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„Die Cameralwissenschaft lehrt, wie die fürstlichen Domänen und Regalien wohl genußet und daraus sowohl, als aus den schuldigen Prästationen der Unterthanen, an deren publiquen Fonds die fürstlichen Einkünfte mögen erhoben, verbessert und zur Erhaltung des gemeinen Wesens angewendet werden.“

„Sothane drei Wissenschaften sind dergestalt mit einander verknüpft, daß das Oekonomiewesen ohne gute Polizei nicht bestehen kann, das Cameralwesen aber von beiden größtentheils seinen Zufluß erwarten muß.“

Ihm steht an der Spiße die Bevölkerung. Das „innere Wesen“ umfaßt die Bevölkerung, ihr christliches und tugendhaftes Leben, Gesundheit, Politesse, Nahrung und Reichthum; das „äußerliche Wesen“ besteht in „guter Ordnung der Personen und Sachen, wie auch Zierlichkeit des Landes". Die specielle Auffassung Dithmar's über einzelne Zweige der Polizei soll später noch angeführt werden, ist übrigens unwichtig.

Auf einem anderen Standpunkte als Justi steht sein von ihm oft angegriffener Zeitgenosse und Concurrent Bielfeld. Seine Basis ist zwar ebenfalls die Wolff'sche Glückseligkeitslehre, doch steigert er dieselbe zu einem Lehrgebäude, dessen Grundlage die absolut unantastbare Oberherrlichkeit des Fürsten ist. Allerdings kümmert sich Bielfeld überhaupt mehr um Politik im engeren Sinne als um die Polizei. Er versteht unter Politik „die Kenntniß der geschicktesten Mittel, einen Staat fürchterlich und seine Bürger glücklich zu machen“ (S. 37) und vermischt hier entschieden die Politik, oder wie Justi sagt, die Staatskunst mit der Polizei zu einem ununterscheidbaren Ganzen, was ihm ja auch Justi1) vorwirft. Trozdem nimmt Bielfeld (S. 7) für sich das Verdienst in Anspruch, er sei der Erste gewesen, der diese Materie (Staatskunst) auf systematische Art abgehandelt“ habe. Diese Vermischung wird allerdings durch den Zweck seines Werkes erklärlich, welches, ähnlich wie Seckendorff's „Fürsten

1) Siehe oben S. 317.

Staat", gewidmet ist der Darstellung einer „Wissenschaft, die bei Zeiten jungen Prinzen von ihren Lehrern beigebracht und überhaupt der Jugend auf den Kathedern von Professoren vorgetragen werden könnte“. Bielfeld ist zu sehr Hofmann, als daß er sich mit der Polizei im Detail abzugeben geneigt wäre. Er weist der Staatskunst fünf Aufgaben zu: 1. ein Volk wizig und gesittet zu machen; 2. gute Ordnung im Staate einzuführen und Geseze in Schwang zu bringen; 3. gute und genaue Polizei zu führen; 4. den Staat blühend und reich zu machen; 5. den Staat an sich fürchterlich und seinen Nachbarn verehrungswürdig zu machen. Speciell als Aufgabe der Polizei bezeichnet er, den Bürgern die Sicherheit des Lebens und ihrer Person, der Ehre und des Vermögens zu erhalten, versteht also unter Polizei nicht wie Justi die ganze Verwaltung. Hier klingt zum ersten Male, soweit wir sehen können, die Aufgabe der Polizei, Gefahren zu verhüten, an. Bielfeld bezeichnet in der Systematik des Polizeibegriffes im Ganzen keinen Fortschritt gegen Justi.

Moser1) definirt die Polizei folgendermaßen: „Polizei sind diejenigen landesherrlichen Rechte und Pflichten, auch daraus fließenden Anstalten, welche die Absicht haben, derer Unterthanen äußerlich Betragen im gemeinen Leben in Ordnung zu bringen und zu erhalten, wie auch ihre zeitliche Glückseligkeit zu befördern“. Er citirt Justi häufig und hebt hervor, daß die „Polizei“ einen äußerst unbestimmten Inhalt habe. Auch Moser vermischt Grundsäge und Veranstaltungen der Polizei, wie dies allerdings auch Justi thut und Viele vor und nach ihnen. Ebenso wird Polizei und Polizeirecht immer vermengt.

