Goethes kunstschriften, Volume 2

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Page 15 - doch falsch, daß sie es nach dem Beispiele der Natur tun. Was wir von Natur sehn, ist Kraft, die Kraft verschlingt — nichts gegenwärtig, alles vorübergehend, tausend Keime zertreten, jeden Augenblick tausend geboren, groß und bedeutend, mannigfaltig ins Unendliche; schön und häßlich, gut und bös, alles mit gleichem Rechte nebeneinander existierend. Und die Kunst ist gerade das
Page 47 - glaubt, daß sie nirgends oder wenigstens nirgends so kräftig anzutreffen seien. Das Äug des Künstlers aber findet sie überall. Er mag die Werkstätte eines Schusters betreten oder einen Stall, er mag das Gesicht seiner Geliebten, seine Stiefel oder die Antike ansehn, überall sieht er die heiligen Schwingungen und leise Töne, womit die Natur alle
Page 45 - ziemlich stracks auf den Inhalt los, der sich sonst so von selbst zu geben schien. Deswegen gibts doch eine Form, die sich von jener unterscheidet wie der innere Sinn vom äußern, die nicht mit Händen gegriffen, die gefühlt sein will. Unser Kopf muß übersehen, was ein andrer Kopf fassen kann; unser Herz
Page 110 - Organisches hervorzubringen und seinem Kunstwerk einen solchen Gehalt, eine solche Form zu geben, wodurch es natürlich zugleich und übernatürlich erscheint. Der Mensch ist der höchste, ja der eigentliche Gegenstand bildender Kunst! Um ihn zu verstehen, um sich aus dem Labyrinthe seines Baues herauszuwickeln,
Page 28 - Nur getrost! Was den Menschen umgibt, wirkt nicht allein auf ihn, er wirkt auch wieder zurück auf selbiges, und indem er sich modifizieren läßt, modifiziert er wieder rings um sich her. So lassen Kleider und Hausrat eines Mannes sicher auf dessen Charakter schließen. Die Natur bildet den Menschen, er bildet sich
Page 17 - zu tun, daß der keine Seligkeit des Lebens fühlt als in seiner Kunst, daß, in sein Instrument versunken, er mit allen seinen Empfindungen und Kräften da lebt. Am gaffenden Publikum, ob das, wenns ausgegafft hat, sich Rechenschaft geben kann, warums gaffte, oder nicht, was liegt an dem? Wer also schriftlich, mündlich oder im
Page 166 - genommen, ist in deinen Schlußworten keine wahre Silbe. Der Künstler soll nicht sowohl gewissenhaft gegen die Natur, er soll gewissenhaft gegen die Kunst sein. Durch die treuste Nachahmung der Natur entsteht noch kein Kunstwerk, aber in einem Kunstwerke kann fast alle Natur erloschen sein, und es kann noch immer Lob
Page 24 - Das ist deutsche Baukunst, unsre Baukunst! da der Italiener sich keiner eignen rühmen darf, viel weniger der Franzos. Und wenn du dir selbst diesen Vorzug nicht zugestehen willst, so erweis uns, daß die Goten schon wirklich so gebaut haben, wo sich einige Schwürigkeiten finden werden. Und, ganz am Ende, wenn du nicht dartust, ein
Page 609 - auch mancher ausländischen Fürsten zur Verherrlichung dienen, mit Schätzungs- und Verkaufspreisen, ward unter folgendem Titel 1757 in London gedruckt: "A Catalogue and Description of King Charles the First's Capital Collection of Pictures, Bronzes, Limnings, Medals, Statues and other Curiosities".
Page 588 - auch durch ferne Lande ziehn, Da kommt es her, da kehrt es wieder hin; Wir wenden uns, wie auch die Welt entzücke, Der Enge zu, die uns allein beglücke. III. freie Welt. Wir wandern ferner auf bekanntem Grund: Wir waren

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