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Was es auch war, das Mädchen sang
Als käm' ihr Lied zu Ende nie,
Und eifrig, wie die Stimme klang,
Führt auch die Sichel sie.

Zur Gnüge labt ich so das Ohr;
Und als ich stieg die Höh' empor,
Hört' ich im Herzen noch den Ton,
Obgleich ich weit entwandert schon.

Des wandernden Juden Gesang.

(Wordsworth.)

Ströme rauschen aus den Quellen

Manche Felsenstuf" hinab;

Doch es finden ihre Wellen

Endlich in der Tief" ein Grab.

Adlerschnell mit kühnem Satze
Schwingt die Gems' ob Klippen sich;
Doch an einem kleinen Platze
Fühlt sie wohl sich heimathlich.

Gleich dem meergepeitschten Schiffe
Schwebt der Rab' im Sturm dahin;
Zum geliebten Felsenriffe
Trägt den Schweifenden sein Sinn.

Seepferd' in der Wogen Tosen
Haben zwar kein eigen Haus;
Dennoch ruh'n die sorgenlosen
Auf der Brust der Fluten aus.

Aber meine Müh' und Plagen,
Täglich, nächtlich wachsen sie,
Ich muss wandern, ich muss zagen,
Denn zum Ziele komm' ich nie.

Auszüge aus der Wanderung (the excursion).

(Wordsworth.)

Philosophie, und die noch hehrere

Religion, mit stattlichem Gefolge,

Glaub', Hoffnung, Christenliebe, wählt aus allem

Sichtbaren euch Sinnbilder, was ihr findet

Von sich'rer Leitung, festestem Vertrauen:

Stern, Fackel, Anker, selbst nicht ausgenommen
Das Kreuz, an dess unselbstbewusstem Fuss

Die menschlichen Geschlechter tiefgerührt

Die Kniee beugten, bittres Nass vergiessend,
Und in dem Kampfe Ruhe suchten, euch,
Ihr hochbenamten Mächte, muss ich fragen,
Hier stehend, jenen unfahrbaren Himmel
Im schwachen Abglanz der Unendlichkeit
Hoch oben, und zu stillen Füssen unten
Ein unterirdisch Zeughaus von Gebeinen,
In dessen Zellen auch einst meine ruh'n,
Wo, wo sind eure Sieg' und eur' Besitz,
In welcher Zeit genehmigt und beglaubigt?
Nach einem glücklichen Bezirk nicht frag' ich,
Hain oder Eiland, Wohnort weniger
Beglückten, die mit reinem willigen
Gehorsam eurem heitern Ansehn folgen;
Doch welche einzle Seele, frag' ich, habt ihr
Dem schiefen Pfad der Leidenschaft entrissen,
Begeistert, vollgekräftigt? Wenn in's Herz
Bis zu den tiefsten Falten schauen könnte
Ein von dem Glanz des Lobs untrüber Blick,
Wen darf man nennen in der Strahlenreihe
Von Weisen, Märtyrern, Bekennern, den

Die Kraft der Hoffnung, Wahrheit, des Gewissens
Die stärkste, nur auf Tages kurze Spanne
Vor peinlichem, ehrlosem Widerspruch,
Ausschweifendem, mit Schuld gepflegtem Wunsch,
Gewissenlosem Rückfall in unheilges

Feigherzges Beben schützte?

Im Menschenleben,

Wenn man der Poesie gemeiner Rede

Vertraun darf, sehn wir wie in einem Spiegel
Ein treues Bild des Ringellaufs des Jahrs

Mit seinen Theilen. Wohl! Lenz mag's dort geben,
Trotz manchem rauhen ungestümen Hauch,

Mit Knospen, vielversprechenden, und Blüten;
Doch wo ist Sommers langer, reicher Tag,
Der folgen sollte, wahrhaft ausgedrückt?

Und linder Herbst, mit güt'ger Frucht beschwert,
Wo ist sein Bild? In welchem günst'gen Strich
Sein prächtiger verschwenderischer Aufzug?
Doch, wenn das Bessre der Vergleichung fehlt,
So zeigt das Schlimmre in des Lebens Herbst
Sich mit gar leicht kennbarer Aehnlichkeit,
Und das muss gnügen Lauben, die nicht mehr
Der Freude Laut vernehmen, minder stets

Von aussen und von innen Wärme geben,

Und so mit scharfer Luft und Blätterfall

Des vollen Winters Kält' und Kahlheit künden.

Was ist sich ungleich mehr als Mensch und Mensch?
Die Ungleichheit, woher? Von wem als ihm?
Denn sieh den ganzen Menschenstamm begabt
Mit gleicher grader Form! Die Sonne steht,
Sowie des Himmels grenzenlose Pracht
In dem Bereich von jedem Menschenauge;
Das ewigwache Meer rauscht allen Ohren,
Das Lenzgefilde strömt verjüngte Lust
In Aller Herzen. In der Welt der Sinne
Was es nur Schönes und Erhabnes gibt,
Das ist dem Anschaun offen hingelegt
Und ohne Schleier, und wo eine Kraft
Heilsam ist und ein Einfluss angenehm,
Da ist jedweder fähig zu empfinden

Die Kraft, den Einfluss, sonder Vorbehalt..
Auch edlere Geschenke sind gemeinsam,

