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quemsten anreiht, besprechen und dann zur betrachtung anderer lauterscheinungen, die s in verbindung mit mutis, liquiden und spiranten zeigt, übergehen.

A. Kuhn.

II. Anzeigen.

Pott, A. F., die Personennamen, insbesondere die Familiennamen und ihre Entstehungsarten; auch unter Berücksichtigung der Ortsnamen. Eine sprachliche Untersuchung.

(Leipzig, F. A. Brockhaus. 1853. 8. XVI. und 721 s.)

Es war in der that hohe zeit, dafs einmal aus dem schofse unserer neuern sprachwissenschaft ein umfassendes werk ueber eigennamen geboren wurde. Denn es ist nicht zu leugnen, dafs seit einigen jahren eine förmliche sucht grassirt, sich mit eigennamen zu beschäftigen, und zwar meistens auf ganz dilettantische weise bei leuten, die kaum eine idee haben von dem, was man studium einer sache nennt. Die meisten dieser kleinen sprachforscher denken nun zwar glücklicherweise nicht im mindesten daran, ihre arbeiten der öffentlichkeit zu uebergeben; andere aber, die weniger zurückhaltend zu sein gedenken, bedurften dringend entweder einer warnung oder einer anleitung, und zu beidem ist das vorliegende werk ganz vortrefflich.

Dafs die neuere sprachforschung bis jetzt mit einem allgemeinen namenwerke gezoegert hat, war ganz in der ordnung; sie hat die ersten jahrzehende ihres bestehens alle hände voll zu thun gehabt sich erst ihr haus aus den fundamenten herauszuarbeiten und wohnte daher bis jetzt vorzugsweise im souterrain desselben, in laut- und flexionslehre. Jetzt aber ist das haus bereits weiter gewachsen, und mächtig tritt in dem gegenwärtigen zeitpunkte die

wortdeutung in den vordergrund; wir leben nunmehr in der periode der erscheinenden wörterbuecher. Moegen daher, beiläufig gesagt, diejenigen, welche uns vorwerfen, dafs wir so wenig von syntax entweder verstehn oder doch wenigstens hoeren lassen, sich nur ein wenig gedulden; dahin kommen wir auch noch, wenn's zeit ist, eher aber nicht. Keine richtung der wortforschung ist so umfassend, so anziehend und so schwierig als die namenforschung; wer das nicht glaubt, der wird und mufs sich davon durch lesung des Pott'schen buches ueberzeugen. Es war aber gut, dafs Pott und kein anderer es unternommen hat uns ein allgemeines namenwerk als fundament und anknüpfungspunkt fuer weitere arbeiten zu geben; denn grade er war durch den staunenswerthen umfang seiner studien zu einem allgemeinen namenwerke vor allen heutzutage lebenden forschern berufen. Man darf freilich, und das zu erwachnen liegt mir hier hauptsächlich am herzen, ohne ungerecht zu sein, von einem solchen werke manches durchaus nicht verlangen. Eine ruhig dahinfliessende, streng und gleichmaefsig gegliederte darstellung erlaubt fuer jetzt einerseits der gegenstand durchaus nicht, andrerseits aber liegt dergleichen nun einmal nicht in des verfassers art. Bopp's meisterwerke sind es, bei deren lesung man sich an einen stillen, majestaetisch und sicher seines weges ziehenden strom versetzt glaubt; bei Pott befindet man sich in einer gedankenschmiede, in der die helle lohe aufblitzt und umherstiebt, dafs es eine lust ist anzusehn. Das gilt auch insbesondere von dem vorliegenden werke, in welchem eine solche fülle trefflicher einzelnheiten oder allgemeiner gesichtspunkte behandelt oder (oft in einer parenthese, einem zwischensatz, einer anmerkung) angedeutet ist, dafs das buch einen in hohem grade aufmerksamen leser fordert, wenn er sicher sein will, dafs ihm für seinen besondern zweck nichts entgangen ist.

Principiell umfafst Pott das ganze namenwesen aller völker, zeiten und gattungen; doch thut er recht daran einiges erheblich in den vordergrund, anderes mehr oder

minder in den hintergrund zu stellen. Was die gattungen von namen anbetrifft, so verhält es sich mit diesem vorderund hintergründe so. Die familiennamen sind das eigentliche hauptthema des verfassers und er hat ihnen bei unternehmung des werkes jedenfalls eine mehr ausschliefsliche behandlung zugedacht, als ihnen jetzt, da die arbeit geschlossen, zu theil geworden ist. Die familiennamen enthalten aber viele tausende von ortsnamen, die der familie eben ihren namen gegeben haben; es durften also zweitens die ortsnamen nicht unerörtert bleiben oder es waere anders der forschung ueber die familiennamen viel licht entzogen worden. Nun aber sind die ortsnamen selbst, wie auch die familiennamen unmittelbar zu einem sehr grofsen theile von den alten eigennamen im engern sinne (den heutigen vornamen) ausgegangen, und ihnen mufste daher auch viel aufmerksamkeit gewidmet werden, da aus ihnen die letzte deutung der andern namenklassen unsaeglich oft erst resultirt. Es sind also in gewisser hinsicht die familiennamen das allgemeinste, die ortsnamen etwas besonderes und die jetzigen vornamen das engste gebiet. Dieses sachverhältnis spiegelt sich nun in Pott's werk aufs deutlichste wieder, indem die beiden letzten namenklassen als mittel zur deutung der ersten eine verhältnismaefsig kürzere, aber noch immer ziemlich umfassende behandlung gefunden haben.