Speciell die von Moser betonte Unbestimmtheit des Polizeibegriffes hebt noch schärfer I. R. Roth hervor2): „Die Polizei ist bekanntlich alles, was man aus ihr machen will

1) Landeshoheit in Polizeisachen 1773 . 3 ff.

2) Staatsrecht deutscher Reichslande 1788 Bd. 1 S. 49.

Marchet, Verwaltungslehre.

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und wird auch nur zu oft zu allem gebraucht. Ist auch das Verfahren, so sich eine reichsständische Regierung oder wo der Fürst selbst durchgreift, dieser sich erlaubt, noch so unrecht, noch so unbillig, der deutsch-bürgerlichen Freiheit noch so sehr zuwider und noch so hart, so soll dennoch, wenn der Landesherr darüber vor dem Reichsgericht in Anspruch genommen wird, die Polizei Alles das decken (!). Reißet nun das Reichsgericht diese falsche Decke hinweg, hebt das Verfahren auf, ahndet auch wol deshalb den Landesherrn mit verdientem Nachdruck, so wird über Eingriff in die Landeshoheit, aber ohne Grund, geklagt.“ — Hier haben wir einerseits im Allgemeinen den Staatsgedanken gegenüber der Willkür eines Herrschers, andrerseits den Reichsgedanken gegenüber den mächtigen Territorialfürsten angerufen! Roth bedauert diesen Zustand, den besonders scharf Berg bekämpft, sieht aber keine Möglichkeit, ihn zu ändern, weil er die Möglichkeit, die Rechtsbildung zu ändern, nicht erkannt hat.

Im Uebrigen steht er auf dem Wolff’schen GlückseligkeitsStandpunkte in seiner (S. 142 gegebenen) Definition der Polizei:

"

Polizei ist der Inbegriff der Anstalten, welche das Gemeinwohl zum Gegenstande haben. Das Recht, diese Anstalten zu bestimmen, ist das Polizeirecht." Die Hauptgegenstände der Polizei sind (S. 145 ff.) Sorge für die Erhaltung und Vermehrung der Bevölkerung, Gesundheit und Sicherheit, Bequemlichkeit, Sitten und Wissenschaft, Handel und Vergnügen.

Moser führt als Zweck der Polizei an: a) gute Ordnung im gemeinen Leben und Wandel; b) Beförderung der äußerlichen Glückseligkeit der Unterthanen (S. 4). Er unterscheidet die Polizei nicht nach inneren Momenten, sondern nach den Trägern des Polizeirechtes, wie er überhaupt auf dem gegebenen (Territorial-) Rechte beruht. Die hohe Polizei, welche allein dem Landesherrn zusteht, und die niedere, „welche auch mit Land und Leuten abgefundenen nachgebornen Herren“ überlassen ist. Die hohe Polizei besteht theils in Oberaufsicht über die niedere Polizei, theils in gewissen, dem Landesherrn

vorbehaltenen Gerechtsamen. Identificirung der Interessen des Regenten und der Unterthanen, sowie die väterliche Stellung des Fürsten gegenüber den Unterthanen sind seine leitenden Gedanken auf diesem Gebiete. „Der Regent ist von Rechtswegen ein Landesvater und eines Vaters Schuldigkeit ist, seinen Kindern zu ihrem Brod behilflich zu sein“ (S. 148). Soweit sich Moser mit Polizei beschäftigt, steht er entschieden auf Justi's Schultern.

Hohenthal sagt 1), die Polizei ist der „Inbegriff der Mittel, die zur Erhaltung und Beförderung des öffentlichen Wohles und der Glückseligkeit der einzelnen Bürger dienen".

