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In diesen Kreisen lebte Marie Antoinette nicht wie die Königin eines dem äußern Glanze und Pompe unterwürfigen, eiteln Volkes, sondern als eine vornehme Dame, die hoch genug steht und reich genug ist, um die Unabhängigkeit als ihr höchstes Gut zu genießen. Aber bei ihrer angebornen Gutmüthigkeit und ihrer zärtlichen Liebe zu den Personen dieser nåhern Umgebung wollte sie auch diese gern recht oft mit ihrer königlichen Gunst erfreuen. Dies traf nun vorzugsweise die Herzogin von Polignac; sie wollte die Freundin, die sie sich gewählt, beneidet sehen. Aber auch die Uebrigen wurden freigebig bedacht: die Gräfin Diana ward Ehrendame bei der Prinzessin Elisabeth, Graf Vaudreuil Oberfalkenier, Graf Adhe= mar Gesandter in London, Herzog Polignac Generaldirector der Posten und Oberstallmeister der Königin. Ebensowenig fehlte es an Geldbewilligungen, erhöhten Pensionen und Gratificationen, obgleich diese Summen, wenn man sie mit denen vergleicht, die unter Ludwig XV bewilligt waren, und wenn man zugleich

bougies; son cou onduleux, obéissant à tous ses mouvemens, terminait, pour ainsi dire, chaque pas qu'elle faisait en scène, par quelque chose de doux et de caressant; sa bouche même avec cette levre épaisse la servait à ravir et lui donnait un air boudeur charmant.

bedenkt, daß die französische Hof- und Verwaltungsfitte dergleichen Schenkungen gut hieß, weit weniger bedeutend find. Wir werden darauf weiter unten zurückkommen. Also dürfte der Vorwurf, daß Marie Antoinette in diesem Cirkel und für diesen Cirkel sehr bedeutende Summen verschwendet habe, nur in einem geringen Grade begründet erscheinen.

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Weit begründeter erscheint dagegen der Vorwurf, daß die Mitglieder dieser vertrauten Gesellschaft ihr persönliches Talent, benußt haben, auf die Königin einen Einfluß in Regierungsangelegenheiten zu üben, und daß sie nicht genug Kraft besessen habe, ihnen zu wider= stehen *). Es mag dieser Einfluß in den ersten Jahren ihrer Regierung (etwa bis in das Jahr 1777) weniger bedeutend gewesen sein, auch ward der Name der Königin in dieser Beziehung fast nur bei zwei Processen genannt, deren Revision sie bei dem Könige bewirkte. Aber der Hof zu Versailles war nun einmal ein Hof der Intriguen, und der Minister Maurepas, in Intriguen und Cabalen grau geworden, konnte auch nur durch solche bekämpft werden. Daß ihm die Königin nicht wohlwollte, ist bereits bemerkt worden, um so mehr fanden in jener Zeit die Einflüsterungen Derer bei ihr ein günstiges Gehör, die

*) Zinkeisen über Versailles im histor. Taschenbuche für 1887. S. 415 f.

mittels einer ganz entgegengeseßten Verwaltungsweise das wahre Glück Frankreichs weissagten. Nun besaß die Königin als solche einen durchaus edeln Sinn, eine uneigennüßige Neigung zu helfen und eine lebhafte Theilnahme an dem Wohle des Reichs. Für eine junge Frau mit einem so wohlwollenden Gemüthe mußte also die moderne Philosophie eines Turgot und Necker, die fortwährend das Glück des Volkes als ihren einzigen und höchsten Zweck bezeich= neten, einen unwiderstehlichen Reiz haben. Daher finden wir, daß Necker gleich zu Anfang seiner Laufbahn als Minister die gute Meinung der Königin für sich hatte. Diese steigerte sich, so oft er ihr die lästigen Bedenken des Premierministers bei allen Neue= rungen, die er vorschlug, mittheilte, und sie zu überreden suchte, daß nur Maurepas dem Wohle der Nation hinderlich sei, während er selbst dasselbe aus allen Kräften zu befördern streben würde. Vielfache Zeugnisse bestätigen es, daß Necker in jener Zeit sehr hoch in der Gunst der Königin stand und daß sie seine Fähigkeiten unentbehrlich für Frankreichs Wohl, seine Verheißungen für unzweifelhaft gewiß gehalten habe *). Diese Meinung ward im Polignac'schen Cirkel, wo zwar nicht Alle so günstig gegen Necker ge= stimmt waren, wenigstens benugt, um die Plane gegen

*) Schút, Geschichte der Staatsverånd. I. 312 f.

Maurepas] zu unterstüßen. Nun klagen aber selbst die Anhänger der Königin, daß sie nicht verstanden habe, einen Plan folgerichtig durchzuführen. Sie war allerdings eine Frau von Geist und besaß auch die Fähigkeit, Umstände und Menschen zu benußen und zu lenken, sobald sie ernstlich wollte, aber man mußte dazu ja die günstigsten Augenblicke wählen, denn sehr oft verursachte ihr das ernste Gespräch die tödtlichste Langeweile, und ernste Beschäftigung war ihr in jener Zeit wo möglich noch unangenehmer, als der Zwang der Etiquette, ja es wird von ihr ergebenen Schriftstellern versichert, daß sie außer einigen Romanen vielleicht nie ein Buch aufgeschlagen habe.

Ein so harter Vorwurf verliert jedoch an Wahrscheinlichkeit bei genauerer Beleuchtung desselben. Denn einmal war Marie Antoinette in Wien so sorgfältig unterrichtet worden, wie es von jeher die Weise des östreichischen Kaiserhauses gewesen ist, und wie es von der Kaiserin Marie Theresie namentlich durch die glaubwürdigsten Zeugnisse bestätigt wird *). Marie

*) Montjoye I. 36–40. Fürst in Ranke's politischhistor. Zeitschr. II. 4. S. 647 und die Instruction der Kaiserin über die Erziehung ihrer Töchter in den Verhandl. des histor. Vereins im Unter - Donaukreise I. 1. G. 30-35.

Antoinette sprach französisch und italienisch, wenn fie auch das erstere ebensowenig orthographisch richtig schrieb als Friedrich der Große, begünstigte die Musik und liebte die bildenden Künste. Nur trug sie ihre Kenntnisse nicht gerade so zur Schau, wie sie vielleicht in Frankreich hätte thun sollen und wie auch Madame Campan ihr scheint angerathen zu haben. Wenigstens berichtet sie in ihrer Correspondence avec la reine Hortense, wo man freilich mehr die maîtresse de pension als die première femme de chambre zu hören glaubt, daß sie der Königin vorausgesagt habe, fie werde in Folge ihrer Nichtachtung geistiger Größe den Schmähungen und dem Spotte, der Libellisten verfallen. Eine Fürstin unserer Tage würde freilich dem vaterländischen Kunst- und Gewerbfleiße, wie auch den literarischen Bestrebungen ausgezeichneter Männer eine größere Aufmerksamkeit ob aus Nei gung oder aus Klugheit, bleibe dahingestellt zu= gewendet haben; Marie Antoinette hat dies nicht ge- . than. Aber man muß auch billig sein und erwägen, wie außerordentlich schwer, ja fast unmöglich, es einer damaligen Königin von Frankreich war, sich Kennt nisse von den innern Angelegenheiten des Reichs oder von den Provinzen außerhalb Paris zu verschaffen. Es ist ja für die lehtern in unserm Jahrhundert der Civilisation wenig genug geschehen. Nun gibt zwar Besenval zu erkennen, daß er sich viele Mühe gegeben

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