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herangekommen wären und bot deshalb Bagration einen dreitägigen Waffenstillstand an, den Kutuzov sehr dankbar annahm, um den Rückzug seines Corps gegen Znaim durchzuführen. Kaum hatte Napoleon, der eben in Schönbrunn weilte, von Murat über den vorgeschlagenen Abschluss des Waffenstillstandes Nachricht erhalten, als er auch sofort diese List herausfühlte und an Murat ein Schreiben nachfolgenden Inhaltes abschickte.

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Schönbrunn, 16. November 1805.

Dem Prinzen Murat.

Ich finde keine Worte, um Ihnen meine Unzufriedenheit auszudrücken. Sie befehligen meine Vorhut und haben kein Recht, ohne meinen Befehl einen Waffenstillstand abzuschließen. Ihre Schuld ist es, dass ich beinahe um die Früchte meines ganzen Feldzuges gekommen wäre. Brechen Sie den Waffenstillstand sofort und schlagen Sie auf den Feind los. Sagen Sie ihm, dass der General, welcher diese Capitulation unterschrieben hat, dazu nicht berechtigt war und dass dazu fein Anderer berechtigt ist als der russische Kaiser.

Übrigens bin auch ich mit dem Wortlaute der angeführten Bedingungen einverstanden, wenn der russische Kaiser damit einverstanden ist; aber das Ganze ist nichts anderes als Betrug. Rücken Sie vor und vernichten Sie die russische Armee... Sie können deren Wagenpark und deren ganze Artillerie in Ihre Hände bekommen.

Der General-Adjutant des russischen Kaisers ist ein Schwindler. Officiere, die keine Vollmacht in der Hand haben, haben nichts zu bedeuten; dieser hat auch feine. Die Österreicher ließen sich beim Übergange über die Wiener Brücke täuschen, Sie aber lassen sich vom Adjutanten des Kaisers täuschen.

Napoleon."

Wien befand sich bereits seit dem 13. November in der Gewalt der Franzosen. Wien hatte nur schwache

Gegenwehr geleistet und die Flucht vollzog sich in solcher Eile, Hast und Verwirrung, dass dabei manch' lächerliches Stückchen unterlief. So wurden die hölzernen Bänke aus der Kriegskanzlei nach Ungarn in Sicherheit gebracht, dafür aber Hunderte von Gewehren, Kanonen und Mörsern im Stadtgraben, im kaiserlichen und bürgerlichen Zeughause liegen gelassen. Klug benahmen sich die Schuster. Ihre Genossenschaft hatte dem Ärar eine große Bestellung an Schuhwerk abgeliefert. Da ihnen aber die Lieferung noch nicht bezahlt worden war, drangen sie in das Magazin ein und retteten so das Schuhwerk nicht nur für sich, sondern auch für das Ärar.

Auf sehr leichte und listige Weise überschritten die Franzosen die Donau. Fürst Auersperg hatte die Aufgabe, die unterminierte und stark besezte Taborbrücke zu halten.

Allein er ließ sich von den Franzosen, die vorgaben, es sei ein Waffenstillstand geschlossen worden, bethören und die Brücke nicht zerstören, deren sich Prinz Murat rasch bemächtigte. Einem österreichischen Kanonier, welcher eine Kanone auf die ruhig, aber hinterlistig heranrückenden Franzosen abfeuern und die Brücke in Brand stecken wollte, schlug Marschall Lannes im entscheidenden Augenblick die brennende Lunte aus der Hand und warf sie in die Donau mit den lügenhaften Worten: „Du Unglücksmensch! Was willst Du thun? Weißt Du denn nicht, dass Waffenstillstand eingetreten ist?"

Wegen dieses Verhaltens wurde Fürst Auersperg des Oberbefehles enthoben und mit Festungshaft in Königgrät bestraft.

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Am 17. November fiel Napoleon in Mähren ein, wo die Hauptschlacht die europäische Frage entscheiden sollte. In Mähren war inzwischen auch das russische Hauptheer unter Führung des Czaren Alexander I. eingetroffen, während der österreichische Kaiser Franz I. bereits anfangs November in Brünn angekommen war.

Das Armee-Corps Kutuzov's wurde mittels Vorspann so rasch als möglich von Znaim gegen Brünn befördert. Die Infanterie wurde auf Bauernwägen mit Sißen für je zehn Mann und zwar 6000-9000 Mann auf einmal, die Officiere auf Wägen mit je 4 Sihen befördert. Die Wägen für Officiere wurden von den Herrschaftsbesitzern, Beamten, Geistlichen, Müllern und Bürgern beigestellt. Der Bedarf an Vorspann war allerdings ein ganz ungewöhnlicher, da außer der Infanterie auch die vorrückende Cavallerie und Artillerie viel Bespannung brauchte. Die Vorspann stellten der Brünner, Znaimer und Hradischer Kreis bei.