Heumann): Polizei ist die „Sorgfalt für den vollkommnen Wohlstand des nach allen seinen Theilen betrachteten gemeinen Wesens“.

Pütter bezeichnet als Aufgabe der Polizei, „die zukünftigen Uebel, insoferne sie das Ganze betreffen, abzuwenden"; scheidet daher ebenso wenig wie alle Uebrigen die gefeßgebende von der vollziehenden Gewalt, hat aber dafür den Gedanken, welcher bisher nur in der präventiven Aufgabe der Polizei angedeutet war, von Bielfeld einigermaßen gestreift wurde und der von Berg später auf das schärfste hervorgehoben wurde, erfaßt, nämlich daß die Polizei zur Beseitigung von Gefahren berufen sei. Allerdings stellt Pütter die Polizei nicht der Verwaltung gegenüber und vergißt sonach eigentlich die ganze Verwaltung.

Succov, Schreber und Börner beschränken die Polizei lediglich auf Erhaltung und Vermehrung des Reichthums.

Einen entschiedenen Rückschritt gegen Justi macht C. G. Rößig3). Er gibt als Zweck seiner Schrift an, „den Nahrungsstand“ als Gegenstand der Polizei in den Vordergrund zu

1) De Politia p. 10.

2) Geist der Geseße der Deutschen Kap. 8 § 11.
3) Versuche über die Oekonomie, Polizei 1779.

schieben, ähnlich wie die drei eben genannten Autoren, weil „sich die Polizei in den vorigen Zeiten meist mit dem Ordnungswesen der Städte, mit der Kirchenverfassung und den guten Sitten beschäftigte“ (Vorbericht S. 1). Es ist, als ob Rößig Justi's Arbeiten gar nicht gekannt hätte, obwohl er ihn an erster Stelle citirt. Die Polizei sorgt für den Staat, insoferne weder das allgemeine Staatsrecht noch die Politik dies thut. Das erstere befaßt sich mit den Verhältnissen zwischen Regenten und Volk oder einzelnen Gliedern desselben, „die Politik maßt sich die Klugheit bei Ausübung der Majestätsrechte an“; der Rest gehört der Polizei. Diese umfaßt daher Sorge für die öffentliche Sicherheit und Bequemlichkeit innerhalb des Staates, mit Ausschluß der Rechtspflege; Sorge für die Zunahme der Bevölkerung, für die Sittlichkeit derselben; Sorge für den Nahrungsstand. Rößig vermischt Wahres und Falsches bunt durch einander. So unterscheidet er z. B. ganz richtig zwischen dem Majestätsrechte in Religionssachen und der Kirchenpolizei und sagt, in die Competenz des ersteren gehört es, darauf zu sehen, „daß die Kirche nichts lehrt, was der äußerlichen Ruhe und Sicherheit zuwider ist, was den Staat untergräbt“; Abstellung der Uneinigkeit zwischen den einzelnen Gliedern einer Kirche, Beförderung des Gottesdienstes durch gute Anstalten gehört vor die Kirchenpolizei. „Das, was nicht in dem Gebiete niederer Majestätsrechte und Staatswissenschaften liegt und doch das Wohl des Staates angeht, gehört für die Polizei“ (S. 13). In seinem „Lehrbuch der Polizeiwissenschaft“ (S. 1) sagt er: „Polizei ist das Ordnungswesen im Staate in Rücksicht auf innere Sicherheit, Schönheit, Bequemlichkeit, Bevölkerung, Sittlichkeit und den Nahrungsstand, insoferne diese Gegenstände durch Anstalten erhalten und befördert werden und dadurch die innere Stärke des Staates begründet wird“. Das ist eigentlich nichts Anderes, als eine Aufzählung der Gegenstände der Polizei.

"

Rößig faßt die Polizei als Regal auf und sagt, „die Polizei kommt dem Fürsten aus eben dem Rechte zu, vermöge

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