Daß ein solches Beginnen eigentlich ein endloses ist, haben wir von vornherein gewußt; alles, was mit „Verwaltung“ zusammenhängt, ist endlos, weil es in alle Gebiete des menschlichen Denkens und Schaffens ausmündet. Wir haben uns vermöge des uns gesteckten Zieles auf bestimmte Theile beschränken müssen, wissen aber zu gut, daß wir auch da hinter der Vollständigkeit weit zurückgeblieben sind. Wenn wir den richtigen Weg eingeschlagen und den Kern der Sache erfaßt und dargestellt haben, so ist genug gethan. Im Sommer 1884. Wardet. Inhalt. Seite Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III I. L. D. von Seckendorff als Vorläufer des eudämonistischen Wohlfahrt- staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sedendorff's „Naturrecht“ . . . . . . . . . . 5 2. Verhältniß zwischen Religion und Verwaltung. Nirche wird Gegenstand der Verwaltung ... 3. Sedendorff's Verwaltung . . . . . . . . . . Seckendorff's Finanzwesen ............. 4. Stellung des Fürsten bei Seck endorff . . . . . . II. Von Seckendorff bis zur Entstehung der Verwaltungslehre als Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Fortbildung des rationalen Verwaltungsgedankens Seckendorff's durch Becher, Hornick und Schröder . Streben nach Deutschlands Selbständigkeit, Kampf gegen Frankreich; Autokratismus des Herrschers ...... Becher . . . . . . . . . . . . . . . . Becher's „Regeln“ . . . . . . . . . . . . . . . 98 Hornick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Hornick's „Regeln“ . . . . . . . . . . . . . . Schröder. Absolute Fürstenmacht, Cameralismus. ... Becher, Hornick und Schröder als „Mercantilisten“, ... 125 2. Philofophische Begründung des eudämonistischen W ohlfahrtstaates .............. 138 Th. Hobbes . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 B. Spinoza . . . . . . . . . . . . . . . . 155 S. Pufendorf , . . . . . . . . . . . . . . . 159 G. W. Leibniz · · · · · · · · · · b) Bodinus und Montesquieu ........ c) Englische Aufklärungs- und Moralphilosophie ... F. Hutcheson . . . . . . . . . · · · · · · · f. G. H. Feder . . . . . . . . . . . Ad. Ferguson . . . . . . . . . . . . . . . . 215 . . . . · e) Philosophischer Cameralismus. Chr. Wolff ...... 226 Wolff's literarische Stellung . . . . . . . . . . . 226 Aristoteles' Verhältnis zum Wohlfahrtstaat...... 232 Wolff's Pflichtensystem. Pflicht zur eigenen Vervollkommnung und zu jener des Mitmenschen. Volkommenheit des Einzelnen wird Vorausseßung der Vervollkommnung des Andern · 237 Wolff's „Gemeinwesen“ ............. 256 Iselin's Staat . . . . . . . . . . . . . . . . 266. III. Entstehung der Verwaltungslehre als Wiffenschaft. 1. J. G. H. von Fusti . . . . . . . . . . . . . . 271 Justi's literarische Stellung . . . . . . . . . . . 271 Justi's Werke . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Justi als Philosoph . . . . . . . . . . . . . . 284 Justi's Rechtsphilosophie und Staatsrecht; Volfssouveränetät, Stellung des Herrschers, Verhältniß zu Montesquieu's Ge- waltentheilung . . . . . . . . . . . . . . . 290 Justi's Eudämonismus: Wohlfahrt und Freiheit .... 302 Kampf gegen das römische Recht . . . . . . . . . . 308 Justi's Systematik . . . . . . . . . . . . . . . 316 Sonnenfels' Systematit . ............ 329 2. Begriffsbestimmungen der „Polizei“. Durchdringen der Staatsidee . . . . . . . . . . . . . . . 332 Justi · · · · · · · · · · · · · · · · · · · 332 Moser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 · · · · · · · · · · · · · · · 337 Rößig · · · · · · · · · · · · · · · · · · · Fischer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 Lamprecht . . . . . . . . . . . . . . . . 343 3. Volkswirthschaftlicher Eudämonismus bis zum Auftreten des „Rechtsstaates" ......... 345 Abschluß nach außen; internationale Arbeitstheilung ... 