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auch unfähig, von der überseeischen Edelmetallproduction einen erheblichen Theil an sich zu ziehen.

Auch in den „Teutschen Reden“ hält Seckendorff den Gedanken, daß es auf Verwaltung ankommt und daß dieselbe eine Pflicht des Regenten sei und die Wohlfahrt der Unterthanen zum Gegenstande habe, energisch fest.

So sagt er in einem „Neujahrswunsche" 1), daß es für die Frage, ob ein Jahr gut oder schlecht gewesen sei, nicht darauf ankomme, „wenn die Feld-Früchte wohl gerathen und große reiche Ernden eingebracht wären, sondern wann große und großthätige Obrigkeiten und Regenten sich wohl verhielten. Denn worzu kan es helffen, wann alle Scheunen und Böden, alle Keller und Gewölbe, alle Kisten und Kästen voll Vorraths wären und griffen dennoch ungerechte und Tyrannische Obrigkeiten ohne Fug und Recht mit Gewalt darein oder erregten Streit und Krieg und ließen alles Vermögen durch Raub und Brand oder doch durch eigenmächtige Auszehrung des KriegsVolcks vernichten und hinwegnehmen. Dagegen kan man auch bey mäßigen Einkünfften sich hinbringen, wañ nur ein gutes ordentliches und gerechtes Regiment geführet, die Last nicht zu schwer gemacht und Friede erhalten wird“.

So wie Horn, so vergleicht auch Seckendorff die Verwaltung mit der Errichtung eines Gebäudes 2) und sagt, „es könnte in sehr vielen Stücken angezogen und ausgeführet werden, daß ein verständiger Regent und ein erfahrener Baumeister fast einerley Principia haben“. „In allen Dingen ist zuförderst auff den Zweck und Nußen zu sehen“ und sowie der Zweck des Gebäudes dessen usus" ist, so ist es auch bey dem Politischen Regiments-Bau".

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1) a. a. D. Brief XIV, geschr. i. J. 1680.

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2) a. a. D. XXI (1678). Veranlassung zu dieser „Rede“ gab die Einweihung des durch Herzog Moriz von Sachsen neu erbauten Klosters „Morißburg a. d. Elster".

Wozu wäre denn alle Sorge, Mühe und Gefahr, „wann deren niemand gebessert wäre und nicht allerseits die Wolfarth und Vergnügung des Regenten (steht immer in erster Linie) und der Unterthanen, dadurch nach Möglichkeit behauptet würde“?

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Dabei versicht Seckendorff eine gewisse Freiheit in der Gebahrung bei Handhabung der Verwaltung. Es gehöret in Utopiam“ zu glauben, daß „auff Seiten des Regenten und des Landes Alles nach Wunsch zu allen Zeiten und in allen Geschäfften ablauffen müsse“. Er bekämpft, daß man in der „Politischen Architectur“ „Alles auffs Vollkommenste ausdencken soll, Alles nach der Bley-Schnur ganz genau abwiegen und nicht zulassen wolle, daß es um einen Zoll fehlen, sondern wollen, daß Alles und Jedes nach denen Schul-Reguln eintreffe. Zwar muß das Hauptwerck getroffen und die gemeine Wolfarth zwischen Herrschaft und Unterthanen nicht verfehlet jein“.

Häufig parallel mit Seckendorff geht der schon oben genannte I. F. Horn u. a. auch darin, daß dieser ebenfalls die Verwaltung als Staatsaufgabe erfaßt; der Endzweck des Staates ist »reipublicae administratio«. Allerdings erreicht Horn ihn in dieser Richtung ebensowenig, als er ihn bezüglich der Unbeschränktheit des Herrscherthums und dessen Rückführung auf göttliche Fügung, wie später noch gezeigt werden wird, durchaus nicht zu seinem Vortheile, überbietet.

