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eingekehrt. Der Bauer bewirtete sie mit einer Kümmelsuppe und Kartoffeln. Nach zweistündigem Aufenthalte sezten sie ihren Ritt nach Zaroschig fort. Sie hatten dem gutherzigen Landmanne einige Ducaten geschenkt, die ihm jedoch am zweiten Tage darauf die Franzosen abnahmen.

Das Gedenkbuch der Pfarre Zaroschiß erzählt, dass der österreichische Kaiser im Gemeindehause, Czar Alexander im Bauernhause (Nr. 45) des Isidor Vala und sechs weitere Generale im Pfarrgebäude übernachteten. Die Noth war im ganzen Orte derart gestiegen, dass sich die Generale in der Pfarre mit einer Schüssel ungesalzener Kartoffeln begnügen mussten.

Die Nacht des 2. Decembers war herangekommen. Der Himmel hatte sich umwölkt und ein leichter Regen= schauer fiel zur Erde, als die lezten Schüsse verhallten. Ein Sprühregen rieselte herab auf die ge= fallenen, verwundeten und die mit Grauen erfüllten, entkräfteten Soldaten.. die Kriegsfurie begann zu erlöschen. Es schien, als ob die Einzelnen unter dem schaurigen Eindrucke der lezten Stunden stammelten: Genug des grausamen Spieles, genug! Haltet ein! Kommt doch wieder zur Besinnung! Was treibt Ihr doch?" Die Nacht hatte dem Kampfe ein Ende gemacht. Die weiten Felder und Fluren, die vor kurzem im Glanze der Wintersonne noch so lieblich schön dalagen, waren mit Nebel und Rauch bedeckt und rochen nach Schwefel, Salpeter und Blut...

Gleich um Mitternacht vom 2. auf den 3. December begann der allgemeine Rückzug von Austerlig und Hodiejiß ; die ermüdete und decimierte vereinigte Armee marschierte durch den Steinizer Wald über Czeitsch und Göding nach Holitsch. Bagration bildete die Nachhut. Kienmayer blich mit der gesammten österreichischen Cavallerie bei Nischkowitz stehen, am 3. December stand er bei Uhrzit und am Nachmittage desselben Tages bereits auf den

Höhen von Nasedlowiß, von wo er Vorposten bis Zaroschig und Uhrziz aussandte. Man kann die Entscheidung unseres Generalstabes, der jeden weiteren Kampf aufgab und den raschen Rückzug anordnete, nur loben. Die Franzosen verfolgten über Befehl Napoleons die geschlagene Armee nach allen Richtungen, wenn auch nicht besonders thatkräftig, da Napoleon nicht gleich wusste, in welcher Richtung die Hauptmacht der Verbündeten zurückweiche. Am 4. December lagerte der Rest der vereinigten Armee bei Holitsch am linken Marchufer, Kienmayer und Bagration als Vorhut am rechten Marchufer zwischen Czeitsch und Göding.

Die französischen Truppen nahmen am 2. December abends genau jene Stellung ein, welche die verbündete Armee noch früh morgens eingenommen hatte.

Napoleon lenkte die Schlacht früh und vormittags vom Hügel Zuran aus und feineswegs vom Hügel bei Boseniz. Als Prinz Murat, unterstüßt von den Divisionen Caffarelli und Rivaud, um Blaschowig kämpfte, eilte Napoleon zum Corps Bernadotte, später auf die Höhe von Praze; nachmittags verfolgte er den Verlauf und das Ende der Schlacht von der St. Antonkapelle oberhalb Aujezd. Nach der Schlacht ritt er seiner Gewohnheit gemäß das ganze Schlachtfeld ab und ertheilte die lehten Befehle. Das Schlachtfeld war mit todten und verwun= deten Soldaten besäet. Ein schauriges, gespensterhaftes und doch wieder rührendes Bild für den gefühlvollen Beschauer! Von dem erstarrten Angesichte der Gefallenen konnte man das lezte Gefühl, das ihre Brust durchwogt, den lezten Gedanken, der sie beschäftigt hatte, förmlich ablesen. Da lag ein Soldat und barg sein Gesicht mit seinen Händen.. da einer mit ausgespannten Armen und geballten Fäusten.. da einer, der seine Finger in die Erde gegraben.. dort einer mit offenen Augen und einem Lächeln um die erstarrten Lippen.

„Am 8. December, am Sonntage, besuchten wir das verlassene Schlachtfeld. Was wir hier zu unserem Entseßen schauen mussten, lässt sich nicht beschreiben. Tausende Leichen, einzeln oder in Haufen, lagen da. Der Gesichtsausdruck war schaurig anzusehen. Da lag eine Hand, dort ein Fuß, hier ein halber Körper, dort wieder ein Rumpf. Da streckte uns ein Krüppel seine blutbedeckte Hand entgegen und schrie um Hilfe, dort erblickten wir einen Soldaten, der bis an die Hüfte in dem Schlamme stak und halb erfroren war; er befühlte seine gräßliche Wunde und bat in der Verzweiflung, wir möchten ihm den Todesstreich verseßen. Mit Grausen verließen wir diese fürchterliche Stätte des Elends und kehrten in unser Heim zurück." So berichtet die vom Lehrer Franz Žáček zusammengestellte Schulchronik von Möniz.