Kaiser Franz verließ Brünn am 17. November; das Hauptquartier der vereinigten Armee befand sich am 18. November in Schlapani, am folgenden Tage in Wischau.

Am 19. November gerieth Brünn ohne Kampf in die Hände der Franzosen. Schon am frühesten Morgen cursierten in der Stadt Nachrichten, dass der Feind im Anzuge begriffen sei. Nach einem Scharmüzel der russischen Nachhut mit französischer Cavallerie bei Wojkowig drang Prinz Murat nachmittags an der Spige zweier Kürassier-Regimenter durch das Brünner Thor in die Stadt ein und versprach den ihm entgegengesandten Vertretern der Stadt, der Bürgerschaft die Lasten der Kriegszeit so weit als möglich erleichtern zu wollen. Murat schlug sein Quartier in dem Hause Nr. 26 am Großen Plage auf. Noch an demselben Tage beseßten 30.000 Franzosen die Stadt. Auf dem vollständig geräumten Spielberge fielen ihnen 60 Kanonen, 6000 Gewehre, 3000 Centner Pulver, eine große Menge Korn und Mehl und ein bedeutender Vorrath an Kleidung in die Hände... ein sehr empfindlicher Verlust für die vereinigte österreichisch-russische Armee!

Das französische Hauptquartier befand sich am 18. November in Znaim, am 19. in Pohrliz.

Eine traurige Nachricht über das räuberische Benehmen der vorrückenden Franzosen ist in dem Hausprotokoll der Pfarre von Lechwiz (bei Znaim) verzeichnet, die wir hier wortgetreu anführen:

„Im Jahre 1805 den 23. November kamen die Franzosen nach Lechwiz. Der größte Theil der feindlichen Armee, besonders Reiterei passierte die von Znaim nach Brünn neu errichtete Kaiserstraße. Bei dieser Gelegenheit wurden nicht nur die damaligen obrigkeitlichen Herrn Beamten, sondern auch der Localkaplan zu Lechwig von den Feinden misshandelt und geplündert, er musste, um nicht sein Leben in Gefahr zu bringen, Lechwig verlassen und nach Proßmeriz zum H. Erzpriester Karl Seit seine Zuflucht nehmen. Während seiner Abwesenheit drangen die Feinde mit Gewalt in seine Wohnung, rissen das Schloss von der Eingangsthüre ab, raubten ihm alles, was er nicht verborgen hatte, verwüsteten

ihm alle seine Zimmereinrichtung, so dass dieser rechtschaffene Mann in der bedauerungswürdigsten Lage sich befand; jedoch würde er diese Trübsale noch mit Geduld und mit männlicher Standhaftigkeit ertragen haben, wenn nicht diese gottlosen Menschen sich an das Heiligthum und an den Wohnsiz Gottes, nämlich an die Kirche in Lechwig selbst gewagt hätten. Der 24. November 1805 war jener unglückliche Tag, an welchem die französischen Gottesräuber, die alle Rechte der Völker über den Haufen stürzten, ihre verruchten Hände an das Haus Gottes legten; mit starken eisernen Hebbäumen stießen sie die stark mit Eisen beschlagene Thür an der Seite der Wachskammer auf, erbrachen mit gleicher Gewalt die Sacristei, zertrümmerten den Tabernakel, worin das Allerheiligste aufbewahrt war, warfen die consecrierten Partikeln auf die Erde, raubten die hl. Gefäße und Messkleider und ließen auch den verborgendsten Winkel nicht undurchsucht. Der Schaden, den die Kirche bei dieser Gelegenheit erlitt, betrug 3976 ft. 30 fr.

Nach Ausplünderung der Kirche wurden wegen Mangels an Paramenten und hl. Gefäßen durch beinahe zwei Monate keine gottesdienstlichen Handlungen abgehalten.

Sogar auf die Marienstatue, welche sich hinter und über dem Tabernakel unter Glas befindet, haben diese Bösewichte geschossen. Durch ganze zwei Monate wurden in Lechwiß keine gottesdienstlichen Handlungen vorgenommen, bis wir endlich von Grillowiz einen Kelch und einige alte Messkleider erhalten haben. In Grillowit haben die Franzosen sogar den Seelsorger erschlagen."

Vom 19. zum 20. November übernachtete Napoleon mit seinem Gefolge im Pfarrgebäude zu Pohrlig, wo 32 Jahre vor ihm auch Kaiser Josef II. geschlafen hatte. Noch jezt kann man das Zimmer und die Stelle sehen, wo Napoleon geruht hatte. Über dem Bette hängt ein Bild Napoleons mit der vielsagenden lateinischen Aufschrift:

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