Horn spricht in seinem Werke1) über die » Politica« und erklärt, daß die » Politica« »non est systema, nec doctrina, aut disciplina, non ars, non scientia nec pars philosophiae practicae«, sondern » Politica est prudentia civitatum regendi«< (p. 11); speciell verwahrt er sich dagegen, daß man Politik und Ethik mit einander vermische: »verum enim vero quia Ethica nec imperium tractat, nec jura explicat, nec consilia attingit: tuto concludimus, eam non esse partem Politicae

1) Politicorum pars architectonica de Civitate (1664). Wir citiren nach der mit Anmerkungen von Kuchenbecker 1699 veranstalteten Ausgabe.

principalem« (p. 44) und will damit wohl die Unbeschränktheit seines Fürsten und dessen ausschließliche Dotirung durch göttliche Kraft erhärten. Die » Prudentia« ist entweder »architectonica << oder »rectoria«. Erstere schafft die Basis für die lettere >>basin reliquo operi substernit et constitutionem civitatis docet, ejus naturam et causas explicat, imperii potestates, obsequii vincula per Rerumpublicarum species tradit« (p. 31), was als eine Art Verfassungseinrichtung gedeutet werden kann; »Prudentia rectoria insequitur constitutam Rempublicam et eandem administrare legitime docet«. Diese Verwaltung ist aber nicht etwa das, was wir eine geseßliche Verwaltung" nennen: »Legitime vero administratur, quoties juste et prudenter regitur«. Nothwendig erscheint Horn zunächst »juris administratio«, dann eine »consultatrix prudentia. . . quae procul absit a rusticitate et imperitia«; er empfiehlt ferner »pietatem et justitiam, sed sagacitati et solertiae conjunctam«. Sein eigentliches Interesse concentrirt sich nicht auf die Verwaltung, sondern auf Statuirung der absoluten Fürstenherrschaft, für welche er dann zu Gunsten der Unterthanen einige Klugheitsregeln aufstellt.

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Seckendorff's Volkswirthschaftspflege ruht auf ständischer Grundlage; es fehlt in Deutschland an der „Ordnung des Nahrungsstandes." Seckendorff verwahrt sich zunächst dagegen, daß man aus der gleichmäßigen Unterstellung aller Menschen unter das Christenthum nivellirende Consequenzen folgern könnte und spricht sich daher entschieden für Aufrechthaltung der Stände aus. Er ist gar nicht gut zu sprechen „auf die leges agrarias, Gleichmachung aller Unterthanen und Dämpfung hergebrachter Vorzüge, davon etliche politici heutzutage Profession machen, wodurch mehrentheils nur gewechselt und gemenget, aber nicht vermehret und gebessert wird"1). Dabei ist er doch frei von Standesvorurtheilen und billigt die Stände deshalb, weil er conservativ ist und weil sich ohne tiefgreifende Aenderung der Rechts

1) Chr.-St. II. XIII, 5.

bildung das auch nicht wohl hätte ändern lassen und weil sie zur geregelten Volkswirthschaft nothwendig sind. Er beurtheilt die Stände nach ihrer Wichtigkeit für das allgemeine Gedeihen und stellt hierbei den Stand der Ackerbautreibenden in erste Linie, weil dieser die Mittel für die Befriedigung der nothwendigsten Bedürfnisse schaffe, diese Producte nicht zu „Lust und Zierde“ dienen und die Bauern die besten Christen sein könnten. Dann kommen die Handwerker, weil sie täglich arbeiten und nicht dem Müssiggange, den Seckendorff gründlich haßt, leben („nur der soll essen, der auch arbeitet") und nicht begehren, „weder Junker noch Herren zu werden“, weil sie durch Zünfte „ganz ehrbarlich“ ge= halten werden können und weil endlich die Handwerker noch immer Zeit zum Gottesdienste finden können. Dann kommt der Soldatenstand, welcher durch die militärische Disciplin_am_leichtesten in Zucht und Sitte erhalten werden kann; die Soldaten haben ihren Sold, ihre regelmäßig vorgeschriebene Beschäftigung und können ebenfalls Zeit zum Gottesdienste finden. Seckendorff sieht sich aber gezwungen, obwohl es ihm gewiß nicht leicht ankommt, die höheren Stände, in welchen er lebt und wurzelt, „gleichsam zurücke zu stellen," weil er eben die Stände vom Verwaltungsgesichtspunkte aus beurtheilt. Die Obrigkeit habe zuerst auf Bauern und Handwerker und erst dann auf die höheren Klassen zu achten. Wir haben hier in der „ständischen Verwaltung“ die Wurzel für den „Socialismus des Wohlfahrtstaates").