Es ist sicher, dass Napoleon auch mit geringeren. Streitkräften denselben Sieg errungen hätte, da einzelne Abtheilungen seiner Reserve (die Garde) nicht einmal in den Kampf eingegriffen hatten. Die Soldaten einer Abtheilung weinten vor Ärger, weil sie nichts zum Siege hatten beitragen können. Napoleon tröstete sie und sprach angeblich: Freuet Euch doch, dass Ihr nicht mitgekämpft habt! Ach wie gut ist es, dass ich Euch heute nicht brauche."

Napoleon theilte, während er das Schlachtfeld abritt, den Verwundeten Wächter zu, welche dieselben auf den Verbandplay trugen; dabei ließ er die feindlichen Soldaten keineswegs ohne Pflege. Als ihm über heldenmüthige Thaten einzelner Soldaten berichtet wurde, bemerkte er: „Ach, wie schwer wird es mir werden, mich diesen tapferen Soldaten erkenntlich zu zeigen!"

Besonders die französische Artillerie hatte in den Reihen der verbündeten Armee ungeheuere Verheerungen angerichtet. Als Napoleon dies erfahren hatte, sprach er: „Diese Erfolge freuen mich außerordentlich, denn ich habe nicht vergessen, dass ich bei dieser Truppe meine militärische Laufbahn begonnen habe." Nur mit einem Bataillone

des 4. Infanterie-Regimentes war er unzufrieden, weil es im hißigen Kampfe bei Blaschowig seinen Adler an die russische Garde verloren, obwohl es die zwei Fahnen der Garde genommen hatte.

Trog aller Sorgfalt der Militärärzte war 48 Stunden nach der mörderischen Schlacht eine große Zahl der Verwundeten auf dem Schlachtfelde noch nicht verbunden!

Dem Hügel „Žuran" gaben die französischen Soldaten alsbald den Namen „Kaiser-Hügel.“

Im französischen Lager gieng es wohl nie so lustig zu, wie am 2. December abends! Wo immer sich ein kaiserlicher Officier blicken ließ, riefen ihm die sieges= trunkenen Soldaten zu: „War der Kaiser heute mit uns zufrieden?"

Napoleon verlegte spät in der Nacht sein Hauptquartier in die Posorziger Post, wo er auch übernachtete ; das Haus, in dem die Post damals untergebracht war, gehört gegenwärtig dem Landwirte Franz Zemla. Im Hofe erblickt man eine Kanonenkugel in der Mauer. Napoleon schlief daher weder vor noch nach der Schlacht in dem Wirtshause „Kandia." Deshalb hat auch ein Balken aus der Wirtsstube, der in der Schule zu Kritschen sorgfältig verwahrt wird, sammt der unrichtigen und unechten Aufschrift keinen Wert.1)

1) Die Aufschrift lautet: s. m. mersone. napolionis, aeasse ri, les, erois. nuts, cui, ont, p. b. ccesme, a, batalis. dausterlitz. J. H. S. Es scheint, dass die ursprüngliche Inschrift in den Balken eingeschnitten war und in provençalischer Mundart besagen sollte, dass sich Napoleon an einem Tage vor der Schlacht mit seinen Helden in diesem Wirtshause unterhielt.

Was der Adjutant Napoleons zu erzählen weiß. ')

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Am 3. December morgens ritt Napoleon das Schlachtfeld ab. Beim Satschaner Teiche stieg er vom Pferde und ließ sich mit seinen Marschällen, die um ein Feuer standen, in ein Gespräch ein. Da sah er etwa 100 Schritte vom Teichdamme eine ziemlich große Eisscholle schwimmen, auf der ein decorierter russischer Unterofficier lag, der sich nicht helfen konnte, weil er den Oberschenkel durchschossen hatte. Das Eis war vom Blute des Soldaten geröthet. Als dieser eine größere Gruppe höherer Officiere und die Garden am Ufer erblickte, vermuthete er ganz richtig, dass sich auch der Kaiser daselbst befinden dürfte; er erhob sich, so weit es ihm möglich war, und begann gegen das Ufer hin zu rufen, dass die Soldaten aller Völker nach der Schlacht Brüder seien und dass er den mächtigen Kaiser der Franzosen um sein Leben bitte. Napoleon ließ sich diese Worte verdolmetschen. Gerührt durch diese Bitte, gab er seinem General-Adjutanten Bertrand den Befehl, alles zu thun, was sich überhaupt thun lasse, um den Armen zu retten.

Einige Soldaten mit zwei Officieren des Generalstabes giengen sofort ans Werk. Am Ufer des Teiches lagen zwei Baumstämme, welche sie zunächst in den Teich wälzten. Dann setten sie sich, angekleidet wie sie waren, auf die Baumstämme und hofften, wenn sie gleichmäßig mit den Füßen rudern würden, vorwärts zu kommen. Kaum hatten sie aber die Stämme vom Ufer abgestoßen,

1) Nach Aufzeichnungen des Marcellin Baron Marbot.

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