Page images
PDF
EPUB

Aber trok dieser Angaben fühlte die Commission, welche das rothe Buch bekannt gemacht hat, daß der Vorwurf unermeßlicher Verschwendung dadurch noch nicht hinlänglich gerechtfertigt sei. Denn sie sagt im Vorworte zum rothen Buche: „Dieses Register ist nicht das einzige, welches Beweise von Geldgier der Günstlinge enthält; die Commission entdeckt bei ihren fortgesetten Arbeiten eine Menge Beweise anderer Plünderungen, die sie nach und nach ebenfalls bekannt machen wird." Indeß ist späterhin nichts weiter erschienen.

[ocr errors]

Ferner ist die Königin angeklagt worden, bei Hoffesten und auf ihren Luftschlössern und Landsigen große Summen verschwendet zu haben. Ein in der That unbegreiflicher Vorwurf. Denn der französische Hof ist niemals weniger glänzend gewesen als zur Zeit Ludwig XVI, wo die Königin die Beschwerden großer Hoffeste fürchtete und dadurch dem Abbé Soulavie*) Gelegenheit gegeben hat, sich sehr unwillig über sie zu äußern, weil sie nach seiner Ansicht den früheren Glanz des Hofes heruntergebracht, die Staatskleider vereinfacht, statt der seidenen Stoffe leich= tere Stoffe eingeführt und dadurch den Ruin der Fa

Raumer, Geschichte von Europa seit dem Ende des funfzehnten Jahrh. IV. 11.

*) Mém. VI. 41-45.

briken in Lyon herbeigeführt habe. Marie Antoinette war allerdings in den ersten Jahren ihres Aufenthalts in Frankreich für neue Moden, Schmuck und Kleider lebhaft eingenommen und verstattete Juwelieren und der Modehändlerin Rosa Beatin öfterer den Zutritt, als es ihr selbst und ihrem guten Rufe nüßlich war, wie sich dies namentlich in der berüchtigten Halsbandgeschichte zeigte, dessen handgreifliche Unwahr= scheinlichkeiten nicht so leicht hätten Glauben finden können, wären nicht manche Unvorsichtigkeiten der Königin vorausgegangen *). Aber jene Liebhaberei kann unmöglich den Finanzen eines großen Reiches in dem Grade geschadet haben, wie es der Königin Feinde darzustellen bemüht gewesen sind. Nicht anders verhålt es sich mit den großen Summen, welche Marie Antoinette in ihren Schlössern oder Landsigen ver= schwendet haben soll. Zuerst ward dies von ihrem Gartenhause zu Trianon behauptet, wo sie sich am

*) Vergl. meinen Aufsag im Lit. Zodiac. XII. 412. 447. ,,Die Halsbandgeschichte", sagt Goethe bei Eckermann II. 272, „geht als Factum der französischen Revolution unmittelbar voran und ist davon gewissermaßen das Fundament. Die Königin, der fatalen Halsbandgeschichte so nahe verflochten, verlor ihre Würde, ja ihre Achtung, und so hatte sie denn in der Meinung des Volkes den Standpunkt verloren, um unantastbar zu sein.“

liebsten aufhielt. Hier sollten Millionen zum Aufbau und zur Ausschmückung des üppigen Wohnhäuses vergeudet sein, zu den Amor- und Floratempeln, zu den Carrousels, zu den höchst sinnvoll erfundenen Gartenspielen aller Art und zur Anlage eines kleinen, artigen Müllerdorfes, worin zuweilen König und Konigin als Müller und Müllerin zu sehen gewesen wåren. Aber schon der kleine Raum des Hauses und Gartens zu Trianon würde beweisen, daß eins jener Prachtfeste am Hofe Ludwig XIV mehr Kosten hatte verursachen müssen als die gesellschaftlichen Unterhaltungen eines Jahres in dem kleinen, so wenig königlichen Trianon. Dasselbe gilt von den Schauspielen, welche in dem ländlichen Aufenthalte aufgeführt wurden. Aber auch andere Zeugnisse beweisen dies. Frau von Campan versichert, daß das ganze Hausgeräth zu Klein-Trianon im Jahre 1789 noch ganz dasselbe gewe= sen sei, wie es Ludwig XV beim Erbauen des kleinen Hauses habe einrichten lassen,, und daß die Vergnůgungen der Königin darin bestanden hätten, die Werkstätten des kleinen Dörfchens zu besehen, im See zu fischen, die Kühe melken zu sehen und frei von aller Förmlichkeit zu leben. Sehr selten stellte sie größere Feste hier an. Frau von Campan erzählt nur von einem einzigen Feste, das zu Ehren des Kaisers Joseph bei seiner Anwesenheit in Paris gegeben worden ist, über welches aber schon damals die bittersten und

