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Einkünfte des Staates hergeleiteten Grundsäßen und Regeln abgehandelt" (1766). Justi's staatsrechtlicher Standpunkt ist gekennzeichnet in dem Werke: „Natur und Wesen der Staaten, als Quelle aller Regierungswissenschaften und Geseße“. 1. Aufl. 1759, 2. Aufl. 1771, herausgeg. v. G. H. Scheidemantel. (Wir citiren nach der 2. Auflage.)

Daneben gehen theils nähere Ausführungen einzelner Partien der angeführten Werke oder einzelner Fragen oder endlich als Arabesken um diese großen Werke eine bedeutende Anzahl von Schriften, von denen wir nur einige, welche mit unserem Zwecke näher zusammenhängen, hervorheben wollen. Außer der schon erwähnten Vergleichung der europäischen mit den asiatischen Staaten“ ist zu erwähnen die „Vollständige Abhandlung von den Manufacturen und Fabriken" (wir citiren nach der von Beckmann besorgten Ausgabe 1780; die Widmung zur 1. Auflage ist datirt Kopenhagen 4. October 1757, aus der Zeit, in welcher Justi sein Geschick nach Dänemark getragen). Weiters die „Chimäre des Gleichgewichtes von Europa" (1758), welche nichts Anderes ist als ein Plaidoyer für die Stärkung der Staaten durch gute Verwaltung. Weiters die Moralischen und philosophischen Abhandlungen“ (in 3 Bänden 1760 zu Berlin erschienen, I. Ch. Trendelburg gewidmet). Ferner „Historische und juristische Schriften“ (1760 erschienen, 2 Bände), in welchen er viele wichtige Fragen behandelt und z. B. ganz entschieden sich in scharfen Gegensaz zum römischen Rechte stellt, für die Relativität des Rechtes eintritt und die Nothwendigkeit eines den deutschen Verhältnissen angepaßten Rechtes betont1). Ferner erwähnen wir die „Gesammelten politischen und Finanzschriften" (1761 erschienen, in Kopenhagen geschrieben). Die „Politischen

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1) Auch Roscher anerkennt den Werth dieser Arbeiten, wenn er sagt: „Ohne viel Gelehrsamkeit bezeugen diese Schriften durchwegs viel Gewandtheit und praktischen Verstand für geschichtliche Fragen".

Schriften" enthalten eine Reihe von kleinen Abhandlungen, welche die nähere Ausführung von einzelnen, in den größeren Werken vorgebrachten Gedanken beabsichtigen. In den „Finanzschriften“ läßt Justi seinem Schreibdrange freien Lauf und mischt nicht Zusammengehöriges bunt durch einander. Neben der Verpachtung der landesherrlichen Abgaben, der Verurtheilung der Habsucht der Finanzkammern, Betrachtungen über das Münzwesen und die Einrichtung der Steuern, neben einer ausführlichen Wiedergabe seines Lieblingsprojectes, betreffend die Einführung einer Gewerbesteuer, findet sich eine Abhandlung über die Aufmerksamkeit eines Cameralisten auf die Waldungen und den Holzanbau, welche dadurch erklärbar wird, daß man die Waldungen damals stark vom finanziellen Gesichtspunkte aus auffaßte, weiter eine Fülle von technischen Details über das Forstwesen, eine Abhandlung über die Pflanzung und Wartung der Eichen. Weiters Gesammelte Schriften" mit Abhandlungen über das Kriegswesen und einer „Betrachtung darüber, was einen wahren Helden ausmacht“, solche über Zölle, über die Zweige der obersten Gewalt und die Bedeutung der Wissenschaft; endlich „Dekonomische Schriften“ über die wichtigsten Gegenstände der Stadt- und Landwirthschaft (2 Bde., 2. Aufl. 1766, 1. Aufl. 17601). Der Zweck dieser Schriften ist eingestandenermaßen der, zu zeigen, daß in Deutschland alle Arten von Pflanzen, welche für einen Staat nothwendig sind, gedeihen, daß es fonach durchaus überflüssig und schädlich sei, wenn man Rohstoffe importire. Justi verfolgt hier einen ganz ähnlichen Zweck wie Hornick und Leibniz und bildet sonach ebenfalls einen Ring an jener Kette, durch welche Deutschland sich von anderen Staaten abschließen wollte, um sich selbständig zu machen.