Den vordergrund den sprachen nach räumt Pott unsern einheimischen namen ein, die mit eisernem fleisse aus den verschiedensten quellen in enormer masse zusammengebracht sind. Im mittelgrunde stehn die übrigen deutschen, die griechischen und romanischen, die slavischen, lithauischen und celtischen sprachen, so wie das Sanskrit. Das uebrige wird in den hintergrund verwiesen, doch fehlt es auch auf diesen gebieten nicht an reichhaltigen und lehrreichen mittheilungen, wie z. b. den namen der Araber und denen der americanischen Indianer sogar besondere capitel angewiesen sind. Dafs die behandlung aller dieser sprachen nicht atomistisch vereinzelt ist, sondern dafs stets von der einen auf die andere bezug genommen, oder vielmehr

dafs stets in der einzelnen sprache die menschliche sprache ueberhaupt wiedererkannt wird, darauf braucht bei einem meister wie Pott nicht noch besonders hingewiesen zu werden.

Auch innerhalb einzelner gebiete des ganzen stoffes tritt der eine theil in dem werke mehr hervor, der andere mehr zurück. In den germanischen familiennamen, die den hauptstoff des buches hergeben, erkennt Pott mit recht eine dreifache wie durch periodenweise ablagerung gebildete schicht an, erstens die der alteinheimischen namen, zweitens die der christlichen und drittens die jüngste bildung. Es ist häufig schwer, oft auch geradezu unmoeglich zu entscheiden, welcher von diesen drei schichten ein bestimmter familienname angehoert oder ob er (denn auch das kommt vor) zu zweien derselben zugleich zu stellen ist. Namentlich schwankt man oft ganz rathlos, ob man in einem bestimmten falle die erste oder die dritte bildung erkennen soll. Unwissenschaftliche dilettantenetymologie ist natuerlich immer mit der dritten bildung bei der hand; denn was kümmert es sie, dafs die ganze sprachwissenschaft tausendmal laut genug ruft, die sprache sei ein gewordenes und ewig werdendes! Aber auch männer, die wohl in die geschichte unserer sprache hineingeschaut haben, lassen noch immer die jüngste bildung in unsern familiennamen ueber die älteste ein zu grofses uebergewicht behaupten; Pott ruegt das mit recht mehrmals im vorliegenden buche an Hoffmann von Fallersleben. Hier mufs ich nun meinen standpunkt im verhältnis zu dem Pott's dahin bezeichnen, dafs mir selbst Pott noch lange nicht weit genug zu gehn scheint, wenn er dem fortleben unserer alten eigennamen in unsern familiennamen das wort redet; ich bin ueberzeugt, dass noch viele andere der letztern (ausser denen, die schon Pott daraus herleitet) aus unserm uralten namenschatze deutbar sind, dafs also viele von denen, die Pott noch der jüngsten bildung zuweist, bei genauerer betrachtung sich als viel ältern ursprungs erweisen werden. Waeren schon vollständigere verzeichnisse unserer alten personennamen aus

den historischen quellen in die schriften der sprachforscher uebergegangen, hätte also Pott diesen namensprachschatz in groefserm umfange ueberblicken können, als es ihm jetzt moeglich war, so würde er sich ohne zweifel weit öfter auf jenen alten namenschatz gestützt haben. Das er das nun aber in manchen fällen nicht konnte, wer wollte ihm daraus einen vorwurf machen? Oder sollte wirklich jemand so thoericht sein, von einem manne, der besseres zu thun hat, jene unsaeglich muehvolle quellenforschung und sammlung zu verlangen? .

Wie richtig uebrigens der verfasser auch ohne den ausreichenden diplomatischen apparat dem fortleben des alten namenschatzes ein sehr bedeutendes gebiet einräumt, geht aus seinem seite 269 ausgesprochenen princip hervor, dafs, im fall neuere familiennamen sich aus ahd. formen erklaeren lassen, in der regel diese erklaerung dem meist gleifsnerischen scheine, welcher sie der neuern sprache vindicirt, vorgezogen werden müsse." Von der wahrheit dieses satzes, den ich mit wahrer freude begruesste und den ich beim lesen des buches bis zur 269sten seite dringend erwartete, bin ich nach dem oben angefuehrten noch mehr durchdrungen als Pott selbst.

Wenn ich oben sagte, Pott's buch könne vielen als warnung, vielen als anleitung dienen, so hängt dieser ausspruch mit der oeconomie des ganzen werkes zusammen. Durch die erste hälfte zieht sich nämlich als leitender gedanke die aufzaehlung der schwierigkeiten hindurch, mit denen die namenforschung zu kämpfen hat, schwierigkeiten, von denen die meisten, welche an namendeutung denken, gar keine ahnung haben; der zweite theil aber sondert die personennamen nach den begriffkreisen, aus denen sie ihren ursprung herleiten, so dafs dieser zweite theil recht eigentlich ein leitfaden fuer diejenigen ist, die durch den ersten nicht vom mitforschen auf diesem gebiete abgeschreckt worden sind.

Einzelnheiten herzorzuheben, sei es um ihnen beizustimmen oder ihnen entgegenzutreten, das unterlasse ich.

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