ungerechtesten Bemerkungen gemacht wurden. Ebenso versichert. Achaintre, der im Jahre 1791, als die Volkswuth das kleine Schloß noch nicht zerstört hatte, dasselbe sah, daß die hier`angebrachten Verschönerun: gen unmöglich die großen Summen erfodert haben könnten, welche man der Königin aufgebürdet hatte. Auf ähnliche Weise ward die Erwerbung getadelt, welche Marie Antoinette an dem Schlosse zu St. Cloud machte, das man indeß nicht eher für sie kaufte, als bis die Veräußerung der Gebäude des alten Schloßses la Trompette in Bordeaux den Betrag der ganzen Kaufsumme ohne Belästigung des königlichen Schazes geliefert hatte *). Kurz, die Königin Marie Antoinette hat ungeachtet ihrer Neigung zu gesellschaftlichen Vergnügungen dem französischen Reiche wol weniger Ausgaben verursacht als irgend eine Geliebte der frühern Monarchen. Daher trägt sie, deren sparsame, måßige Gesinnung überdies durch unverdächtige Zeugnisse bestätigt wird, nicht die Schuld des Verfalls der französischen Finanzen. Die Ursache davon liegt ziemlich klar vor Augen. Zuerst die Verschwendungen seit Heinrich IV Tode (betrug doch schon im Jahre 1624 das Deficit zehn Millionen und die Staatsschuld

*) Fleury II. 108-114: Campan ch. 5. p. 125 f. ch. 9. p. 279 f. Storch, Skizzen auf einer Reise durch Frankreich 804. Achaintre 80.

52 Millonen Livres), dann unter der jeßigen Regierung die Aufhebung der harten, aber unerlaßlichen Maßregeln zur Deckung des Deficit, welche Terray in den lehten Regierungsjahren Ludwig XV ergriffen hatte, ferner der Kampf für die Befreiung der Ame= rikaner und die glänzende, verführerische Idee, den ungeheuren Bedarf für diesen Krieg durch bloße An= leihen, ohne Belastung und ohne alle Beihülfe des Volkes zu decken. Zwar weniger sichtbar, aber nach Verhältniß nicht minder nachtheilig, wirkte die herrschende Neigung zu Veränderungen in Staats- und Verwaltungsformen auf, den Zustand der Finanzen. Der Umsturz aller Heereseinrichtungen durch den Grafen St. Germain, die Neuerungen Turgot's, selbst die Wiederherstellung der Formen und Einrichtungen, die diese Minister so schnell vernichtet hatten, konnten nicht ohne Einbuße, nicht ohne außerordentliche Aus= gaben des Schages geschehen.

Während in dieser Zeit sich die Anklagen über Verschwendung und den für Frankreich nachtheiligen Einfluß der Königin häuften, gab sie einen recht deutlichen Beweis bei Gelegenheit der Irrungen Joseph II mit der Republik Holland, daß ihr Frankreichs wahres Glück und echter Wohlstand sehr am Herzen låge. Bekanntlich waren in den Jahren 1784 und 1785 zwischen Kaiser Joseph II und den Generalstaaten von Holland ernsthafte Streitigkeiten über die Han

« PreviousContinue »