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1) Die Jahre 1760 und 1761 scheinen Justi's fruchtbarste Jahre zu sein. Doch sind in diesen Jahren viele Schriften herausgegeben worden, welche längst geschrieben waren, z. B. die Moral. u. philos. Schriften (mit der Widerlegung der Monadenlehre), welche 1747-1749 in Sangershausen geschrieben waren. Siehe auch Inama a. a. O.

Diese Schriften sind alle fortschrittlich gehalten und bringen viel gutes Detail. Die englische Landwirthschaft wird gepriesen längst vor Thaer - die Schäden des Gemein-Grundbesizes werden aufgedeckt, besonderer Ton wird auf die Erziehung von guter Schafwolle gelegt, um die einheimische Wollen-Manufactur zu heben und von der englischen Tuchfabrikation unabhängig zu machen; Justi polemisirt scharf gegen den Flurzwang, welcher durch die Dreifelderwirthschaft geschaffen werde, plaidirt für Fruchtwechsel und Freiheit der Bewirthschaftungsweise des Einzelnen, verlangt gegenseitige, zwangsweise Feuerversicherung und weist nachdrücklich auf die Nothwendigkeit der Umwandlung der unterthänigen Bauern in freie Grundbesizer hin.

Bei solchen Vorzügen treten die weniger günstigen Eigenschaften dieser Schriften in den Hintergrund. Auch diese Arbeiten leiden wieder an einer großen Buntheit des Inhaltes und sind oft recht naiv. Justi spricht über das Salzlecken der Schafe, das Saufen derselben, die Frage, ob man Hühner in Menge halten solle, ob man Schweine mit Pferdemist füttern könne u. s. w. Alle Cameralisten, selbst Sonnenfels nicht ausgenommen, beladen ihre Schriften mit einer Fülle technischer Details, denen sie aber nicht gewachsen sind; dennoch hat Justi gerade mit den „Dekonomischen Schriften“ dem Fortschritte Bahn gebrochen. Fraas1) z. B. anerkennt das auch, indem er Thomas Stißer, die beiden Moser und Justi als jene Männer bezeichnet, welche neben den Encyklopädisten und den englischen Staatsphilosophen die fortschrittliche Richtung überhaupt inaugurirt haben. Die Literatur, welche die innere Bildung des Volkes überhaupt hervorgerufen, hat unendlich viel zur Entwickelung der Landwirthschaft beigetragen und haben hierzu speciell die Cameralisten des 17. und 18. Jahrhunderts, darunter besonders Justi, wesentlich mitgeholfen, was man allerdings „nach echt deutscher Weise jählings vergessen". Weiter sagt Fraas2) von Justi: „Er war der 1) Geschichte der Landwirthschaft Bd. 1 S. 37 ff. 2) a. a. D. Bd. 1 S. 48 ff.

vollkommenste Typus eines Liberalen aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Zugleich Polyhistor und Philosoph vereinigte er in sich hohes humanistisches Wissen, insbesonders alle jene Kenntnisse aus der Naturkunde (?), die zur Hebung des gesellschaftlichen Lebens des Menschen dienen. Veredlung des socialen Lebens war ihm Aufgabe! Seine Thätigkeit war daher in den verschiedenen Richtungen hin entfaltet, immer aber ehrenwerth und tüchtig, wenn auch oft an Projectenmacherei streifend.“

Schon aus der Aufzählung speciell der Hauptwerke Justi's, bei welcher der in Zeitschriften verstreuten Auffäße nicht gedacht ist, geht hervor, daß seine Thätigkeit umfassender war als die vieler anderer Autoren. Keiner seiner Vorgänger, Zeitgenossen und unmittelbaren Nachfolger erreicht ihn bezüglich des von Justi zumeist behandelten Gebietes, der „Polizei“, an erschöpfender Umfänglichkeit der Erörterung, mit welcher aber eine Vertiefung des Gegenstandes Hand in Hand ging.