345 Auffassungen über das „Geld“, Geld nicht Selbstzweck .. Gewerbe und Handel (Zollwesen) ..... .... Staats-Industrie · · · · · · · · · · · · · · · Regalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 Urproduction . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 4. Beginnende Opposition gegen deneudämonistischen Wohlfahrtstaat . . . . . . . . . . . . . . . 336 · 357 376 Ludwig Veit von Seckendorff als Vorläufer des eudämonistischen Wohlfahrtstaates. Deutschland vermochte die Stellung, welche es als mächtiges Reich im Herzen Europas während des Zeitalters der Entdeckungen und Erfindungen und der großen Kirchenreformation errungen hatte, nicht festzuhalten. Religiöse Spaltungen und politische Zerwürfnisse trieben dieses Reich in den schrecklichsten aller modernen Kriege — in den 30jährigen Krieg, aus welchem es mit zerschlagenen Gliedern heraustrat. Deutschland bildete dann nur mehr ein loses Conglomerat von Territorien mit entschieden centrifugalen Tendenzen; es hörte auf, ein Staat zu sein, und fing an, ein geographischer Begriff zu werden. Die Territorialherren wurden immer mächtiger, die Centralgewalt wurde immer schwächer; Katholifen und Protestanten standen einander als feindliche Brüder in unversöhnlichem Hasse gegenüber, Intoleranz und Rohheit famen auf die Tagesordnung, die Pflege der Kunst hörte auf, die Sitten verwilderten ins Ungeheuerliche, der Wohlstand war bis ins innerste Mark getroffen, – kurz, Deutschland war durch diesen grauenhaften Krieg um Jahrhunderte zurückgeworfen worden. Zugleich gewann es den Anschein, als ob Deutschland nicht bloß von seiner Höhe menschlichen Denkens und Schaffens auf allen Gebieten heruntergestoßen worden wäre, sondern als ob es auch die Fähigkeit eingebüßt hätte, das Verlorne wieder zu gewinnen. Damals war Deutschland einer Insel vergleichbar, Marchet, Verwaltungslehre. auf welcher sich ein ganz eigenthümliches Leben entwickelt hatte, für welches der in anderen Ländern gebräuchliche Maßstab unanwendbar geworden war. Darum traten auch die anderen, England und Frankreich, an Deutschlands Stelle, entwickelten sich politisch und materiell, förderten die Wissenschaft und befruchteten jo indirect auch Deutschland. England pflegte von jeher das Individuum. Im Grunde bezweckten die jahrhundertelangen Kämpfe um eine Verfassung, die glorreiche Revolution von 1688 nichts anderes als die Befreiung der persönlichen Kraft des Einzelnen. Man fühlte sich kräftig genug, für sich selbst zu sorgen, und verlangte darum vor allem Ruhe von oben her und das Recht zur Selbstverwaltung und Selbstbestimmung. Nur dort, wo der Einzelne gewissermaßen machtlos ist, auf dem Gebiete des auswärtigen Handels, verlangte man Förderung. Darum mündete die englische Philosophie der damaligen Zeit in den Utilitarismus aus, bedurfte es des Suchens um den Staatsbegriff, wie dies in Deutschland nothwendig war, nicht und gab sich überhaupt mit dem Nachdenken über Verwaltung nicht allzuviel ab. Frankreich wiederum hatte Verwaltung von oben her: die glänzende Epoche Ludwig XIV. und des großen Colbert. Es befand sich bei der absoluten Herrschaft und der concentricten, bureaukratischen Verwaltung ganz leidlich: die glänzende Stellung nach außen ließ manchen Schaden im Innern übersehen. Dabei fing man an, über den Staat und die Verfassung zu philosophiren, und kam schließlich zu den allgemeinen Menschenrechten. So arbeitete England daran, das Individuum allerwegen in den Vordergrund zu stellen, Frankreich erstritt die Freiheit für die Welt, Deutschland suchte den Staatsbegriff und damit die Verwaltung. Hier galt es zunächst, aus der furchtbaren Versumpfung und Verfallenheit aufzusteigen, sich wirthschaftlich, aber auch politisch zu regeneriren. Die geschichtliche Entwickelung gestattete es dem Deutschen weder, noch legte sie es ihm nahe, das Individuum in den Kreis der Betrachtung zu ziehen. Für |