Vernunft, und hiemit Lächeln, hiemit Thränen,
Einbildungskraft und Freiheit unsers Willens,
Gewissen, das uns treibt und hält, und Vorschmack
Des Tods, und Ahnung der Unsterblichkeit.
Seltsam drum, unnatürlich müsste scheinen
Der Fehl, wenn der Allmächtge, bis hieher
Freigebig sonder Unterschied, verbergen sollte
Sittlicher Eigenschaften Trefflichkeit
Vor allgemeiner Einsicht, trüb und dunkel
Den Weg zur Wahrheit und zur Tugend machend
Und schwer, und nur von Wen'gen zu gewinnen,
Seltsam verführ' er hier mit ekler Rücksicht,
Die andern all nachsetzend! Glaub' es nicht!
Die ersten Pflichten glänzen hoch, gleich Sternen,
Die milden, voll Beschwichtgungs-, Heilungskraft,
Sind, Blumen gleich, gestreut zu unsern Füssen.
Die edelmütgen Trieb' und grade Regel,
Gutthaten, holde Wünsch' und Seelenadel,
Darin ist nichts Geheimes, ist kein Vorzug
Für Hohe vor den Niedern, für die Stolzen
Vor Demutsvollen. Auf zum Himmel steigt
Der Rauch so leicht von einem Hüttenheerde
Wie vom Palast. Wess Seele diese wahre
Gleichheit erwägt, der wird die Au'n der Erde
Mit Dankbarkeit durchwallen und mit Hoffnung,

Zwar, überlegend dieses, Grund doch finden
Zu herb'rem Gram, sowie wir es befanden,
Den Sturz von alten Tugenden beklagend,

Und trauernd um die Schmach, die zwischen Mensch
Und Mensch so weiten Unterschied gemacht.

Zeilen

im Harzwalde in das Fremdenbuch zu Elbingerode geschrieben. (Coleridge.)

Ich stand auf Brockens Herrscherhöh und sah
Wälder ob Wäldern, Hügel über Hügeln,
Ein wogend Meer, nur von der blauen Ferne
Begrenzt. Nicht sonder Mühe zog ich abwärts
Den Fuss durch ewig grüne Fichtenwälder,
Wo hellgrün Moos sich hebt Grabhügeln ähnlich,
Mit Sonnenschein durchglänzt und der doch seltne
Vögelgesang zum hohlen Schalle wird,

Und ewiggleichen Säuselns feierlich

Der Windstrom sein Gesäusel nicht vermischt
Mit häufiger Wasserfälle häuf'gem Plätschern
Und dem Geschwätz der Quellen, wo auf einzlen
Steinblöcken laut die Gaiss mit hellen Glöckchen
Froh hüpft, auch wohl ein alter Bock romantisch
Mit weissem leisbewegtem Barte sitzt.
Langsam und müde ging ich weiter, denn
Ich fand, dass selbst die hehrste äuss're Bildung
Nur durch ihr inn'res Leben auf uns einwirkt
Als Zeichen hohen Werths, das nicht das Aug'
Durchschaut, in dem das Herz nur lieset, sei's
Andenken oder Ahnung Freundes, Kindes,
Des holden Mädchens unsrer ersten Liebe,
Des Vaters oder des erhabnen Namens
Des heilgen Vaterlands. O Königin,
Du Gottheit, von dem Erdball abgeordnet,
Mein theures England, wie mein sehnend Auge
Nach Westen blickt, im Wolkenberg dort deine
Sandigen Klippen schauend! Süsse Heimat,
An dich gedenkend hob dies Herz sich stolz,
Ja schwamm mein Aug' in Thränen! Alles, was
Vom Brocken aus ich sah, Gebirg' und Wälder,
Es war verschwunden wie ein flüchtiger
Verwirrter Traum. O Fremdling, tadle nicht
Leichtsinnig dies Gefühl; acht' ich doch auch,
Beleidigendem raschen Zweifel wehrend,
Des Mannes höhern Geist, der allenthalben

Gott fühlt, Gott, der gemacht zu einer grossen
Familie- uns all', zu unserm Vater

Sich selber und die Welt zu unsrer Heimat.

Die Vergangenheit.
(Wilson.)

Wie wild und wirr ist dieses Leben,
Ein langes, tiefes, schweres Ach!
Wenn halbertränkt im Thränenbach
Das Auge sieht vorüberschweben
Der Jugend Bilder dämmerndschwach,
Vergessen schon, indem sie gehn,
Wie wir am Ufer Well' an Welle
Zerfliessen sehn;

Sowie an stillen Himmelshöhn
Die Ambrawolken jetzo weilen,
Dann wie ein Traum enteilen.
Des Mondes Strahlen spielen schön,
Hell auf des hellen Weihers Brust;
Die Seele schaut's mit süsser Lust,
Doch glauben wir, wenn sie vergehn,
Kaum, dass wir sie gesehn.

Wie himmlisch tönt der Harfe Klang,
O möcht' er nimmer doch verwehn!
Er schweigt. Die Seele wird zur Zelle,
Wo nie Musik erklang.

Traum folgt auf Traum die lange Nacht,
Wie schön und schöner immer!
Doch, eh die Morgenblum' erwacht,
Verschwand der Zauberschimmer.
Und manches Engelsangesicht,
Aus welchem Lieb' und Güte spricht,
Zieht uns vorüber hier.

Die Zeit entflieht, kaum wissen wir
Ob das Gesicht, das uns entzückte,
Freud' oder Leid ausdrückte.

Betrachtungen

bei dem Abschied von einem Wohnorte.
(Coleridge.)

Niedrig war unser Hüttchen, hohe Rosen
Sahn in das Kammerfenster. In des Mittags,

Abends und Morgens Stille konnten wir

Das Meer schwach murmeln hören. Unsre Myrten Blühten im Freien, und die Pfort' umschlang Dichtrankender Jasmin. Die kleine Landschaft

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