Justi als Philosoph.

Entsprechend dem Zuge der damaligen Zeit, welcher von einem Gelehrten umfassendes Wissen verlangte und eine Specialisirung nicht verlangte und folgend dem eigenen Zuge des inneren Wesens hat sich Justi auch als „Weltweiser“ gezeigt. Er hat durch seine philosophischen Abhandlungen bewiesen, daß er über viele Fragen nachgedacht und für alles Bemerkenswerthe seiner Zeit offenen Sinn gehabt hat, aber dennoch gerade durch diese Art der Behandlung aller Gebiete des menschlichen Wissens sich noch am ehesten den Vorwurf der Vielschreiberei verdient, um so mehr als wir glauben, daß die philosophischen Schriften Justi's ganz wohl hätten ungeschrieben bleiben können. Im Allgemeinen leitet Justi in diesen Arbeiten eine edle Humanität und ein freiheitlicher Sinn, der ihn überhaupt auszeichnet. Er tritt für religiöse Toleranz ein, verlangt eine Hebung des Unterrichtes und eine gute Kindererziehung und seht den materialistischen Anwandlungen seiner Zeit ideale Ziele entgegen. Seine religiös

philosophischen Abhandlungen sind theosophische Paraphrasen für die Nothwendigkeit der Religion in einem Staate. Gott wird. hierbei mit allen Attributen eines wohlwollenden Herrschers ausgestattet. Wie wenig philosophisch Justi angelegt ist, beweist z. B. der Tadel gegen Wolff1), daß man von ihm (Wolff) „bei seiner unbeschreiblichen Menge von Büchern, und da er seiner Position nach ein Systemschreiber aller Wissenschaften sein wollte, hätte erwarten können, daß er die Polizei nicht vergessen würde“. Nun war aber Wolff's Absicht überhaupt nicht darauf gerichtet, über „Polizei“ zu schreiben; er wollte, wenn auch nicht ausgesprochenermaßen, eine philosophische Grundlage für die Verwaltung, nicht diese selbst erörtern, obwohl er auch lezteres in überreichem Maße gethan. Bei Justi schwimmen Philosophie und „Polizei“ mit einander; allerdings hält aber der Philosoph Justi mit dem Staatspolitiker keinen Vergleich aus.

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In geradezu classischen Worten2) spricht sich Justi über jene Philosophen aus, deren Gedankenarbeit keinen praktischen Nuzen verspricht. Es gibt Viele, welche ihre Bemühungen weniger auf nußbare Wissenschaften wenden, sondern ihre größte Sorgfalt sein lassen, solche Dinge zu begründen, welche erst allemal ungewiß bleiben, und so da der Republik nicht zum geringsten Nußen dienen können. Man könnte ihnen endlich ihre Grüblerei gerne gönnen, wenn sie nur nicht eine Last des gemeinen Wesens wären! Denn es ist viel daran gelegen, daß Jedweder ein nugbringendes Mitglied der menschlichen Gesellschaft sei. Die Philosophie, wenn sie auf eine gesunde Art erlernet wird, trägt viel zur menschlichen Glückseligkeit bei. Allein wenn ein unnüßer Weltweiser darüber kommt, dessen Gehirn mit nichts als mit abgesonderten Begriffen aus der Metaphysik erfüllt ist, der wendet alle seine Bemühung auf Begründung vergeblicher Dinge an. Er untersucht ängstlich, ob die Logik eine Kunst oder

1) Vorrede zur „Polizeiwissenschaft“.

2) Moralische und philosophische Schriften Bd. 2 S. 57 ff.

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