1) Seckendorff hat mit der ständischen Gliederung der Gesellschaft natürlich keinen neuen Schritt gethan, sondern in die Jedermann geläufige StändeOrganisation nur einen neuen Gesichtspunkt eingefügt, den der öffentlichen Verwaltung. Die Stände waren ja längst gegliedert und durch eine Reihe von Polizeivorschriften von einander getrennt. So enthält z. B. der R.-A. von 1497 (zu Lindau) eine Kleiderordnung und schreibt vor, wie der Adelige und wie der Bürger gekleidet sein solle. Besonders eingehend thut dies die Polizeiordnung von 1530 (Augsb. R.-A.). Da wird den Bauern das Verwenden von Gold, Silber und Perlen überhaupt verboten, allein mögen ihre Töchter und Jungfrauen ein Haarbändlein von Seiden tragen“; die

Weiters finden wir bei Seckendorff zuerst für Deutschland in zusammenhängender Weise den Grundsah vertreten, daß ein Volk seine Rohstoffe nicht unverarbeitet exportiren, sondern sie verarbeiten und erst dann erportiren solle. Bei der Umfor mung der inländischen Rohstoffe müsse man so weit gehen, daß die Verarbeitung entweder mehr oder nicht viel weniger werth sei als der Stoff1). Als Beispiel führt er an, daß die Wolle von 400-500 Schafen ein bespannter Wagen wegführen könne, hingegen habe, wenn man diese Wolle verarbeite, nicht bloß der Fuhrmann zu thun, sondern es finden auch 10-12 Menschen ein Jahr lang Verdienst; „darum fehlen wir Deutsche sehr, daß wir die rohen Materien ausführen und verhandeln und hernach, wenn andere Leute solche verarbeitet haben, die Manufacturen wieder hereinbringen und theuer bezahlen“. Dieser Punkt fehlt bei den Späteren, welche sich mit der philosophischen Begründung des Wohlfahrtstaates befassen, z. B. Thomasius, Wolff und findet sich nur noch bei Pufendorf 2).

Seckendorff will ausländische Waaren für Kleidung, sowie Speisen und Getränke nur „unter schweren Imposten und Zöllen“ einführen lassen. Handwerke aus Deutschland sollen nicht ins Ausland ziehen, sondern umgekehrt aus dem Auslande nach Deutschland verpflanzt werden, wie es damals Colbert machte, und endlich soll man Industrie und Gewerbe in den Städten

Frauen der Bürger dürfen einen Ring aus Gold, aber ohne Edelstein und nicht über 5 oder 6 fl. werth tragen, „die Jungfrauen ein sammet Harbändlein mit Silber und vergoldeten Beschläges“. Es werden genaue Vorschriften gegeben über den Adel, dessen Pferde und Knechte; unehrliche Weiber dürfen keinen Schmuck tragen, damit die anderen nicht verleitet werden u. s. w. Spätere Polizeiordnungen schärfen diese Vorschriften, wie bekannt, ebenso häufig als erfolglos ein.

1) Addit. 3. F.-St. S. 214 ff.

2) Schon Bodinus tritt für Ausfuhrzölle auf dem Auslande unent= behrliche Objecte ein, weil sie der Ausländer bezahlen muß, und will für Rohstoffe niedere, für Producte hohe Zölle: »Afin que le sujet gagne le profit de l'ouvrage et le prince l'imposition foraine«.

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