und Gesträuchen; sowie im Gegentheil ihre höchste Idee von Schönheit und Vollkommenheit einer Landschaft in einer fetten, reichlich mit Gras oder Korn bedeckten Ebene besteht. Sie betrachten Bäume als ein Zeichen von Barbarei, und scheinen den Entschluß gefaßt zu haben, dieselben überall auszurotten, wo sie ihnen begegnen. Die Hügel und Inseln im Hafen von Boston, welche früher mit majestätischen Tannen und tausendfährigen Eichen grünten, find jezt glatt geschoren, wie das Haupt eines Bettelmönchs. Die Stadt Albany, auf einer sanften Anhöhe am Hudson erbaut, wird mit jedem Tage flacher und weniger schattig, und es bezahlen die fashionablen Einwohner dieser Hauptstadt des Staates New-York1 jezt mehr für das Abtragen des Bodens und das Umhauen der Bäume, als für das Aufführen ihrer Wohngebäude. Die herrlichen Cedern an den Ufern des Monongahila und Ohiostromes werden mit ungeheuren Kosten von der Wurzel aus vertilgt, um den Einwohnern von Pittsburg2 Licht und Luft frei zu lassen,

1 New York ist bloß die commercielle Hauptstadt und der Hafen, Albany aber die Residenz des Gouverneurs und der Siß der gefeßgebenden Versammlung des Staates.

2 Vor nicht ganz hundert Jahren stand an dieser Stelle das französische Fort Ducaine, welches die militärische Verbindung Grund, amer. Aristokratie. I.

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und selbst der alte Freiheitsbaum in Boston, mit allen seinen historischen Erinnerungen, liegt längst im Kamin eines Puritaners begraben. Wie grell sticht nicht dieses Verfahren gegen das der Engländer ab, die, nachdem sie im Freiheitskriege die ganze Colonie von New-Jersey mit Feuer und Schwert verheert, eine Ehrenwache an die alte Eiche stellten, unter welcher William Penn seinen berühmten Vertrag mit den Indianern abgeschlossen hatte.

Abgesehen von dem Fehler des Gartens, ist der Pavillon der Staaten-Insel, oder der „Brighton Pavillon,“ wie man ihn auch nach dem Sommerpalast des Königs von England getauft hat, ein angenehmer Zufluchtsort für Alle, welche in der heißen Jahreszeit dem Staub und dem Schmuß der Stadt zu entfliehen wünschen, und dies um so mehr, als er auf einem Hügel erbaut, von allen Seiten dem Morgens und Abends wehenden Seewinde zugänglich ist. Wir stiegen die Terrasse hinan, und traten sogleich in das sehr geräumige, den eigentlichen Kern eines amerikanischen Wirthshauses bildende, Bar-room. Hier standen Aufschriften aller Art und in allen Sprachen auf unzähligen Flaschen, welche ziemlich geschmackvoll über und neben einander gereiht waren, und zwischen welchen das helle und matte Gold von Orangen und Citronen mit dem dunkeln Grün des Rheinweins und den filberköpfigen, in Eis gebadeten Champagner

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zwischen Canada und New-Orleans bildete; nach der Einnahme desselben von den Engländern wurde es dem Earl von Chatham zu Ehren Pittsburg genannt. Die Stadt hat jekt nahe an 40,000 Einwohner, mit den größten Eisenfabriken der Union. Die Lage ist ungemein romantisch, am Zu sammenfluß der beiden Flüsse Monongahila und Ohio. 1 Eine Art von Schenkzimmer, in welchem keine Tische und Stühle sich befinden, wo daher die Gäste stehen müssen und der Wirth hinter einem Gitter — daher der Name — gegen die Zudringlichkeit der leßtern gesichert ist.

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